DIE Internet-Zeitung

September 2007

Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.

"Faktische Abschaffung des Asylrechts"

Jelpke fordert großzügiges Flüchtlingsrecht

Anlässlich des "Tages des Flüchtlings" am 28. September warf die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion der Bundesregierung vor, sie halte trotz stetig sinkender Asylbewerberzahlen an ihrer "restriktiven Linie in der Flüchtlingspolitik" fest. Flüchtlinge würden weiter unter Generalverdacht gestellt, das Recht auf Asyl und die Sozialleistungen für Asylbewerber "missbrauchen" zu wollen. Sie forderte, ein "humanitäres und großzügiges Asyl- und Flüchtlingsrecht" zu schaffen.

Gewalt

Expertin sieht in Trennungsphase "sehr gefährliche Zeit" für Frauen

Vor der Vorstellung des neuen Aktionsplans der Bundesregierung zur "Bekämpfung von Gewalt" gegen Frauen wird der Ruf nach mehr Beratungsangeboten für Migrantinnen laut. Frauen ausländischer Herkunft bräuchten mehr Hilfsangebote in ihrer Muttersprache, sagte die Mitarbeiterin der Bund-Länder-Kommission "Gegen Gewalt gegen Frauen", Marion Steffens, am 27. September im Deutschlandradio Kultur. Problematisch sei zudem der ungesicherte Aufenthaltsstatus vieler Migrantinnen im Falle einer Trennung. Die Trennungsphase sei aber auch bei deutschen Frauen eine "sehr gefährliche Zeit", so Steffens.

Ein Jahr auf Bewährung

Ex-Justizministerin wegen Geheimnisverrats verurteilt

Die ehemalige baden-württembergische Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck (FDP) ist wegen Verrats von Dienstgeheimnissen zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden. Das Landgericht Stuttgart sah es am 27. September als erwiesen an, dass sie im Sommer 2004 ihrem Parteifreund und damaligen Landes-Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) Details zu Ermittlungen gegen ihn wegen der sogenannten Umfrageaffäre "unbefugt weitergegeben" habe. Dies sei in mehreren Telefonaten am 17. Juni und am 6. Juli 2004 geschehen. Das Gericht verhängte gegen die 54-Jährige zudem eine Geldauflage von 30.000 Euro.

"Industrie rechnet sich künstlich arm"

Umweltbundesamts weist BDI-Studie zu Klimaschutzkosten zurück

Der Präsident des Umweltbundesamts, Andreas Tröge, weist die Einschätzung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) zu den Möglichkeiten einer Reduzierung von Treibhausgasen zurück. Eine Studie, nach der bis 2020 allenfalls eine Reduzierung der Treibhausgase um 31 statt wie von der Bundesregierung gefordert um 40 Prozent möglich ist, berücksichtige kostengünstige Möglichkeiten zur Kohlendioxideinsparung nur unzureichend, sagte Troge der "Passauer Neuen Presse". So gehe der BDI für die nächsten Jahre lediglich von einem relativ geringen Anteil der Energieerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung sowie von relativ wenig Einsatz erneuerbarer Energien aus. Auch unterstelle der BDI einen viel zu niedrigen Ölpreis.

"Partnerschaftsabkommen"

Liberalisierung des Handels mit Entwicklungsländern

Seit fünf Jahren verhandelt die Europäische Union mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des pazifischen Raumes (AKP-Staaten) über regionale Handelsabkommen. Der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) fordert, dass die EU die Abkommen entwicklungsfreundlich gestaltet. Dafür seien eine Verlängerung der Verhandlungen, selbstbestimmte Gestaltungsmöglichkeiten der AKP-Staaten und die Beteiligung der Zivilgesellschaft erforderlich, meint der Interessenverband. VENRO befürchtet, dass die Liberalisierung des Handels negative Auswirkungen auf die ländliche und industrielle Entwicklung haben wird. VENRO hat wiederholt "betont, dass Handel nicht automatisch Armutsbekämpfung fördert, sondern Entwicklung auch bedrohen kann".

