Besonders problematisch sei der Zusammenhang zwischen dem Sozialstatus und dem Gesundheitszustand von Kindern, so Henke. Gesundheitliche Gefahren und psychische Probleme träten konzentriert bei Kindern aus sozial schwachen Familien auf. "Da steht Deutschland international am Pranger." Der Abbau von Kinderarmut müsse die gleiche Priorität bekommen wie die "Bekämpfung" von Arbeitslosigkeit, forderte der Internist.
"Etwa fünf Prozent aller Kinder in Deutschland wachsen in Familien auf, in denen ein hohes Risiko für gravierende Vernachlässigung besteht", sagte Henke. Allein in Nordrhein-Westfalen hätten die Jugendämter 2005 knapp 8000 Kinder vorläufig unter ihren Schutz gestellt. Dazu komme eine große Dunkelziffer von Vernachlässigungsfällen und Übergriffen gegen Kinder.
Ärzte müssten in Fragen der Kindergesundheit stärker eingreifen, meint Henke. Die Forderung einiger Landesverbände der Kinder- und Jugendärzte, eine Teilnahmepflicht für Vorsorgeuntersuchungen einzuführen, lehnt er hingegen ab: "Das Kind zur Untersuchung zu bringen, darf nicht zur Zwangsmaßnahme werden." Zum Schutz der Kinder brauche es die Mitarbeit der Eltern.
Der Vorstand der Bundesärztekammer werde sich auf dem Ärztetag statt dessen für ein abgeschwächtes Meldesystem bei den Vorsorgeuntersuchungen einsetzen. Danach sollen Kinderärzte künftig Buch führen, wer an den Untersuchungen teilgenommen hat. Wer nicht komme, solle eine gesonderte Aufforderung erhalten.
Hoppe kritisiert Gesundheitsreform Nach Auffassung des Präsidenten der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, leiden Ärzte und Patienten unter der Gesundheitsreform. Die Umfinanzierung in den Krankenhäusern und die bereits strengen Vorgaben für die Berufsausübung der Ärzte und die Patientenversorgung seien noch rigider geworden, sagte Hoppe am Dienstag im Deutschlandradio Kultur vor Beginn des Ärztetages.
Ärzte könnten den Patienten deshalb nicht mehr so viele Maßnahmen zugute kommen lassen wie früher. Auch bringe es Unfrieden, dass im Unterschied zu Privatversicherten für die Pflichtversicherten nur ein begrenztes Budget zu Verfügung stehe und sie deshalb nur zu bestimmten Zeiten Termine bei den Ärzten bekommen könnten.
"Damit umzugehen, ist nicht ganz einfach", so Hoppe. Die Politik habe den "Schwarzen Peter" in die Arztpraxen verlagert, ohne dass sie die Verantwortung dafür übernehmen wolle. Die Mediziner würden sich kaum noch als Ärzte fühlen, weil die Einbindung in "standardisierte und industrialisierte Abläufe" so eng geworden sei. Auch die von der Bundesgesundheitsministerin versprochene Erhöhung der Honorare könne nichts daran ändern, dass das Berufsverständnis der Ärzte angekratzt sei.