Bush befindet sich derzeit auf seiner vermutlich letzten Europareise seiner Amtszeit. Auf dem Programm der zweitägigen Visite stehen politische Gespräche mit Merkel im Gästehaus der Bundesregierung auf Schloss Meseberg bei Berlin. Bush hat schon in den vergangenen Tagen Gespräche mit verschiedenen Regierungschefs geführt.
Westerwelle: Die Atombomben in Deutschland sind ein "Relikt" aus der Zeit des Kalten Krieges
Nach Ansicht der FDP muss das Thema Abrüstung die Gespräche mit Bush bestimmen. Dabei sollte es sowohl um das umstrittene US-Raketenschild in Osteuropa als auch um die nuklearen US-Sprengköpfe in der Bundesrepublik gehen, sagte Parteichef Westerwelle. Die Atombomben seien ein "Relikt" aus der Zeit des Kalten Krieges, das Deutschland weder brauche noch wolle. Der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) machte Bush maßgeblich verantwortlich für einen weltweiten "Ansehens- und Einflussverlust" der USA.
Bahr: Erstmals geführte sogenannte Präventionskriege unter Verletzung des Völkerrechts
Eine verheerende Bilanz der fast achtjährigen Amtszeit von Bush zog der SPD-Politiker Egon Bahr, Architekt der Ost-, Entspannungs- und Friedenspolitik Willy Brandts. "Ich kenne überhaupt keinen Präsidenten in der amerikanischen Geschichte, der seinem Lande mehr geschadet hat", sagte Bahr und verwies auf erstmals geführte sogenannte Präventionskriege unter Verletzung des Völkerrechts sowie die enorme Aufrüstung unter Bush. Damit habe er "die größte Welle von Aufrüstung in der Menschheitsgeschichte ausgelöst".
Laut SIPRI steigen die Rüstungsausgaben der USA in den Amtsjahren von Bush um 59 Prozent. Grund seien vor allem die Krieg in Afghanistan und im Irak, wird in dem Bericht festgestellt. Am stärksten hätten in diesem Zeitraum jedoch die osteuropäischen Staaten ihre Militärausgaben erhöht. Bei den Rüstungsexporteuren lagen im vergangenen Jahr erneut die USA mit 31 Prozent erneut auf Platz eins.
Strutynski: Bush hat einen nun schon fast sieben Jahre dauernden Krieg in Afghanistan angezettelt
Nach Auffassung des Sprechers des Bundesausschuss Friedensratschlag, Peter Strutynski, verbindet sich mit dem Namen George W. Bush Jr. "eine der finstersten Perioden US-amerikanischer Außenpolitik". Bush habe einen nun schon fast sieben Jahre dauernden Krieg in Afghanistan angezettelt und die NATO in diesen Krieg mit hineingezogen. Bush habe einen lang währenden "Krieg gegen den Terror" ausgerufen und führe diesen Krieg mit Unterstützung fast aller NATO-Staaten "im Widerspruch zum Völkkerrecht und zu den Interessen der Menschheit". Bush habe im Zuge seines Kreuzzuges gegen die "Achse des Bösen" jede Rücksichtnahme gegenüber dem humanitären Kriegsvölkerrecht (Haager Landkriegsordnung, Genfer Konventionen) und der Anti-Folter-Konvention aufgegeben. Bush habe mit einer "Koalition der Willigen" in einem beispiellosen Akt der Aggression den Irak überfallen und halte diesen seitdem besetzt. "Auf das Konto seiner Kriegsführung kommen nach unabhängigen Studien Hunderttausende Todesopfer", so Strutynski.
Bush habe sich zudem mit der Einrichtung eines illegalen Gefangenenlagers in Guantánamo (Kuba), in dem weder die allgemeinen Menschenrechte noch die Konvention zur Behandlung von Kriegsgefangenen gälten, außerhalb jeden Rechts gestellt. Bush bedrohe seit Jahren den Iran wegen dessen angeblichem Atomwaffenprogramm und verletze damit die Charta der Vereinten Nationen, wonach jede "Androhung oder Anwendung von Gewalt" verboten ist. Bush habe nicht zuletzt auch die Militär- und Rüstungsausgaben seines Landes in schwindelnde Höhen katapultiert. Der Militäretat einschließlich der Sonderausgaben für die Kriege in Irak und Afghanistan sei höher als der Bundeshaushalt der Bundesrepublik Deutschland.
