Thierse warnte die Sicherheitsbehörden vor "Hysterie, die zu Polizeistaats-Methoden à la DDR führen" könnte. Sein Fraktionskollege Gunter Weißgerber (SPD) sagte: "Das sind Methoden, wie ich sie in der DDR kennen gelernt habe".
"Das ist der Schnüffelstaat in Perfektion", meint Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele. Er erinnerte daran, dass der Verfassungsschutz schon in den 80er Jahren Geruchsproben von vermeintlichen Systemgefährdern gesammelt, diese Praxis nach öffentlichem Protest aber eingestellt habe.
Bundesanwaltschaft: eine normale, wenn auch noch seltene Ermittlungsmethode
Die Bundesanwaltschaft wies die Kritik zurück. Die Geruchsproben seien lediglich bei "fünf oder sechs Beschuldigten" genommen worden, gegen die wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt wird, sagte ein Sprecher. Es gehe "ausschließlich" darum, diese Proben mit Spuren auf sichergestelltem Material abzugleichen. Ziel sei es nicht, auf diese Weise Verdächtige beim G8-Gipfel aufzuspüren. Es handle sich um eine "normale, wenn auch noch seltene Ermittlungsmethode".
Geruchsproben haben laut Bundesanwaltschaft nicht den Beweiswert eines DNA-Abgleichs, sind aber "als Indiz in der Gesamtwürdigung" von Belang. Zur Entnahme dient eine Metallröhre, die der Beschuldigte ein paar Minuten in der Hand halten muss. Der Spurenabgleich erfolgt durch Hunde.
Schäuble verteidigte ebenfalls die umstrittene Ermittlungsmethode. In bestimmen Fällen sei dies ein probates Mittel, um mögliche Tatverdächtige zu identifizieren. Es gehe darum, die Sicherheit auf dem G8-Gipfel zu gewährleisten.
Bundesministerin hat Verständnis vor Sorge vor "Schnüffelstaat"
Nach Ansicht von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ist die Methode juristisch einwandfrei. Dennoch hinterlasse sie "ein sehr ungutes Gefühl", wenn man die in Einmachgläsern aufbewahrten Geruchsproben im Stasi-Museum gesehen habe.
Eine Ministeriumssprecherin sagte, die Fälle seien jedoch "in keinster Weise" mit der flächendeckenden Geruchsprobenentnahme der DDR-Staatssicherheit vergleichbar.
Zypries äußerte zugleich Verständnis für die Sorge, Deutschland entwickele sich angesichts immer neuer Ermittlungstaktiken zunehmend zu einem "Schnüffelstaat".
Jelpke: Kaum brennt ein Auto ...
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, hat "von den Versuchen der Bundesanwaltschaft, die G8-Proteste zu kriminalisieren, die Nase voll". Kontinuierlich versuchten Bundes- und Landesbehörden, die Protestbewegung gegen den G8-Gipfel zu kriminalisieren und in die Nähe des Terrorismus zu rücken. "Kaum brennt in Berlin-Friedrichshain ein Auto, verkünden Polizei und Verfassungsschutz einen möglichen Zusammenhang zum G8-Gipfel", kritisiert Jelpke.
Auf Beweise komme es den Sicherheitsbehörden gar nicht mehr an, "Hauptsache, eine abenteuerliche Beschuldigung folgt der nächsten". Das Ziel sei klar: Potenzielle Demonstrantinnen und Demonstranten sollten eingeschüchtert und Aktivisten ausgeleuchtet werden. Die Bundesanwaltschaft gebe selbst zu, dass solche Schnüffelspuren vor Gericht nicht als Beweismittel taugten. Stattdessen spreche sie von einem Indizwert, der in eine "Gesamtwürdigung" eingestellt werden könne.
"Diese Methoden stinken zum Himmel", meint die Politikerin. Die Bundesregierung sei offenbar nicht gewillt, den G8-Gipfel unter Wahrung rechtsstaatlicher Standards durchzuziehen. "Im Konflikt zwischen demokratischen Prinzipien und größtmöglichem Sicherheitsanspruch entscheidet sie sich gegen die Demokratie und schreckt dabei auch vor im wahrsten Sinn des Wortes irrwitzigen Schnüffelmethoden nicht zurück."
Caffier distanziert sich von Geruchsprofilen Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) hat die Erfassung von Körpergeruchsproben von G8-Gegnern kritisiert. Caffier sagte am 23. Mai im Gespräch mit NDR 1, er sei von den Bundesbehörden nicht über diese Maßnahme informiert worden. In Mecklenburg-Vorpommern habe es keine Erstellung von Geruchsproben gegeben. Das Innenministerium oder andere Landesstellen hätten zu keiner Zeit Anweisungen dazu erteilt.
Es gebe Vorgehensweisen, die er als für den G8-Gipfel in Heiligendamm zuständiger Innenminister definitiv nicht teile, sagte der Ressortchef. Caffier sagte, er wolle mit "Maßnahmen und Methoden des Rechtsstaats" weiter für einen friedlichen Verlauf des Gipfels sorgen.