Atomunfall
Auch bei der Atomfrage bleibt die CDU-Chefin schwammig. So spricht Merkel von einem „Ausstieg mit Augenmaß“ und ließ weiterhin offen, ob die jetzt für das Moratorium runtergefahrenen Atomkraftwerke (AKW) für immer abgeschaltet bleiben sollen.
Die heute von uns Grünen eingebrachte Gesetzesvorlage, die eine sofortige und endgültige Abschaltung der sieben ältesten Meiler fordert und die Abschaltung während des Moratoriums juristisch absichern würde, wurde von den Regierungskoalitionen abgelehnt. Dies ist ein weiteres Indiz, für die nicht ehrlichen Absichten von Frau Merkel, denn nur mit einer Gesetzesänderung können die alten AKWs vom Netz genommen werden.
Weltweite Anti-Atomentwicklungen
In Deutschland ist die Atomdiskussion in Hinblick auf die Entwicklungen in Japan aktuell wie nie. Auch andere Länder ziehen ihre Schlüsse aus dem verheerenden Unglück in Asien. Hier ein Überblick:
China: Überraschend legte Peking die Genehmigungsverfahren für alle Atomprojekte auf Eis. 27 Reaktoren befinden sich derzeit im Bau, 50 weitere waren in Planung. Diese Kehrtwende ist umso erstaunlicher, da die chinesische Regierung im gerade verabschiedeten 5-Jahresplan den Neubau von Atomkraftwerken mit großem Propagandaaufwand verkündete.
EU: Die EU-Kommission will alle Atomkraftwerke in Europa einem Stresstest unterziehen und die Sicherheitsstandards neu überprüfen. Es soll unter anderem geprüft werden, ob die AKWs für Terrorangriffe und Stromausfälle gewappnet seien. In der EU gibt es insgesamt 143 Atomkraftwerke. Viele davon dürften einem ernst gemeinsten Stresstest nicht standhalten.
Frankreich: Das erste Mal in der Geschichte des Landes, gibt es große Demonstrationen gegen die nukleare Gefahr. Der größte Atomstromproduzent Europas hält bisher noch an der Pro-Atom-Linie fest, die Regierung in Paris will aber die Sicherheit aller AKWs überprüfen. Das geplante Vorzeigekraftwerk EPR in Flamanville verschlingt bereits jetzt schon zwei Milliarden Euro mehr als vorgesehen und wird voraussichtlich fünf Milliarden Euro kosten. Allerdings hält Präsident Sarkozy, der ja sogar Gadaffi Atomkraftwerke verkaufen wollte, an der Atomkraft fest.
Belgien: Auch Belgien zieht seine Konsequenzen aus Japan und wird die geplante Laufzeitverlängerung vermutlich revidieren. Knapp hinter der deutsch-belgischen Grenze steht in einer der erdbebenreichsten Regionen eines der ältesten AKWs in Europa: Tihange 1. Das ist nach Angaben von Experten bis zu einer Stärke von maximal 5,9 ausgelegt. Seismographen gehen davon aus, dass 6,5 bis 7,0 auf der Richterskala in der Region durchaus möglich sein.
Russland: Die Verunsicherung der Bevölkerung in Russland ist groß. Nachdem Putin zunächst die Atomkraft nicht in Frage stellen wollte, fordert er nun ein einmonatiges Moratorium zur Überprüfung der Sicherheitslage der Russischen AKWs.
USA: Trotz einer weiterhin großen Unterstützung der Atomkraft in den USA kommt der geplante starke Ausbau der Kernenergie kaum voran. Ähnlich wie in Frankreich werden die Stimmen der AKW-Gegner in den USA lauter.
Schweiz: Die Regierung in Bern hat in Hinblick auf die japanische Katastrophe sämtliche Pläne für den Bau von neuen AKWs auf Eis gelegt.
Südamerika: Auch Südamerika zeigt sich beunruhigt. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff wird den geplanten Bau von Atomkraftwerken überprüfen und zeigt sich zutiefst beruhigt. Die Regierungen von Chile und Argentinien werden ebenfalls ihre Kraftwerkspläne überdenken. Venezuela legte ein in Kooperation mit Russland geplantes Projekt sofort auf Eis.