Bush habe "außer großspurigen Versprechungen" wie etwa im Dezember 2007 in Annapolis auch "nichts, aber auch gar nichts getan, um den israelisch-palästinensischen Konflikt zu entschärfen", meint Strutynski. Das letzte Treffen zwischen dem in innere Korruptionsaffären verwickelten israelischen Ministerpräsidenten Olmert und dem präsidentiellen Auslaufmodell Bush habe auf erschreckende Weise die Erstarrung jeglicher Nahostpolitik symbolisiert. Bush habe sich auch endgültig dem seit 2002 arbeitenden Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verweigert, indem er seine Unterschrift unter den Vertrag zurückgezogen habe. "Damit zeigte er einmal mehr, dass er nicht gewillt ist, die Weltmacht USA unter die Geltung des internationalen Rechts zu stellen. Noch nie waren die Sympathiewerte der USA in der Welt so tief wie heute. George W. Bush hätte im eigenen Land schon längst wegen 'antiamerikanischer Umtriebe' angeklagt werden müssen", so Strutynski. Es werde ein Aufatmen geben, "wenn der Oberste Kriegsherr dieser Welt unser Land wieder verlassen hat und wenn seine Amtszeit abgelaufen sein wird. Als Privatperson wird sich George W. Bush, da sind wir uns sicher, nicht mehr hierher verirren, muss er doch - wenn hier zu Lande noch Recht und Gesetz gelten - mit zahlreichen Anzeigen wegen der oben genannten Völkerrechtsverbrechen rechnen."
Claußen: Erteilen Sie einer deutschen Beteiligung an einem Iran-Krieg eine klare Absage
Die Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) forderte Merkel in einem offenen Brief dazu auf, jede Beteiligung Deutschlands an einem möglichen Militäreinsatz gegen den Iran auszuschließen. "Machen Sie dem US-Präsidenten klar, dass Krieg gegen den Iran keine Lösung ist. Schließen Sie eine Nutzung der in Deutschland befindlichen Militärflughäfen für einem militärischen Einsatz von vorneherein aus." Hintergrund sind die jüngsten militärischen Angriffsdrohungen seitens der USA und Israels gegenüber dem Iran.
Es sei Zeit für einen Strategiewechsel, so die IPPNW-Vorsitzende Claußen. "Das bisherige Vorgehen der USA und ihrer Verbündeten hat eher die Befürworter der iranischen Atombombe bestärkt." Grundlage für echte von Diplomatie geprägte Verhandlungen müssten "Tatsachen und keine Spekulationen" sein. "So hatten US-Geheimdienste in einem Bericht festgestellt, dass der Iran seine Versuche, eine Atombombe zu bauen, 2003 gestoppt habe", heißt es in dem Brief der Ärzteorganisation an Bundeskanzlerin Merkel. Trotzdem habe die internationale Atombehörde in ihrem jüngsten Bericht erneut festgestellt, dass "nach wie vor einige zentrale Fragen hinsichtlich des iranischen Atomprogramms unbeantwortet geblieben sind".
"Es darf keine Vorbedingungen für Verhandlungen geben", meint Claußen. "Unter Artikel IV des Nichtverbreitungsvertrages hat der Iran das Recht, die Urananreicherung für friedliche Zwecke zu betreiben. Das iranische Volk sieht dieses Programm als ein Symbol der nationalen Souveränität und des Stolzes." Druck und Drohungen würden innerhalb der Bevölkerung die Kräfte stärken, die eher auf Eskalation setzten und nicht die moderaten Kräfte, "die wir unterstützen müssen".
Nach Auffassung der Ärzte für die Verhütung eines Atomkrieges sollte Irans Atomprogramm "in den Kontext einer Atomwaffenfreien Zone Naher und Mittlerer Osten gestellt werden". Unzweifelhaft habe der Iran eigene Sicherheitsbedenken im Hinblick auf die israelischen und amerikanischen Atomwaffen sowie die Verteilung der militärischen Macht im Nahen und Mittleren Osten. "Eine transparente Abrüstungspolitik kann vom Iran nur eingefordert werden, wenn die Regierungen des Nahen und Mittleren Ostens in Verhandlungen eintreten mit dem Ziel einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Nahen und Mittleren Osten", schreibt Claußen.
"Der globale und unbefristete Krieg gegen den Terror, der zu einem immer größeren Erzeuger von Hass und gewalttätigen Reaktionen geworden ist, muss beendet werden und Deutschland seine Beteiligung grundsätzlich aufkündigen", fordert Claußen.