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Nach Auffassung der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Lühr Henken und Peter Strutynski, dient der Bundeswehreinsatz vermutlich dazu, Präsenz in der erdölreichen West-Provinz Darfur zu zeigen. Die vermeintliche "humanitäre Hilfe" sei möglicherweise nur ein "Deckmantel, unter dem nationale Energie-Interessenpolitik" betrieben werde.
Der Militäreinsatz sehe harmlos aus, da "Lufttransportkapazitäten der Bundeswehr" lediglich zur Verlegung und zur Rotation afrikanischer Truppen beitragen sollten, die im Rahmen der AMIS-Mission der Afrikanischen Union (AU) den Friedensprozess in Darfur und zwischen Sudan und Tschad überwachen sollten. "Die Wirklichkeit scheint noch harmloser", so Henken und Strutynski: "Seit März 2006 fliegen keine deutschen Transall-Maschinen und sind auch keine Bundeswehrsoldaten vor Ort." Deutschland beteilige sich lediglich finanziell.
"Und hier liegt der Hase im Pfeffer", meinen die Friedensforscher. Es sei "nicht wahr", wenn die Bundesregierung tagein tagaus verkünde, die afrikanischen Staaten wären nicht in der Lage, die Truppen nach Darfur zu transportieren und seien auf europäische Hilfe angewiesen. Tatsächlich verfüge Afrika über ausreichend Kapazitäten - beispielweise 100 Herkules C 130, die größer sind als die deutschen Transall-Maschinen - und könnten den Nachschub und die zu rotierenden Einsatzkräfte nach Darfur bringen. Dazu bedürfe es lediglich finanzieller Unterstützung.
Henken & Strutynski: Die Situation in Darfur ist weniger dramatisch als behauptet
Im übrigen sei die Situation in Darfur "längst nicht so dramatisch, wie es die Bundesregierung gern hinstellt". Kampfhandlungen gebe es so gut wie nicht. Die Konfliktparteien hielten sich seit längerem an die vereinbarte Waffenruhe.
Was aber besonders schlimm bleibe und internationaler Hilfe bedürfe, sei die Situation der rund zwei Millionen Flüchtlinge, die in großen Lagern und Zeltstädten untergebracht seien. Lebensmittel, sauberes Trinkwasser und Medikamente seien die wichtigsten Güter, die gebraucht würden. Soldaten aber hätten "solches nicht im Marschgepäck".
"Deutschland will im Sudan präsent bleiben"
Es stelle sich vor diesem Hintergrund die Frage, warum die Bundesregierung "so heiß darauf ist, einen Militäreinsatz vorzuhalten, der momentan gar nicht gebraucht wird", so Henken und Strutynski. "Eine Antwort könnte sein: Deutschland will im Sudan präsent bleiben, nicht nur im Süden, sondern auch in Darfur. Wenn es richtig ist, dass der Sudan (aber auch der angrenzende Tschad) über riesige Erdölvorkommen verfügt, kann deren Ausbeutung und der kontrollierte Zugang zu ihnen nicht anderen Mächten (China, USA) überlassen werden."
"Humanitäre Hilfe wäre dann nur der Deckmantel, unter dem nationale Energie-Interessenpolitik betrieben wird", vermuten die Friedensforscher.
Hinzu komme, dass ein militärischer Beitrag zur "Befriedung" der Darfur-Region "die Akzeptanz" in der Bevölkerung für derartige Einsätze erhöhe, nicht zuletzt auch deswegen, weil selbst große Friedensforschungsinstitute diese gutgeheißen würden. "Davon könnte mittelfristig auch der bislang mehrheitlich abgelehnte Afghanistan-Einsatz profitieren", kritisieren die Friedensforscher.
Nach Auffassung des Bundesausschusses Friedensratschlag ist das Militär "zur humanitären Hilfe ungeeignet". Caritative und humanitäre Organisationen warnten seit langem davor, dass die Vermischung von zivilen und militärischen Maßnahmen in internationalen Hilfsgebieten "immer" zu Lasten der humanitären Hilfe gehe. "Dies sollten die Bundestagsfraktionen, die so gern die Bundeswehr in alle Welt schicken, bei ihrenn nächsten Entscheidungen beherzigen", fordern Henken und Strutynski.