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Mindestens 3 Euro pro Stunde

Bundesregierung einigt sich auf Regelungen im Niedriglohnbereich

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Gutverdienende Spitzenpolitiker von Union und SPD haben sich am 19. Juni auf Regelungen für den Niedriglohnbereich geeinigt. So sollen beispielsweise Friseure in Ostdeutschland für 3 Euro pro Stunde arbeiten. Wachleute dürfen im Bundesschnitt mit wenigstens 5 Euro rechnen, in Brandenburg mit 4,56 Euro. Mit den gefundenen Regelungen könne man Lohndumping verhindern, meint Bundeskanzlerin Angela Merkel. Anstelle eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes möchte die Regierungskoalition jene Wirtschaftszweige in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufnehmen, in denen der tarifvertragliche Organisationsgrad mindestens 50 Prozent beträgt. Laut Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) kommen dafür das Bewachungsgewerbe, die Entsorgungswirtschaft, die Zeitarbeit und die Postdienste in Frage. Damit gelten die Tarifverträge mit ihren Niedriglöhnen auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber. Die Fleischverarbeitenden Industrie, die Land- und Forstwirtschaft und der Erwerbsgartenbau sollen nicht in das Entsendegesetz aufgenommen werden.


Hier könnten "gegebenenfalls" "Lohnuntergrenzen" über das so genannte Mindestarbeitsbedingungengesetz festgelegt werden, heißt es. Grenzfälle sind das Friseurgewerbe, der Einzelhandel und die Hotel- und Gaststättenbranche.

Niedriglöhne von 3,05 bis 10,16 Euro

Die verschiedenen rechtlichen Grundlagen ergeben für ausgewählte Branchen Niedriglöhne zwischen 3,05 und 10,16 Euro pro Stunde.

Im Bewachungsgewerbe sollen Beschäftigte in den unteren Lohngruppen etwa 5 Euro pro Stunde erhalten. Der Lohn eines Revierwachmanns soll "durchschnittlich" 5,19 Euro betragen. In Brandenburg sollen Bewacher zumindest 4,56 Euro verdienen.

Mitarbeiter im Einzelhandel sollen im unteren Bereich mit einen Stundenlohn von 8 bis 9 Euro vergütet werden.

In der Entsorgungswirtschaft wird derzeit über einen Mindestlohntarifvertrag beraten. Berufsanfänger sollen in der untersten Lohngruppe dieser Branche einen Stundenlohn von 7,35 Euro erhalten.

Für die Fleischverarbeitende Industrie sollen nach Vorstellung der Bundesregierung nur vereinzelt Haustarife gelten. Regionale oder bundesweite Vereinbarungen soll es nicht geben. Der letzte regionale Tarifvertrag ist 1996 in Sachsen abgelaufen. Für die unterste Tarifgruppe im Fleischerhandwerk war damals ein Entgelt von umgerechnet 4,50 Euro vereinbart worden.

Friseure erhalten in Ostdeutschland im untersten Lohnbereich 3,05 Euro die Stunde.

Im Hotel- und Gaststättengewerbe haben 10 von 18 Tarifgebiete keine aktuellen Tarifvereinbarungen. In den neuen Bundesländern gibt es einen regionalen Tarifvertrag nur in Sachsen-Anhalt. An- und ungelernte Mitarbeiter erhalten hier einen Stundenlohn von 4,81 Euro.

Auch im Gartenbau gibt es lediglich einen gültigen Tarifvertrag in Nordrhein-Westfalen. Der niedrigste Stundenlohn liegt hier bei 7,71 Euro. Saisonarbeiter erhalten lediglich 5,75 Euro.

Für die Land- und Forstwirtschaft beträgt der niedrigste Lohn in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen 8,02 Euro pro Stunde; in Rheinland-Pfalz und Hessen liegt er bei 7,54. In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt liegen die Löhne zwischen 6,18 und 10,16 Euro. Der niedrigste für ungelernte Arbeitskräfte beträgt 6,18 Euro und wird in Mecklenburg-Vorpommern gezahlt.

Bei den Postdiensten arbeiten private Wettbewerber der Deutschen Post oftmals für Niedriglöhne von 5 bis 6 Euro pro Stunde.

