März 2007
Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.
Bundestag debattierte über Patientenverfügungen
Der Deutsche Bundestag diskutierte am 29. März über eine gesetzliche Verankerung von Patientenverfügungen. Die Abgeordneten durften in der dreieinhalbstündigen Debatte ohne Fraktionszwang frei ihre Meinung sagen, was nicht zu den Selbstverständlichkeiten des deutschen Parlaments gehört. Es wurden drei Positionen deutlich. Mehrere Redner forderten eine weitgehende Freiheit der Patienten, eine andere Gruppe trat für eine Beschränkung der Reichweite solcher Verfügungen ein. Einige Redner halten eine gesetzliche Regelung nicht für notwendig.
Parteifreund Schily übernimmt für Steinmeier die Verantwortung für Kurnaz
Im Fall des langjährigen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) jede Schuld von sich gewiesen. Sein Parteifreund, der nicht mehr amtierende, ehemalige Innenminister Otto Schily, übernahm dagegen vor dem BND-Untersuchungsausschuss am Donnerstag die politische Verantwortung, um seinen Parteifreund im Amt des Außenministers zu entlasten. Schily erklärte, die zentrale Verantwortung bei der damaligen Gefährdungseinschätzung habe beim Bundesinnenministerium gelegen. In anderen Fällen hatte Schily stets alle Schuld von sich gewiesen. Und: Steinmeier hatte in seiner damaligen Funktion als Kanzleramtschef die zuständigen Präsidentenrunden der Sicherheitsbehörden geleitet. Unter der rot-grünen Bundesregierung wurde im Herbst 2002 eine Einreisesperre gegen Kurnaz verhängt. Die Bundesregierung und der Bundesnachrichtendienst wollen Kurnaz statt dessen in die Türkei abschieben.
Feinstaub-Entscheidung an den Europäischen Gerichtshof abgeschoben
Die Entscheidung über kommunale Aktionspläne zur Einhaltung von Feinstaubgrenzwerten in Deutschland verzögert sich weiter. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied am Donnerstag, dass in dieser Frage zunächst der Europäische Gerichtshof in Luxemburg urteilen muss. Geklagt hatte ein Anwohner einer viel befahrenen Straße in München. Laut EU-Vorschrift darf der Feinstaub-Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nur an 35 Tagen pro Jahr überschritten werden. Die Grenzwerte waren in der Wohngegend des Klägers an 92 Tagen im Jahr überschritten worden. Der Experte für Umwelt- und Verwaltungsrecht, Eike Albrecht, kritisierte die Entscheidung der Leipziger Richter. Dadurch werde "die Problemlösung in Deutschland weiter hinausgezögert", sagte der Dozent der Technischen Universität Cottbus. Das Bundesverwaltungsgericht kritisierte den Freistaat Bayern.
Kabinett beschließt neues Zuwanderungsrecht
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch Änderungen des Zuwanderungsrechts beschlossen. Man wolle langjährig geduldeten Ausländern "durch Arbeitsaufnahme ein Bleiberecht ermöglichen" und Zwangsheiraten eindämmen, so die Darstellung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Vorläufig Geduldete, die bis Ende 2009 keinen Arbeitsplatz finden, sollen das Bleiberecht verlieren. Die CSU sprach von einem "Abschied von Multi-Kulti in der Zuwanderungspolitik". Das Rote Kreuz und der DGB übten scharfe Kritik.
Heikles Thema Patientenverfügungen spaltet alle Fraktionen
Mehr als drei Stunden will der Bundestag am Donnerstag über ein heikles Thema reden, bei dem die Fronten quer durch die Fraktionen verlaufen: Es geht um so genannte Patientenverfügungen und damit um das Selbstbestimmungsrecht des Menschen zwischen Leben und Tod. Patientenverfügungen sind von Bedeutung, wenn sich ein Patient infolge eines Unfalls oder einer Krankheit nicht mehr selbst zur Art seiner medizinischen Versorgung und Behandlung äußern kann. Für diesen Fall kann er in einer Verfügung vorsorglich festlegen, dass beispielsweise auf lebensverlängernde Apparatemedizin verzichtet werden soll. Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, sagte, er lehne aktive Sterbehilfe ab.
Hermesbürgschaft für den Bau des Ilisu-Staudamms in der Türkei gewährt
Am 24. März bewilligte der Interministerielle Ausschuss für die Gewährung von staatlichen Exportkrediten (IMA) eine Hermesbürgschaft für den deutschen Exportanteil für das geplante Wasserkraftwerk Ilisu in der Türkei. Die Bundesregierung hat die Exportkreditgarantie nach eigener Darstellung an strenge Anforderungen geknüpft. Das Gesamtvolumen des Auftrags umfasst 1,2 Milliarden Euro. Die deutsche Bundesregierung deckt einen Anteil von 93,5 von insgesamt 450 Millionen Euro für den Bau von drei Umleitungstunneln und drei Druckstollen durch die Stuttgarter Ed Züblin AG. Hinzu kommt eine Rückversicherung von rund 100 Millionen Euro für deutsche Zulieferungen an den österreichischen Konsortialpartner Andritz AG.
