Die Bundesregierung erwägt, bei Rohstoffinvestitionen der deutschen Industrie künftig nicht nur für die politischen, sondern auch für die wirtschaftlichen Risiken als Regelfall staatliche Garantien zu gewähren. Auch will sie die "Gebührenstruktur" für Staatsgarantien offenbar zugunsten der Wirtschaft verändern. Die staatlichen Investitionsgarantien könnten in Zukunft auch auf "Konzessionen oder Rohstoffbezugsrechte" ausgedehnt werden.
In einem Interministeriellen Ausschuss "Grundstoffe" will die Bundesregierung künftig Fragen der industriellen Rohstoffversorgung diskutieren. Ziel sei es, die Rohstoffpolitik innerhalb der Bundesregierung stärker zu vernetzen. Merkel machte deutlich, dass die Bundesregierung damit einem Wunsch der Industrie entspricht: "Sie bekommen also das Forum, das sie gewünscht haben", so Merkel auf dem BDI-Kongress gegenüber den Vertreterinnen und Vertretern der Industrie.
In dem Ausschuss wirken den Angaben zufolge neben Wirtschafts- und Rohstoffexperten unter anderem auch Fachleute der "Außen- und Sicherheitspolitik" mit. Eine militärische Rohstoffsicherung scheint insofern nicht ausgeschlossen zu werden. Des weiteren sollen Fachleute der Forschungs- und Technologiepolitik, Außenwirtschafts- und Handelspolitik, Entwicklungspolitik, Industriepolitik, Umweltpolitik, Agrar- und Forstpolitik und Europapolitik in dem Ausschuss mitarbeiten.
Deutsche Industrie beabsichtigt offenbar, ihre Bezugsquellen für Rohstoffe zu diversifizieren. Auch scheint es Überlegungen für Beteiligungen und Käufe von ausländischen Bergbauunternehmen zu geben.
Ein zentrales Ziel der Bundesregierung sind laut Merkel faire Rahmenbedingungen im Rohstoffhandel - "fair für die deutsche Wirtschaft, fair aber auch für die Rohstoffländer". Beim weltweiten Wettlauf um Rohstoffe komme es immer wieder zu handels- und wettbewerbsverzerrendem Verhalten einzelner Länder.Der beste Weg dazu wäre ein Erfolg bei der Doha-Freihandelsrunde, so Merkel. Um das zu ermöglichen, seien feste belastbare Angebote, auch von den Entwicklungs- und Schwellenländern nötig. Auch deshalb liege es im deutschen Interesse, die Doha-Runde zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen. "Dies ist nicht ganz einfach, aber das Zeitfenster soll genutzt werden", versprach Merkel auf dem BDI-Kongress.
Bundesregierung und Industrie beklagen eine angebotsseitige Verknappungen auf den Weltmärkten zahlreicher wichtiger Industrierohstoffe. Dies hätte dazu geführt, dass verschiedene Länder handelspolitische Maßnahmen wie Exportzölle oder Importvergünstigungen ergriffen hätten, "die die jeweilige heimische Industrie begünstigen und damit den Wettbewerb verzerren". Betroffen seien vor allem Buntmetall-Sekundärrohstoffe sowie Rohholz.
"Diese Handelsbeschränkungen müssen energisch bekämpft werden, da sie den stetigen Bemühungen um freien und fairen Welthandel zuwiderlaufen", heißt es in dem Bericht "Elemente einer Rohstoffstrategie der Bundesregierung" vom März 2007. Die Diskussionen hätten allerdings gezeigt, dass das mögliche Handlungsinstrumentarium begrenzt sei. Die Bundesregierung werde prüfen, inwieweit Wettbewerbsverzerrungen im WTO-Rahmen geahndet werden könnten.
Sie werde ferner ihre bi- und multilateralen Kontakte nutzen, um Handelsbeschränkungen politisch "zu bekämpfen". Die rohstoffverarbeitenden Unternehmen sollten ihrerseits die Bundesregierung über konkrete Verstöße unterrichten. "Die Handelspolitik der EU sollte neben der Öffnung der Exportmärkte auch die Sicherung eines diskriminierungsfreien Zuganges zu Rohstoffen anstreben."
Deutsche Auslandsvertretungen im Dienst der Rohstoffindustrie
"Die Bundesregierung will mit ihrer Außenpolitik dazu beitragen, dass deutsche Unternehmen am internationalen Rohstoffmarkt die gleichen Voraussetzungen antreffen wie ihre Mitbewerber", heißt es in der Rohstoffstrategie der Bundesregierung. Mit den deutschen Auslandsvertretungen stehe der Bundesregierung dabei ein breites Netz von "Anlaufpunkten für die Unterstützung nationaler Wirtschaftsinteressen" zur Verfügung.
