Von dem Treffen erwartet Bello wenig: "Das ist kaum mehr als eine Quatschbude." Die ursprüngliche Idee, die G8-Gipfel zu einem Koordinationszentrum der stärksten Wirtschaftsmächte zu entwickeln, sei fehlgeschlagen. Ein Hauptgrund dafür sei die unilateralistische Haltung der USA. Der positivste Aspekt des Gipfels werde vermutlich die Reaktion der Zivilgesellschaft sein, die sich skeptischer, realistischer und militanter zeigen dürfte als bisher.
Der Soziologe fordert einen Systemwechsel in der internationalen Ökonomie. In dem von Wachstum und dem Streben nach Kostenminimierung getriebenen Wirtschaftsmodell hätten sich im Zeichen der Globalisierung "Märkte und Unternehmen von ihrem direkten sozialen Umfeld gelöst", sagte Bello. Auch deshalb seien sie "völlig unsensibel" gegenüber den großen Problemen der Zeit, wie etwa dem Schutz der Umwelt oder einer gerechten Verteilung von Ressourcen. Die Globalisierung der Finanzen habe zu schweren Krisen in Entwicklungs- und in Industriestaaten geführt. Kerninstitutionen wie die Weltbank, der Weltwährungsfonds und die Welthandelsorganisation WTO würden sich nicht nur in Legitimitäts- sondern auch in schweren finanziellen Krisen befinden.
Nach dem Scheitern der Idee einer "zentralisierten Weltwirtschaft" müssten dezentrale, leichter zu handhabende Modelle in den Fokus gelangen. Bello fordert einen "New Deal" zwischen Zivilgesellschaft und Staat und eine stärkere Rückbesinnung auf nationale Ökonomien. Statt der vom Kapitalismus geforderten Effektivität müssten Werte wie Solidarität, Gleichheit und Gerechtigkeit im Kern des Wirtschaftens stehen. Dabei gehe es nicht darum, sich aus der internationalen Wirtschaft zu verabschieden oder neue Grenzen zu ziehen. Bello: "Aber der Fokus des Handelns muss sich wieder stärker an der Dynamik und den Bedürfnissen der nationalen Gesellschaften orientieren." Ziel müsse eine gesündere Verbindung zwischen nationalen Ökonomien und der internationalen Wirtschaft sein.