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Erbschaftssteuer-Reform

Millionenschwere Steuersubventionen für Unternehmen geplant

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Die Opposition hat im Bundestag die geplante Reform der Erbschaftssteuer scharf kritisiert. Die FDP-Fraktion sieht vor allem Nachteile für den Mittelstand. Grünen- und Linke-Abgeordnete forderten bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs eine gerechtere Vermögensverteilung. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) verteidigte das Vorhaben. Der Entwurf der Bundesregierung sieht bei der Unternehmensnachfolge vor, dass Erben dann steuerlich begünstigt werden sollen, wenn sie Arbeitsplätze länger als 10 Jahre sichern und den Betrieb mehr als 15 Jahre fortführen. Beim Übergang von Betriebsvermögen werde zum ersten Mal in Deutschland pauschal eine Steuerbefreiung von 85 Prozent eingeführt, sagte der Minister. Mit Verweis auf den vorgesehenen Freibetrag von 150.000 Euro fügte er hinzu: "Dreiviertel aller Unternehmen in Deutschland haben damit nichts mehr mit der Erbschaftssteuer zu tun." Bei einem solchen Privileg müsse es aber eine Gegenleistung geben, da man sich sonst gleichheitswidrig verhalte.


FDP-Fraktionsvize Carl-Ludwig Thiele kritisierte, während große Unternehmen millionenschwere Steuersubventionen fast ohne Auflagen erhielten, solle eine Steuerentlastung für kleine Unternehmen an eine 15-jährige Firmenfortführung gebunden werden. Auch steige mit dem schwarz-roten Gesetzentwurf die Steuerlast für familiengeführte Unternehmen beim Betriebsübergang.

Steinbrück sagte, die Erbschaftssteuer werde künftig verfassungskonform und sichere den Bundesländern stabile Einnahmen von rund vier Milliarden Euro. Die "irreführende öffentliche Diskussion" über Teile des Regelwerks sei teilweise sehr schwer erträglich. Wenn es aber die Vorstellung gebe, dass an "einem Zipfel des Pullovers" gezogen werden könne, könne es passieren, "dass der Pullover schnell weg ist", warnte er die Kritiker.

Die Linke-Abgeordnete Barbara Höll monierte, die Gesellschaft in Deutschland könne es sich nicht leisten, dass Erben künftig günstiger werde. Der Staat sei in der Pflicht, die Vermögensverteilung gerechter zu gestalten, um Bildung und Chancengleichheit für Kinder finanzieren zu können.

Die Grünen-Politikerin Christine Scheel plädierte ebenfalls dafür, die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer für die Bildung zu verwenden. Sie bemängelte zugleich, dass der Reform ein "sehr antiquiertes Gesellschaftsbild" zugrunde liege, das von intakten Familienverhältnissen ausgehe. Das passe nicht in die Zeit von Patchwork-Familien und Wahlverwandschaften.

Detlev von Larcher vom Attac-Koordinierungskreises krisisierte, schon jetzt jetzt liege der Großteil des Vermögens in einigen wenigen Händen. "Dass Finanzminister Steinbrück sich rühmt, Erben würde günstiger und darüber frohlockt, dass Deutschland in der EU die mildeste Erbschaftsteuer erhebe, ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten. Nach der Weigerung, die private Vermögensteuer wieder einzuführen, ist das Parlament heute dabei, eine der letzten Chancen zu verspielen, der immer weiter aufklaffenden Schere zwischen Arm und Reich entgegen zu wirken", kritisiert von Larcher.

Im Zeitraum von 2006 bis 2015 würden Vermögen in Höhe von 2,5 Billionen Euro vererbt, von denen nach der Verabschiedung der Reform gerade einmal 2 Prozent versteuert würden.

Das Attac-Jugendnetzwerk Noya habe deshalb die Kampagne "Deine Stimme gegen Reichtum" gestartet. Noya fordert eine deutliche Erhöhung des Erbschaftsteueraufkommens von derzeit vier Milliarden Euro auf mindestens 15 Milliarden und kritisiert gleichzeitig die Reformpläne der Bundesregierung. "Statt Steuergeschenke an reiche Erben zu verteilen, sollte der Umverteilungseffekt einer gerechten Erbschaftsteuer dazu genutzt werden, allen Menschen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und Bildungschancen zu stärken", meint Noya-Mitbegründer Sebastian Bödeker.

Die Argumente der großen Koalition zu den Details der Reform, wie etwa der weiteren Begünstigung von Betriebsvermögen und der Anhebung der Freibeträge, seien "haarsträubend": Bisher seien keine Fälle bekannt, in denen ein Betrieb wegen der Besteuerung im Erbfall geschlossen werden musste. Großzügige Stundungsregeln hätten schon bisher in Anspruch genommen werden können.

Dennoch würden Betriebe durch die beabsichtigten Neuregelungen zu 85 Prozent von der Erbschaftsteuer freigestellt, wenn dieser 15 Jahre lang weitergeführt würden und dabei "gerade einmal 70 Prozent der Arbeitsplätze erhalten werden". Aber selbst diese großzügige Regelung werde von den Wirtschaftsverbänden kritisiert, moniert Attac.

Auch durch die vorgesehenen persönlichen Freibeträge - für Kinder 400.000 Euro - seien unangemessen hoch. "Omas kleines Häuschen", das als Begründung für diese hohen Freibeträge herhalten müsse, sei meist längst nicht so viel wert. "Vielmehr werden dadurch nah verwandte Erben großer Vermögen geschont", meint Attac.

Attac fordert die Abgeordneten des Bundestages auf, ein Erbschafsteuergesetz zu beschließen, das dem Skandal der ungleichen Vermögensverteilung ein Ende mache. Leistungslos erworbenes Vermögen wie Erbschaften müsse weit höher besteuert werden. Der vorliegende Gesetzentwurf vergrößere die Steuerungerechtigkeit und die ungleiche Vermögensverteilung. Er dürfe nicht Gesetz werden.

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