In der Zeitarbeitsbranche gibt es flächendeckend Tarifverträge, allerdings von konkurrierenden Gewerkschaften. Mitarbeiter dieser Firmen erhalten laut DGB-Tarif in Westdeutschland ein Mindestentgelt von 7,15 Euro, im Osten 6,22 Euro. Nach dem Tarifvertrag des Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister mit Christlichen Gewerkschaften erhalten die Beschäftigten in Ostdeutschland 5,77 Euro.

"Die CDU hat einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn verhindert"

"Die CDU hat einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn verhindert, weil das mehr als 600.000 Arbeitsplätze unmittelbar gefährdet hätte. Das ist ein gutes Ergebnis für die Beschäftigten und Arbeitssuchenden in Deutschland", kommentierte der Generalsekretär der CDU, Ronald Pofalla.

Dennoch habe die CDU in der Koalition "durchgesetzt, dass Lohndumping in Deutschland verhindert wird". Anstelle von "staatlichen Zwangs-Eingriffen" sei die im Grundgesetz verankerte Tarifautonomie gestärkt worden, so Pofalla. Denn die Festlegung von Löhnen sei erste Aufgabe von Gewerkschaften und Arbeitgebern. "Das ist nicht Aufgabe der Politik."

"Die SPD hat mehr Schutz für Menschen gegen Armutslöhne durchgesetzt"

Nach Auffassung des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck hat die SPD "mehr Schutz für Menschen gegen Armutslöhne" durchgesetzt. Zu der Höhe der Löhne im Niedriglohnbereich äußerte sich der gutverdienende Parteivorsitzende nicht.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil gab indirekt zu, dass selbst Vollzeitarbeitskräfte teilweise nicht von den Niedriglöhnen leben können. So sagte der Generalsekretär, wer in Vollzeit arbeite, der müsse auch davon leben können. Ein Schutz vor Lohndumping sei aber angeblich "aufgrund der anhaltenden Blockade der Union nicht erreichbar" gewesen. Man werde aber weiter an diesem Ziel arbeiten, versprach Heil.

"Ein Auftrag für die Anständigen und Gutwilligen in den Sozialpartnerschaften"

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Ludwig Stiegler, sagte, die Einbeziehung weiterer Branchen in das Entsendegesetz seien ein Fortschritt gegenüber der bestehenden Rechtslage. Es handele sich um einen "Auftrag an die Anständigen und Gutwilligen in den Sozialpartnerschaften".

Die Union habe wesentliche Barrieren auf dem Weg zu einer "gerechteren Arbeitsgesellschaft" räumen, so Stiegler, ohne ein Wort über die Höhe der beschlossenen Niedriglöhne zu verlieren.

Pathetisch kündigte er an, die Union werde auf die Dauer "dem sozialen Fortschritt" nicht widerstehen können. Deutschland habe "als sozialer Rechtsstaat neues Profil gewonnen".

"Bei tariflich festgesetzten Niedriglöhnen greifen die Vorschläge der Koalition überhaupt nicht"

Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Werner Dreibus, sagte, der Koalitionskompromiss sei lückenhaft und unklar. Die Koalition werfe den Millionen Schiffbrüchigen, die zu Hungerlöhnen arbeiteten, nur eine Handvoll Rettungsringe zu. "Die übrigen lässt sie ertrinken."

Dreibus kritisierte, dass bei "tariflich festgesetzten Niedriglöhnen" die Vorschläge der Koalition überhaupt nicht greifen würden.

Die SPD erkenne die Defizite des Kompromisses. "Sie ignoriert jedoch, dass es im Bundestag eine Mehrheit für einen gesetzlichen Mindestlohn gibt", so Dreifus. Wieder gehe die Koalitionstreue vor und verhindere eine Lösung für Millionen von Menschen. "Nur ein gesetzlicher Mindestlohn von 8 Euro sowie tarifliche Mindestlöhne in den Branchen, in denen die untersten Tariflöhne über 8 Euro liegen, würden sicher stellen, dass die Menschen von ihrer Arbeit auch leben können", meint der Abgeordnete.

"So können Arbeitgeber in vielen Branchen auch weiterhin Dumpinglöhne zahlen und Beschäftigte auf den Staat verweisen"

DGB-Chef Michael Sommer sagte, die Regelungen seien "kein großer Wurf, sondern ein winzig kleiner Kompromiss". Was die große Koalition da ausgeheckt habe, könne man nur als "Trostpflaster" bezeichnen. Die 2,5 Millionen "Niedriglohn-Empfänger" müssten "weiter auf eine grundsätzliche Lösung zur Bekämpfung der Hungerlöhne in Deutschland warten".

