Der Eintritt in die CSU war für Jaud mit 16 Jahren ganz selbstverständlich. "Die meisten meiner Kumpels waren da", sagt er. Auch der Bürgermeister im Dorf, die Eltern, die Nachbarn. "Es gehört einfach zum guten Ton, in der CSU zu sein - wie im Trachtenverein", sagt er. Nur mit den Inhalten beschäftige sich niemand. Auch Jaud hatte lange mehr für die Feste des CSU-Ortsvereins übrig als für dessen politische Ziele. Irgendwann kamen Gespräche mit Gewerkschaftern und Globalisierungsgegnern - und schließlich die Agenda 2010. Die Reform der damaligen rot-grünen Regierung sei die reinste Anleitung zum Sozialabbau gewesen, schimpft er, "aber dass die CSU mit ihren Forderungen noch darüber hinausging, war zu viel des Guten."
Andere unzufriedene Gewerkschaftler gründeten in Bayern die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG). Jaud hörte sich deren Argumente an, ließ sich überzeugen und baute ein Jahr nach seinem CSU-Abschied einen eigenen Ortsverband der WASG auf. "Dabei wollte ich nach der CSU nie wieder in eine Partei eintreten", sagt er. Nun steht er wieder mit Fahnen und Faltblättern in den Straßen von Biesenhofen nahe Kaufbeuren - nur auf der falschen Seite, wie einige in der 4000-Einwohner-Gemeinde meinen. "Man wird am Infostand schon mal wenig schmeichelhaft begrüßt", formuliert Jaud vorsichtig.
Auch Heinz Amling stieß auf jede Menge "Unverständnis und Anfeindungen", nachdem er die Fronten gewechselt hatte. 17 Jahre lang war der Maschinenbautechniker bei der CSU, arbeitete sich in Werneck bei Schweinfurt bis zum Ortsvereinschef hoch - und stieß dort an seine Grenzen. "Ich wollte innerhalb der CSU was verändern", erzählt er. Seine Parteikollegen wollten das nicht, sie fanden ihn zu "rot angehaucht". Zwei Ausschlussverfahren musste Amling überstehen - er sei "parteischädigend", lautete der Vorwurf. "Wer in der CSU was werden will, muss jahrelang schleimen, buckeln und linientreu sein", kritisiert der 62-Jährige. Er verließ die Linie und gab sein Parteibuch zurück. Sein Glück suchte Amling schließlich wie Jaud bei der WASG und heute bei der Linken. Dort könne er querdenken, widersprechen, Kritik anbringen, sagt er.
Joseph Wandl hatte schon Ende der 1990er Jahre genug von der CSU. In den letzten Jahren der Regierung von Helmut Kohl (CDU) habe er sich vom Kurs der Union immer weiter entfernt, erzählt der Niederbayer aus Büchlberg. Seine Ideen seien immer nur auf "müdes Lächeln und offene Ablehnung gestoßen", Posten hätten sich die Parteikollegen von einem zum anderen zugeschoben, Entscheidungen seien vorgefertigt von der Parteispitze gekommen - all das wollte er nicht akzeptieren. Trotzdem brauchte auch Wandl ein knappes Jahr, um sich zum Austritt zu überwinden. Seit Februar ist der Schulleiter nun Mitglied der Linken und in seinem Wahlkreis in Passau bereits Direktkandidat für die Landtagswahl im Herbst.
Rund 100 ehemalige CSUler hätten mittlerweile die Seiten gewechselt, schätzt Fritz Schmalzbauer, der für die Linke in Oberbayern als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf geht. Genaue Zahlen gebe es nicht. "Das trägt nicht jeder gerne nach außen", sagt er. Schließlich sei es ein "Bruch mit der eigenen Vergangenheit".
Auch von der SPD kämen "relativ viele Wechsler". Seit Jahresbeginn hat die Linke in Bayern rund 150 Mitglieder dazugewonnen, heute sind es etwa 2700. Damit ist der Landesverband noch immer einer der schwächsten der Linken. Dass es nicht leicht wird im Wahlkampf, wissen alle. "Die Forderung, was anderes als die CSU zu wählen, ist wie der Vorschlag, in Bayern alle Kirchen niederzureißen", sagt Jaud.