Der Berichterstatter des EP, Markus Ferber (CSU), sagte in der Debatte, es gehe darum "von einer angebotsorientierten Post zu einer nachfrageorientierten Post zu kommen". Über 200 Jahre habe es in allen Mitgliedstaaten Monopole gegeben. Diese seien jedoch nicht in der Lage, "die Probleme", die es im Bereich der Post gebe, zu lösen, so Ferber. Die Probleme könnten nur dann gelöst werden, wenn es einen fairen Wettbewerb in der Europäischen Union gebe, der die Bedingungen der Arbeitnehmer stark berücksichtige.
Die europäischen Postmärkte hätten in den letzten Jahren dramatische Veränderungen erfahren, eine Entwicklung, die durch technologische Fortschritte und verstärkten Wettbewerb aufgrund der Deregulierung vorangetrieben worden sei. Angesichts der Globalisierung sei es entscheidend, einen "proaktiven, die Entwicklung fördernden" Ansatz zu verfolgen, um die Unionsbürger nicht des Nutzens solcher Veränderungen zu berauben. Das Versprechen: Eine weitere Marktöffnung werde vor allem den Verbrauchern und kleinen und mittleren Unternehmen, sowohl als Absender als auch als Empfänger von Post, zugute kommen, indem eine qualitative Verbesserung, eine größere Wahlmöglichkeit, weitergegebene Preissenkungen, innovative Dienstleistungen und Geschäftsmodelle eingeführt werden.
Um faire Marktbedingungen bis zur EU-weiten Liberalisierung sicherzustellen, muss nach Auffassung der Abgeordneten eine Quersubventionierung verboten werden und das Prinzip der Gegenseitigkeit gelten. Monopolbetrieben, die in einem Land tätig seien, in dem der Markt noch nicht geöffnet sei, solle der Zugang zu bereits vollständig liberalisierten Märkten verweigert werden.
Die EU rechnet offenbar damit, dass im Zuge der Liberalisierung mit der Abholung und der Postzustellung Einiges schief laufen könnte. So sollen die Mitgliedstaaten "angemessene Strafen festlegen und durchsetzen, die gegen Diensteanbieter verhängt werden, wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen".
Unternehmen sollen bei "unverhältnismäßiger finanzieller Belastung" entschädigt werden
Von einem wirklich freien Markt und einem vollen unternehmerischen Risiko kann offenbar nicht die Rede sein. So müssen die Mitgliedstaaten dem Richtlinienentwurf zufolge dafür sorgen, dass die Finanzierung des Universaldienstes "zu allen Zeiten" in einem vollständig liberalisierten Postmarkt gewährleistet ist.
Der Staat soll offenbar die Einnahmen für die Unternehmen garantieren. So sind zur Finanzierung der flächendeckenden Versorgung drei Möglichkeiten vorgesehen: öffentliche Ausschreibungen, öffentliche Ausgleichszahlungen, sowie die Einrichtung eines Ausgleichsfonds. "Führen die Universaldienstverpflichtungen zu Nettokosten und stellen eine 'unverhältnismäßige finanzielle Belastung' für den Diensteanbieter dar, kann entweder ein Ausgleichsmechanismus eingeführt werden, um das betroffene Unternehmen mit öffentlichen Mitteln zu entschädigen oder aber die Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen werden auf die Anbieter der Dienstleistungen und/oder Nutzer verteilt. Hierzu können die Mitgliedstaaten einen Ausgleichsfonds einrichten, in den Beiträge von Diensteanbietern und/oder der Nutzern fließen. Preise müssen Nachfrage und marktübliche Kosten widerspiegeln."
Europaparlament will Preisflexibilität für Unternehmen
Das Europaparlament legte mehrheitlich Wert auf die Feststellung, dass den Universaldienstanbietern die "erforderliche Preisflexibilität" eingeräumt wird, damit sie eine finanziell tragfähige Erbringung des Universaldienstes gewährleisten. Preise müssten die Nachfrage und die marktüblichen Kosten widerspiegeln. Die Mitgliedstaaten dürfen daher Tarife, die von diesem Grundsatz abweichen, "nur in begrenzten Fällen vorschreiben".
Dieses Ziel wird nach Ansicht der Abgeordneten erreicht, indem es den Mitgliedstaaten gestattet bleibt, Einheitstarife für Sendungen zum Einzelsendungstarif, "die von Verbrauchern sowie kleinen und mittleren Unternehmen am meisten genutzte Dienstekategorie", anzuwenden.
Francis Wurtz (Linksfraktion) sagte in der Parlamentsdebatte, der Europäische Gewerkschaftsdachverband habe kritisiert, dass mit der Öffnung der EU-Postmärkte die bislang verlässlichen Postdienste zerstört werden würden. Zudem seien bereits Hunderttausende Arbeitsplätze seit Beginn der Liberalisierung zerstört worden. Langfristig werde dies ernsthafte negative Auswirkungen auf die EU haben. Die Europäische Postgewerkschaft befürchte, dass die geplante Richtlinie die heute übliche Reichweite, Qualität und den Zugang zu Postdienstleistungen gefährdet.