Dies werde im Rahmen der Außenwirtschaftsförderung bereits intensiv und mit Erfolg durch zahlreiche deutsche Unternehmen in Anspruch genommen. "Die Auslandsvertretungen sind auch für die deutsche Rohstoffindustrie bei der Herstellung politischer Kontakte zu strategisch wichtigen Regierungsstellen im Einsatz. Die deutsche Rohstoffindustrie sollte systematisch an der Identifizierung von Unterstützungserfordernissen arbeiten und dann gemeinsam mit der Bundesregierung überlegen, wie in Zukunft stärker von dieser bereits zur Verfügung stehenden Option Gebrauch gemacht werden kann."
"Daneben wirbt die Bundesregierung auch im bilateralen Verhältnis zu rohstoffexportierenden und -explorierenden Staaten für den Abbau von Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen sowie für die Verbesserung von Transparenz im Rohstoffsektor."
In dem Bericht heißt es ferner, die Bundesregierung sei der Auffassung, "dass keine neuen Subventionstatbestände im Bereich der Rohstoffgewinnung und –versorgung geschaffen werden, keine staatliche Rohstoffbevorratung oder andere potentiell marktverzerrenden Maßnahmen ergriffen werden sollten. Vielmehr soll das Ziel einer möglichst weit reichenden Liberalisierung der Weltmärkte gerade auch bei Rohstoffen weiter mit Nachdruck verfolgt werden."
In den 1970er und 1980er Jahren sei die Industrie - gefördert durch die Bundesregierung - verstärkt in der Rohstoffgewinnung aktiv gewesen. Doch ab Mitte der 80er Jahre habe das Engagement der Industrie nachgelassen. Jetzt sei die Industrie von den hohen Rohstoffpreisen überrascht worden. Die Bundesregierung attestiert in ihrem Bericht den hochbezahlten Industrie-Magagern fehlende Weitsicht: "Die deutsche rohstoffverarbeitende Industrie ist zumindest teilweise von der aktuellen Preis-Hausse an den Rohstoffmärkten überrascht worden."
BDI-Präsident Thumann: Die deutsche Wirtschaft ist auf freie Rohstoffmärkte angewiesen
BDI-Präsident Jürgen Thumann beschrieb auf dem Kongress seines Verbandes das Problem, das spätestens seit dem US-Bericht "Global 2000" aus dem Jahr 1980 auch einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland bekannt ist. "Rohstoffsicherheit heißt nicht nur eine sichere Versorgung unserer Wirtschaft mit Öl und Gas, sondern auch mit metallischen Rohstoffen wie Kupfer, Zink, Nickel und Wolfram", so Thumann.
Ein Großteil der Produkte, mit denen Deutschland auf den Weltmärkten erfolgreich sei, basiere auf metallischen Rohstoffen. "Weil die deutsche Wirtschaft bei diesen Rohstoffen fast zu 100 Prozent von Importen abhängig ist, ist sie in besonderem Maß auf freie Rohstoffmärkte angewiesen", so der BDI-Präsident. "Leider sind die Märkte aber nicht frei." Zahlreiche Handels- und Wettbewerbsverzerrungen trieben die Preise zusätzlich zu dem wachsenden Rohstoffhunger der Schwellenländer China und Indien in die Höhe." Deshalb stehe die Handelspolitik vor großen Herausforderungen.
"Aufgrund der gestiegenen Preise für metallische Rohstoffe haben sich die Produktionskosten in Deutschland seit 2002 stark erhöht", sagte Ulrich Grillo, Vorsitzender der BDI-Präsidialgruppe "Internationale Rohstofffragen". Der Preis einiger Metalle sei in den vergangenen Jahren um über 500 Prozent gestiegen. Insgesamt seien die Produktionskosten in der Industrie aufgrund höherer Rohstoffpreise von 2002 bis heute um rund 90 Milliarden Euro gestiegen.
Das Bruttoinlandsprodukt sei aufgrund der hohen Rohstoffpreise um 0,4 Prozent niedriger ausgefallen. Auch seien deswegen 136.000 Arbeitsplätze in Deutschland verloren gegangen, so eine Studie der Energy Environment Forecast Analysis GmbH (EEFA) im Auftrag des BDI.
BDI-Präsident Thumann betrachtet die Rohstoffpolitik nun - ähnlich wie es bereits in den 1970er und 1980er gesehen wurde - als "Daueraufgabe". Das Thema Rohstoffversorgung gehe "uns alle an". Rohstoffpolitik sei "Zukunftssicherung".
Er forderte daher nochmals einen Interministeriellen Ausschuss Rohstoffpolitik, der aber von der Bundesregierung bereits zugesagt worden war. "Aufgabe dieses Ausschusses muss die permanente Koordination der Ressorts in der Rohstoffpolitik sein. Er sollte auch Anlaufstelle für die Anliegen der Industrie sein", so der BDI-Präsident.