Insgesamt zeigt sich, dass die Auswirkungen nicht nur in Deutschland zu spüren sind. Bisher wurde im Ausland die „German Angst“ vor der Atomkraft oftmals belächelt, diese Zeiten scheinen nun vorbei zu sein. Nun ist die Frage, ob die neuen Denkrichtungen nur temporär als politisches Mittel eingesetzt werden, um die Bevölkerungen zu beruhigen, oder ob die internationalen Regierungen reale Konsequenzen aus der Katastrophe in Japan ziehen werden.
Neue Hinweise auf vertuschten Atomunfall bei Hamburg
Wissenschaftler
Wissenschaftler haben neue Hinweise auf einen vertuschten Atomunfall in den Geesthachter Atomanlagen bei Hamburg gefunden. Es gebe eine "dichte Indizienkette, dass da etwas schiefgelaufen ist", sagte am Donnerstag Heinz-Werner Gabriel von der Arbeitsgemeinschaft Physikalische Analytik und Messtechnik (ARGE PhAM), Weinheim, in Hamburg. Eine Studie habe das Vorkommen von sogenannten PAC-Kernbrennstoff-Kügelchen im Nahbereich der Geesthachter Atomanlagen (Elbmarsch- und Elbgeest) erneut bestätigt.
Aktuelle Untersuchungen an den Universitäten in Gießen und Marburg hätten Spuren von angereichertem Uran entdeckt, die weder durch "Bombenfallout" noch durch die Auswirkungen des Tschernobyl-Unfalls erklärt werden könnten. Angereichertes Uran sei in 15 von 16 Bodenproben rund um die Anlagen entdeckt worden. Einträge durch Bombenfallout oder Tschernobyl könnten zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die radioaktiven Partikel bei einem Atomunfall in einer Forschungseinrichtung freigesetzt wurden, der bis heute von den Behörden vertuscht werde, sagte Gabriel.
Die Studie der ARGE PhAM wurde von der Ärzteorganisation IPPNW in Auftrag gegeben. Die Ärzteorganisation IPPNW fordert die Atomaufsichtsbehörde in Kiel auf, ihr Wissen um Störfälle und Atomunfälle in den Geesthachter Atomanlagen endlich offen zu legen. Die Staatsanwaltschaft in Lübeck ermittelt.
Wie genau die PAC-Brennstoffkügelchen in Elbmarsch und -geest gelangt sind, ist nicht bekannt. Die Wissenschaftler Prof. Brandt, Prof. Scharmann und Diplom-Ingenieur Gabriel stellten fest: "Die Erzeugung der Radioaktivität ist mit hoher Wahrscheinlichkeit in Folge der Bestrahlung von Thorium und Uran mit schnellen Neutronen entstanden. Daraus ergibt sich ein Modell, welches die Radioaktivitätswolke aus der Geest am 12.9.86 erklären kann." Das heiße, irgendwo in der Geest sei wohl - zu welchem Zweck auch immer - mit PAC-Kernbrennstoffen experimentiert worden, die dann bei einem Unfall freigesetzt worden seien.
Durch Laserbeschuss ließen sich in den PAC-Teilchen (Plutonium, Americum, Curium) über Mikroexplosionen Neutronen freisetzen, was wiederum zur Erbrütung hochreiner Spaltstoffe führe. Diese Technologie sei sowohl für die Kernbrennstoffgewinnung einsetzbar als auch für die Herstellung von Zündern für nukleare Sprengkörper. Auch sei diese Technologie zur atomarer Mikrosprengkörpern nutzbar. Eine derart konzipierte 0,2 Gramm Plutoniumpille könne eine Wirkung von 1,6 Tonnen herkömmlichen TNT Sprengstoffs entfalten. Schon 1979 habe der Geesthachter Atomforscher Winterberg in der Zeitschrift "Fusion" den möglichen Einsatz von nuklearen Minibomben für den Hafenbau veröffentlicht.