Bundesregierung senkt Hürden für Vaterschaftstests
Die Bundesregierung will Männern die gerichtliche Klärung ihrer Vaterschaft erleichtern. Männer können demnach künftig die Abstammung ihres Kindes feststellen lassen, ohne bei einem negativen Befund automatisch die Vaterschaft zu verlieren. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) stellte am Dienstag in Berlin einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. Heimliche Vaterschaftstests bleiben demnach weiter verboten.
Regelung zur Pauschalenkürzung laut Gericht verfassungswidrig
Die Kürzung der Pendlerpauschale ist auch nach Ansicht des saarländischen Finanzgerichtes verfassungswidrig. Laut dem am Dienstag veröffentlichten Urteil verstoße die Neuregelung, wonach Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 Kilometern nicht mehr steuermindernd geltend gemacht werden können, gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes. Bereits Ende Februar hatte das niedersächsische Finanzgericht eine ähnliche Entscheidung getroffen und den Fall dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Auch die Saarbrücker Richter verwiesen ihren Fall nach Karlsruhe.
Neue Sanktionen gegen Iran beschlossen
Der UN-Sicherheitsrat hat am Wochenende die Sanktionen gegen den Iran verschärft. Die neue Resolution 1747 sieht ein Waffenembargo, Einfrieren von Auslandsgeldern und Reisebeschränkungen vor. Der Iran soll innerhalb von 60 Tagen seine Urananreicherung einstellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte beim Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs in Berlin, dass die EU weiterhin offen bleibe für Verhandlungen. "Wenn der Iran zum Pfad der Völkergemeinschaft zurückkehrt, dann sind wir natürlich auch bereit, dem Iran sehr große Angebote zu machen", sagte Merkel am 25. März. Der iranische Außenminister, Manuschehr Mottaki, sagte, das iranische Parlament sei bereit, das Zusatzprotokoll des Nicht-Verbreitungsvertrages zu ratifizieren. Zahlreiche Berichte deuten auf baldige Luftangriffe des Westens hin.
Attac schlägt zehn Prinzipien für einen EU-Vertrag vor
Die globalisierungskritische Netzwerk Attac hat die am 25. März unterzeichnete "Berliner Erklärung" zur Zukunft der Europäischen Union kritisiert. Nach Auffassung von Attac wird das soziale Defizit der Europäischen Union tabuiesiert, da die zunehmende Ungleichheit in Europa verschwiegen werde: "Wer ein Europa der sozialen Ungerechtigkeit und Unsicherheit baut, wirkt als Totengräber der EU", meint Sven Giegold von Attac. 16 europäischen Attac-Sektionen haben am Donnerstag vergangener Woche "zehn Prinzipien für einen demokratischen EU-Vertrag" vorgeschlagen.
Bertelsmann plant gemeinsam mit US-Banken Beteiligungen an Medienunternehmen
Der Bertelsmann-Konzern plant gemeinsam mit der US-amerikanischen Investmentbank Morgan Stanley und der Citygroup Private Equity einen Beteiligungsfonds mit Sitz in Luxemburg. Ziel sei es, künftig größere Aquisitionen im Medienbereich tätigen zu können, verkündete der Vorstandschef, Gunter Thielen, am vergangenen Mittwoch auf der Bilanzpressekonferenz. Das Investitionsvolumen soll rund eine Milliarde Euro betragen, wovon 500 Millionen Euro der Bertelsmann-Konzern über 4 Jahre beisteuert und je 250 Millionen die Morgan Stanley Investmentbank und Citygroup leisten. Damit können, so Finanzvorstand Thomas Rabe, Finanzbeteiligungen in Unternehmen der Medienbranche realisiert werden. Das erste Objekt, das realisiert wird, könnte die Lehrbuch-Sparte des kanadischen Fachverlags Thomson sei, dessen Kaufpreis rund 4 Milliarden Euro betragen soll. Ab dem Jahr 2008 soll nach Auskunft von Thielen jährlich eine Summe von zwischen 1,0 bis 1,5 Milliarden Euro für Investitionsobjekte bereit stehen, damit sollen bis zum Jahr 2010 Investitionen von 7 Milliarden Euro vorgenommen werden können.
E.On will neues Atomkraftwerk in der Slowakei bauen
Nach Angaben der slowakischen Wirtschaftszeitung "Hospodárske noviny" denkt der deutsche Atomkraftwerksbetreiber E.On über den Bau eines neuen Atomkraftwerks in der Slowakei nach. Der Vorstandsvorsitzende der E.On Energie AG, Johannes Teyssen, wird in der Zeitung mit den Worten zitiert: "Die E.On AG ist interessiert an der Errichtung eines neuen Atomkraftwerks am existierenden Atomkraftwerksstandort Jaslovske Bohunice."