Weniger Steuern für Unternehmer gefordert

BDI fordert "Schonung von Betriebsvermögen" bei der Erbschaftsteuer

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) will, dass die Erben von Unternehmen weniger Steuern zahlen müssen als bisher. "Bei der Reform der Erbschaftsteuer droht Deutschland im internationalen Vergleich ins Abseits zu geraten", sagte BDI-Präsident Jürgen Thumann am 25. September. Abhilfe könne nur eine "weite Fassung von Verschonungsregelungen" im deutschen Erbschaftsteuerrecht schaffen.

Vergleich mit Vietnam-Krieg

Entwicklungshilfeministerin will Krieg in Afghanistan fortsetzen

Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr sorgt weiter für heftigen Streit unter den Parteien. Während die Regierungskoalition in Berlin vor einem Ausstieg warnt, wird dies von Teilen der Grünen offenbar nicht mehr ausgeschlossen. Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hält einen Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan für unverantwortlich. Der Westen müsse "an dem Konzept der politischen, wirtschaftlichen und der militärischen Stabilisierung" Afghanistans festhalten, so die Entwicklungshilfeministerin. Die frühere Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne) zog einen Vergleich mit dem Vietnam-Krieg.

"Gesetzliche Mindestlohn erforderlich"

Dreibus sieht bei Branchenmindestlöhnen Schwächen

Der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Werner Dreibus, hält weiterhin einen gesetzlichen Mindestlohn für erforderlich, um einer breiten "Armutsbeschäftigung" zu begegnen. Branchenmindestlöhne seien zwar gut für die Beschäftigten der jeweiligen Branche. Wer aber wie die Regierung allein auf diese setze, ignoriere "die Dimension des Problems" und die "hohen Hürden für Branchenlösungen". Und selbst dort, wo die Voraussetzungen – ein bundeseinheitlicher Tarifvertrag und eine Tarifbindung über 50 Prozent – gegeben seien, "springen die Schwächen von Branchenmindestlöhnen ins Auge: Bei den Briefzustellern konnte sich Verdi nicht mit der Forderung nach gleichen Löhnen in Ost und West durchsetzen." Auch sei es nicht gelungen, den Widerstand der Arbeitgeber gegen die Einbeziehung von Paketzustellern und Zeitungsboten in den Mindestlohn-Tarifvertrag zu brechen. "Hier hilft nur ein Existenz sichernder gesetzlicher Mindestlohn."

"Verfassungsfeindliche Einwirkung auf Bundeswehr"

Franz Josef Jung (CDU)

Die Ankündigung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), im Notfall ein von Terroristen gekapertes Passagierflugzeug abschießen zu lassen und sich dabei auf das "Recht des übergesetzlichen Notstands" berufen, führte zu mehreren Strafanzeigen gegen den Minister. "Uns liegen rund ein Dutzend Anzeigen gegen den Verteidigungsminister vor. Diese werden nun geprüft", sagte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Michael Grunwald, der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Dem Minister werde in den Anzeigen unter anderem "verfassungsfeindliche Einwirkung auf die Bundeswehr" vorgeworfen, erklärte Grunwald.

Ehe für sieben Jahre

Landrätin Pauli will eine "ganzheitliche Politik"

Die Fürther Landrätin Gabriele Pauli will sich als mögliche neue CSU-Vorsitzende für zeitlich befristete Ehen einsetzen. "Mein Vorschlag ist, dass Ehen nach sieben Jahren auslaufen", sagte Pauli am 19. September bei der Vorstellung ihrer programmatischen Schwerpunkte in München. Nach dieser Zeit sollten sich beide Partner "aktiv" für eine Verlängerung aussprechen. Schwerpunkt im Papier der 50-Jährigen mit dem Titel "Beginn einer ganzheitlichen Politik" ist eine Erneuerung der CSU. Führende CSU-Politiker lehnten Paulis Vorschläge vehement ab.

Kritik an EU-Plänen

Attac fordert Zerschlagung der großen Stromkonzerne

Mit Kritik hat das globalisierungskritische Netzwerk Attac auf die Pläne der EU-Kommission für die Energiekonzerne reagiert. "Die EU-Kommission und die Bundesregierung sprechen vordergründig von Wettbewerb. Hinten herum päppeln sie aber die heimischen Energiekonzerne so auf, dass sie im Ausland auf große Einkaufstour gehen können. Das ist Doppelmoral", kritisierte Stephan Lindner von Attac. Die am 19. September vorgestellten Pläne der EU-Kommission gingen in die falsche Richtung: Statt auf allen Ebenen Energieeinsparung und die Nutzung alternativer Energiequellen zur obersten Priorität zu machen, dürften die großen Konzerne ihre Netze behalten und würden weiterhin für ihre umweltfeindliche Energiepolitik belohnt.