Am 12.9.86 trat innerhalb und außerhalb des Atomkraftwerks eine radioaktive Kontamination auf. Es wurden Kontrolleure mit Strahlenschutzanzügen beobachtet. Die Erklärung der Atomaufsicht, es habe sich um einen Aufstau von natürlicher Radioaktivität durch Radon gehandelt, dass von außen in das Gebäude angesaugt worden sei, sei erkennbar unsinnig. Die Meßgeräte im Atomkraftwerk zeigten am 12.9.86 für jeweils eine knappe Stunde einen zeitversetzten Anstieg um mehrere Größenordnungen, bei denen es sich um "signifikante Prüfpeaks" handeln soll. Hierzu Gutachter Gabriel: "Die Behauptung der Behörden ist Volksverdummung. Selbst wenn die gesamte Geest aus Uran bestünde, könnte sich keine entsprechende Radon-Aktivität aufbauen."
Für die IPPNW betont der Umweltmediziner Dr. Hayo Dieckmann, dass der extreme Leukämieeffekt bei Kindern im Nahbereich der Geesthachter Atomanlagen weltweit einzigartig sei. "Nirgendwo sonst ist weltweit in der Fachliteratur eine vergleichbare Häufung kindlicher Leukämien beschrieben. Allein in der kleinen Gemeinde Tespe unmittelbar gegenüber den Atomanlagen sind innerhalb kurzer Zeit sechs Kinder an Leukämie erkrankt. Nur alle 58 Jahre wäre dort ein kindlicher Leukämiefall statistisch zu erwarten."
Über einen Zeitraum von inzwischen zehn Jahren hätten zwei wissenschaftliche Kommissionen der Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein alle erdenklichen nicht-atomaren Leukämieursachen ausschließen können. Was bleibe, sei allein radioaktive Strahlung.
Am 06-07-2001
Brand im größten Atomkraftwerk der Welt
Japan
Im japanischen Atomkraftwerk Kashiwazaki-Kariwa hat es gebrannt. Das Feuer war vermutlich in einem Stromkabel ausgebrochen, das zu einer provisorischen Klimaanlage gehört. Das Feuer auf dem Dach eines Gebäudes wurde nach Angaben der Betreibergesellschaft TEPCO nach einer halben Stunde von einem Arbeiter gelöscht. Das Kernkraftwerk war im Juli durch ein Erbeben schwer beschädigt worden und ist seitdem nicht in Betrieb. Es handelt sich um das Atomkraftwerk mit der größten Kapazität der Welt.
Das Feuer sei in einem Stromkabel einer provisorischen Klimaanlage auf dem Dach des Reaktors Nummer 1 aufgetreten, hieß es. Die Klimaanlage sei für Arbeiter installiert worden, die in dem Gebäude des Reaktors Bauarbeiten vornehmen.
Das Atomkraftwerk Kashiwazaki-Kariwa, 200 Kilometer nordwestlich von Tokio, wurde am 16. Juli bei einem schweren Erdbeben beschädigt. Seitdem gab es umfangreiche Reparaturen und Testläufe; das Kraftwerk ist außer Betrieb. Experten schätzen, dass es noch Jahre dauert, bis die Atomanlage wieder angefahren wird.
Am 20. Sep. 2007
Französische Atomfabrik setzte radioaktives Uran in die Umwelt frei
Seen und Flüsse nach Atomunfall gesperrt
Aus der südfranzösischen Atomfabrik Tricastin ist radioaktives Uran in die Umwelt freigesetzt worden. Die Uranlösung ist offiziellen Angaben zufolge aus der Anlage ausgelaufen und offenbar über Regenwasser in öffentliche Gewässer gelangt. Die radioaktive Flüssigkeit verseuchte mehrere Flüsse und Seen in der Region. Die Behörden verboten die Entnahme von Wasser. Auch wurden die Gewässer für Angler, Badende und Sportler gesperrt. Die Umweltschutzbewegung Sortir du Nucléaire warnte: Wer verseuchtes Wasser trinke, habe die Partikel im Körper. Auch bei geringer Strahlung entstehe dann erhebliche Krebsgefahr. Auch die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW geht davon aus, dass die uranhaltige Flüssigkeit leicht "bioverfügbar" ist. Der Alphastrahler Uran werde im menschlichen Körper unter anderem in der Niere und in der Leber eingelagert. Die französischen Behörden spielen den Vorfall herunter.
Die französische Präfektur teilte mit, Messungen hätten in den Gewässern zunächst Uran-Konzentration weit oberhalb des Normalwerts ergeben. Durch Verdünnung seien die Werte mittlerweile zurückgegangen. Im Grundwasser sei keine erhöhte Uran-Konzentration gemessen worden. Über die absolut freigesetzten Mengen Uran gab es widersprüchliche Angaben.