Die generelle Ausdehnung des Entsendegesetzes sei Teil langjähriger DGB-Forderungen: "Nun sollen nur einige weitere Branchen einbezogen werden – das ist zu wenig und völlig unzureichend für Wirtschaftszweige, wo es keine repräsentativen Tarifverträge gibt, etwa weil sich die Arbeitgeber den Verhandlungen entziehen", so Sommer.

Hier stelle auch das Mindestarbeitsbedingungsgesetz von 1952 "kein ausreichendes Auffangnetz" dar, meint der Gewerkschafts-Chef: "Selbst, wenn nun in tariflosen Branchen staatliche Lohnfestsetzung möglich werden soll, bleibt ein entscheidender Haken: Arbeitgeberseite, Bundesregierung und Bundesrat können die Festsetzung existenzsichernder Löhne nach wie vor verhindern."

Ein gesetzlicher Mindestlohn hätte nach Auffassung von Sommer "mit einem Schlag Klarheit geschaffen". Seines Erachtens spielt auch die Höhe eines Mindestlohns eine erhebliche Rolle: "Unter 7,50 Euro pro Stunde darf kein Beschäftigter nach Hause gehen", fordert der gutverdienende Gewerkschaftschef. "Die Politik hätte die Unternehmen in die Pflicht nehmen müssen - so können Arbeitgeber in vielen Branchen auch weiterhin Dumpinglöhne zahlen und Beschäftigte auf den Staat verweisen, der die Armutslöhne mit staatlichen Transferleistungen aufstocken soll."

"Wir brauchen mehr Jobs im Niedriglohnbereich"

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sprach sich weiterhin gegen gesetzliche Mindestlöhne aus. Um "geringqualifizierten Langzeitarbeitslosen" bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen, bräuchte man "mehr Jobs im Niedriglohnbereich" und keine zusätzlichen Reglementierungen.

Eine Ausweitung des Entsendegesetzes könne zwar für einige Branchen aus dem Dienstleistungsbereich in Betracht kommen, so Hundt. "Derzeit erfüllt allerdings keine einzige weitere Branche die rechtlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Entsendegesetzes." Das schließe nicht aus, dass in den nächsten Jahren durch neue "Mindestlohntarifverträge" mit bundesweiten Strukturen "vereinzelt" die Voraussetzungen geschaffen werden könnten. Die Anwendung des Entsendegesetzes könne in Einzelfällen auch sinnvoll sein, wenn entsprechende Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt durch Entsendearbeitnehmer aufträten, meint der Arbeitgeberpräsident.

"Äußerst problematisch" sei das Vorhaben der großen Koalition zur Änderung und Anwendung des Mindestarbeitsbedingungsgesetzes aus dem Jahr 1952. "Es wäre besser, die Koalition würde dieses 55 Jahre alte, bisher nicht angewandte Gesetz abschaffen, statt es jetzt zu renovieren", fordert der Arbeitgeberpräsident. "Würde über ein solches Gesetz ein System von gesetzesgleichen Mindestlöhnen für bestimmte Branchen geschaffen, wäre das Vorhaben schädlicher als ein allgemeiner pauschaler Mindestlohn." Es komme jetzt "sehr darauf an, wie dieses Gesetz verändert wird. Ich kann nicht erkennen, für welche Branche die Anwendung in Betracht kommen soll."

Die vom Koalitionsausschuss vorgeschlagenen gesetzlichen Änderungen verfolgten "ganz offensichtlich den Zweck, anstelle eines pauschalen Mindestlohnes ein System branchenbezogener gesetzlicher Mindestlöhne zu setzen", so Hundtd. Das jedenfalls würde die Folge der vorgesehenen gesetzlichen Änderungen im Entsendegesetz und im Mindestarbeitsbedingungsgesetz sein.

Mit scharfen Worten warnte der Arbeitgeberpräsident SPD und Union davor, den Niedriglohnbereich zu beseitigen: Die Koalition solle sich darüber im klaren sein, dass dadurch "Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich" vernichtet würden. "Je mehr auf der Grundlage solcher gesetzlicher Regelungen branchenbezogene Mindestlöhne festgesetzt werden, desto größer ist der Schaden auf dem Arbeitsmarkt", sagte Hundt.

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