70 Prozent Profit für die Universität

Professoren müssen Erfindungen gegenüber ihrer Uni melden

Hochschulprofessoren müssen eigene Erfindungen gegenüber ihrer Universität anzeigen. Diese gesetzliche Regelung sei verfassungsgemäß, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 19. September veröffentlichten Urteil. Ein Professor hatte gegen eine Neuregelung geklagt, wonach die Universitäten die Erfindungen ihrer Forscher zum Patent anmelden können und ein Professor dann "nur noch" zu 30 Prozent an den finanziellen Einnahmen partizipiert.

Jung im "Sperrfeuer"

Erstmals drohen Offiziere ihrem Minister mit Befehlsverweigerung

Der Vorgang ist in der über 50-jährigen Geschichte der Bundeswehr offenbar ohne Beispiel. Zum ersten Mal drohen Offiziere ihrem "IBuK", dem Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, mit Befehlsverweigerung. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ist mit seiner Äußerung, notfalls ein von Terroristen entführtes Passagierflugzeug auch ohne gesetzliche Grundlage abschießen zu lassen, unter "Dauer-Sperrfeuer" geraten. Noch deckt ihn seine Chefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Aber seine immer heftiger umstrittenen Überlegungen haben nicht nur auf der politischen Bühne in Berlin, sondern auch in der Bundeswehr ein "äußerst zwiespältiges Echo" gefunden, wie aus Generalskreisen am 18. September zu hören war.

"Akademikermangel und ungleiche Bildungschancen"

OECD kritisiert erneut deutsches Bildungssystem

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kritisiert erneut das deutsche Bildungssystem. Es weise im internationalen Vergleich weiter erhebliche Defizite auf. Dies gehe aus der neuen OECD-Studie hervor, die am 18. September in Berlin vorgestellt wurde. Danach sei Deutschland wegen des Akademikermangels derzeit nicht in der Lage, Ingenieure, die in den nächsten Jahren in Rente gehen, durch junge Absolventen zu ersetzen.

Nach Beschluss der Parteibasis

Grünen-Fraktion ringt um Abstimmungsverhalten über Bundeswehr-Einsatz

Die grüne Parteibasis macht ihren Bundestagsabgeordneten zu schaffen. Nach dem Afghanistan-Beschluss ihres Sonderparteitages ringt die Parteiführung um das Abstimmungsverhalten ihrer Abgeordneten bei der Bundestagsentscheidung über den weiteren ISAF-Einsatz der Bundeswehr einschließlich der "Tornado"-Flüge. Die Fraktionschefs Renate Künast und Fritz Kuhn äußerten am 18. September die Erwartung, dass die Grünen-Abgeordneten mehrheitlich dem Parteitagsvotum folgen und dem verbundenen ISAF/"Tornado"-Mandat nicht zustimmen. Zugleich warnten sie jedoch davor, die Parlamentarier in dieser Frage "unter Druck" zu setzen.

"Fördertöpfe der EU"

Industrie will Kostenrisiko für Transrapid nicht übernehmen

Der Münchner Transrapid kommt nicht auf die Stelzen. Die Industrie lehnte es am 18. September ab, das Risiko für eine mögliche Kostensteigerungen beim bisher auf 1,85 Milliarden Euro veranschlagten Bau zu übernehmen. Man werde "nicht pauschal Mehrkosten deckeln", sagte ein Sprecher des Konsortialführers Hochtief AG in Essen. Daher wurde ein Festpreis ins Spiel gebracht. Die vom bayerischen Verkehrsministerium genannten Gesamtkosten für das Projekt würden nicht als Kalkulationsgrundlage akzeptiert, so Hochtief.