Nach Auffassung der Ärzteorganisation IPPNW müsse man hinsichtlich der freigesetzten Uranmengen und der Abschätzung der Gefahr aber ohnehin, "wie beim Thema Atomenergie üblich, mit gezielten Falschinformationen rechnen". Die Gefahr für die Bevölkerung sei insofern nicht abschätzbar. Allerdings zeige der Umstand, dass die Behörden die Wasserentnahme, das Baden und das Fischen in den betroffenen Gewässern verboten hätten, "dass erhebliche Risiken für die Gesundheit der Bevölkerung bestehen".
Laut IPPNW stellt das in die Flüsse Rhône, Gaffière, Mayre Girardes und Lauzon gelangte Schwermetall Uran bei einer möglichen Aufnahme in den menschlichen Körper einerseits wegen seiner Toxizität eine Gefahr für die Gesundheit dar. Andererseits habe der Alpha-Strahler bei gleicher Energiedosis ein viel höheres zellschädigendes und somit krebsauslösendes Potenzial als beispielsweise ein Gammastrahler.
Atomaufsicht: Atomanlage war wegen Arbeiten undicht
Nach Darstellung der französischen Atomaufsichtsbehörde ASN kam es zu der Freisetzung des Urans, weil in einer Anlage zur Behandlung von Uranlösungen ein Kessel übergelaufen sei. Das Rückhaltebecken sei wegen Arbeiten undicht gewesen.
Der Uranunfall in der französischen Atomfabrik demonstriert daher nach Auffassung der IPPNW "erneut, dass entgegen der offiziellen Darstellung von Regierungen und Atomindustrie, in Atomanlagen kaum ein höheres Sicherheitsniveau herrscht als in anderen Industrieanlagen".
Gefährliche Schlampereien bei Arbeiten seien auch in deutschen Atomkraftwerken wie Biblis an der Tagesordnung, so die IPPNW. Die offizielle Auswertung "meldepflichtiger Ereignisse" für das hessische Atomkraftwerk habe ergeben, dass allein in den Jahren 2002 bis 2004 vielfach Arbeiten an sicherheitsrelevanten Komponenten fehlerhaft durchgeführt worden seien.
Der französischen Atomkonzerns AREVA, der gemeinsam mit Siemens in Finnland ein neues Atomkraftwerk baut, teilte mit, man habe der Aufsichtsbehörde empfohlen, den Zwischenfall als Stufe 1 auf einer siebenstufigen Skala zu klassifizieren. Greenpeace nannte dagegen die Stufe drei korrekt, weil radioaktives Material in die Umwelt gelangt sei. Die Maßnahmen der Präfektur sprächen sogar für Stufe fünf.
Deutscher Umwelt-Staatssekretär warnt vor Relativierung
Der deutsche Umwelt-Staatssekretär Michael Müller (SPD) warnte davor, den Vorfall auf die leichte Schulter zu nehmen. "Es ist keine Kleinigkeit, wenn radioaktives Uran in den Boden gelangt", sagte Müller. Auch zeige der Vorfall, dass "in Atomkraftwerken immer wieder Dinge passieren, mit denen keiner rechnet". Auch in Deutschland, wo es angeblich die sichersten Atomkraftwerke der Welt gebe, seien wiederholt nur mit Glück größere Zwischenfälle vermieden worden. "Es ist nicht so, dass das alles unproblematisch ist", so Müller.
Müller wandte sich dagegen, die Angelegenheit zu relativieren. Er wies darauf hin, dass gemessene Strahlungswerte "unglaublich über den Grenzwerten" lagen. Für eine genauere Bewertung habe er die Gesellschaft für Strahlenschutz um eine Analyse des Vorfalls gebeten.
Der unabhängige Forschungs- und Informationsausschuss für Radioaktivität (CRIIRAD) warnte ebenfalls davor, den Zwischenfall auf die leichte Schulter zu nehmen: Die Zahl der Vorfälle in Tricastin habe zugenommen und weise darauf hin, dass die Abfallentsorgung sich verschlechtert habe, "obwohl die Anlage sich eigentlich entwickeln soll".
Am 09. Jul. 2008