Abfuhr für Parteispitze

Friedensbewegung lobt grüne Basis wegen Afghanistan-Beschluss

Nach der schweren Abstimmungsniederlage der Grünen-Führung auf dem Göttinger Sonderparteitag zu Afghanistan diskutieren Partei und Öffentlichkeit über die Konsequenzen des Delegiertenvotums. Die Botschaft von Grünen-Chef Reinhard Bütikofer ist eindeutig: "Grüne stehen zu ISAF-Einsatz". Zugleich räumt der Parteivorsitzende ein, dass die grüne Parteibasis nicht so votiert habe, wie er selber es gewollt hätte. Der Sonderparteitag hatte am Samstag entgegen der Linie der Grünen-Führung einen Antrag des Göttinger Grünen-Politikers Robert Zion und anderer mit großer Mehrheit angenommen, wonach die Bundestagsfraktion dem verbundenen Mandat für den weiteren ISAF-Einsatz einschließlich der "Tornado"-Flüge nicht zustimmen soll. Die Friedensbewegung lobte die grüne Basis. "Wir sind beeindruckt von der argumentativen Kraft der grünen Basis, die den Parteivorstand blass aussehen ließ", so Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag. Linken-Chef Oskar Lafontaine sagte, mit dem Parteitagsbeschluss stellten die Grünen ihre Außenpolitik wieder "auf den Boden des Völkerrechts". CDU und FDP sprachen hingegen von einer möglichen Abkehr der Grünen von der Realpolitik.

1,4 Milliarden Euro für umstrittene Technologie

EU-Kommission ist der weltweit größte öffentliche Investor in Nanotechnologie

Mit 1,4 Milliarden Euro, die für 550 "Projekte" im Bereich der Nanowissenschaften und –technologien bereitgestellt wurden, bringt das sechste Forschungsrahmenprogramm der EU offenbar ein Drittel der für Nanotechnologie in Europa insgesamt verfügbaren öffentlichen Gelder auf. Nach Angaben der EU-Kommission ist die Europäische Union somit auf diesem "hochinteressanten Gebiet" der weltweit größte einzelne Geldgeber. Europa habe auf auf diesem Gebiet "anerkanntermaßen die Führungsrolle übernommen", teilte die EU-Behörde am 13. September mit. Bedeutsam sei die "strategische Bedeutung" dieses Wissenschaftsbereichs und dessen "potenziellen Beitrag" in den Bereichen Werkstofftechnik, Medizin und Elektronik. Die Europäer könnten insofern auf mehr "Lebensqualität und Wohlstand" hoffen.

"Unverhältnismäßiger Polizeieinsatz"

Ingewahrsamnahme von Umweltschützern war rechtswidrig

Nach Angaben der Umweltschutzorganisation Robin Wood hat das Amtsgericht Lüneburg in der vergangenen Woche entschieden, dass die Ingewahrsamnahme von drei Aktivisten der Organisation im Januar dieses Jahres rechtswidrig war. Die zwei Männer und eine Frau hatten gegen eine "AUTOritäre" Verkehrspolitik der Stadt Lüneburg protestiert. Elf Tage lang hatten sie trotz Sturm und Kälte in Bäumen an der Reichenbachbrücke in Lüneburg ausgeharrt, die inzwischen für den Ausbau einer Straße gefällt wurden. Nach ihrer "brutalen Räumung" seien sie Ingewahrsam genommen worden. Dagegen hatten sie geklagt und nun vor Gericht Recht bekommen.

"Die Volksseele kocht"

Umweltschützer wollen Bürgerentscheid gegen "Stuttgart 21"

Baden-Württembergs Umweltschützer haben am 19. Juli in Stuttgart das Bündnis "Bürgerentscheid gegen Stuttgart 21" gegründet. Ziel sei es, "endlich die Stuttgarter Bürger über das Prestigeprojekt abstimmen zu lassen". Sie kritisieren unter anderem "Schwindel erregende Nachschläge bei der Finanzierung" des neuen Hauptbahnhofs. "Ein Bürgerentscheid ist überfällig", meint Gangolf Stocker, Sprecher der Initiative Leben in Stuttgart - Kein Stuttgart 21. "Seit Wochen machen wir Informationsstände in der Innenstadt und sehr viele Bürger drängen auf einen Bürgerentscheid - die Volksseele kocht beim Thema Stuttgart 21".

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