Kanzlerin Merkel für "europäische Armee"
"Ich will nicht gleich soweit gehen, eine europäische Armee zu fordern", hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch im November 2006 der "Süddeutschen Zeitung" gesagt. Allerdings müsse man sehen, dass sich die EU in diese Richtung bewege, so Merkel unter Verweis auf bereits laufende gemeinsame Auslandseinsätze europäischer Armeen. Diese erzeugten "einen großen Harmonisierungsdruck". Nur wenige Monate später fordert Merkel in der "Bild"-Zeitung vom 23. März 2007 nun ausdrücklich eine "europäische Armee". Die Idee der europäischen Einigung sei auch heute noch "eine Frage von Krieg und Frieden", so Merkel. "Wir sollten Frieden und Demokratie nie als etwas Selbstverständliches abhaken." Sie sei sicher, dass in den Staaten der Europäischen Union ein Krieg ein für alle mal ausgeschlossen sei. Dies müsse jedoch auch "unser Ziel für den ganzen Kontinent sein", sagte die Kanzlerin. Als Ziele für die Zukunft der EU nannte Merkel den Aufbau einer Europa-Armee.
Militärexperte warnt vor den Gefahren abgefangener Raketen
Mit einer erfolgreichen Abwehr angreifender Raketen durch den US-Raketenschild in Osteuropa wäre nach Darstellung des russischen Militärexperten Juri Saizew die Gefahr noch keineswegs gebannt. Im Falle der Zerstörung einer solchen Rakete verfehle deren Sprengkopf zwar das vorprogrammierte Ziel, könne aber beim Absturz entlang der Flugtrasse verheerenden Schaden unter der Zivilbevölkerung anrichten, sagte Saizew in Moskau. Die Sprengköpfe gingen praktisch nie auf das Land nieder, das die Interkontinentalrakete abgeschossen habe. Berechnungen zeigten, dass der Sprengkopf einer bei einer Geschwindigkeit von 3,9 Kilometern pro Sekunde abgefangenen Rakete noch rund 2000 Kilometer selbstständig weiterfliegt, behauptet Saizew.
EU einigt sich auf "Berliner Erklärung" zur Zukunft Europas
Die Europäische Union will sich für eine europäische Verfassung stark machen. Am Wochenende wollen sich die 27 EU-Mitgliedsstaaten, die EU-Kommission und das Europaparlament auf einem EU-Sondergipfel in Berlin "verpflichten", Europa bis 2009 auf eine "erneuerte gemeinsame Grundlage" zu stellen. Dies werde der Kern der "Berliner Erklärung" zum 50. Jahrestag der Römischen Verträge sein, hieß es am Freitag aus Kreisen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in Berlin.
Gipfelkritiker wollen Infrastruktur des G8-Treffens blockieren
Gipfelkritiker wollen während des G8-Treffens im Juni in Heiligendamm sämtliche Zufahrtsstraßen zum Veranstaltungsort blockieren. "Wir schneiden den Gipfel von seiner Infrastruktur ab", kündigte Christoph Kleine vom Aktionsbündnis "Block G8" am Freitag in Rostock an. Rund 10.000 Teilnehmer würden erwartet, die mit Mitteln des zivilen Ungehorsams den Durchgangsverkehr aufhalten wollten.
Glos erwägt eine Arbeitspflicht für alle Empfänger von Hilfsleistungen
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) beabsichtigt offenbar, 1,4 Millionen Empfänger von Hilfsleistungen zu Arbeiten zu verpflichten. Das Konzept von Glos sieht vor, dass alle Empfänger von Hilfsleistungen einer einer regulären Arbeit nachgehen müssen, sonst erhielte er keine staatliche Unterstützung mehr. Hartz IV werde damit nicht mehr als bedingungsloses Grundeinkommen wahrgenommen, so Michael Glos, sondern als "Hilfe zur Selbsthilfe".
Umweltminister verabschiedeten eine Erklärung zum Klimaschutz
Die Umweltminister von Bund und Ländern verabschiedeten am 22. März eine zehn Punkte umfassende Erklärung, um die Klimaziele der Europäischen Union (EU) zu realisieren. Durch die Zusammenarbeit von Bund und Ländern werde der Klimaschutz mehr Dynamik erhalten, sagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Die EU will den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) bis 2020 um mindestens ein Fünftel reduzieren. Schwerpunkt der so genannten "Düsseldorfer Erklärung" sind Maßnahmen für eine stärkere Reduzierung des Energieverbrauchs. Dies sei "Dreh- und Angelpunkt einer klimaverträglichen, sicheren und bezahlbaren Energieversorgung", heißt es in dem Papier. Bund und Länder streben dazu eine Offensive zur Energieeffizienz an.
Streit um Französisch-Zwang an Gymnasien in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg wächst der Protest gegen die vom Kultusministerium geplante Französischpflicht in den fünften Klassen der Gymnasien entlang der Rheinschiene. Der Karlsruher Oberbürgermeister Heinz Fenrich (CDU) appellierte am Donnerstag an Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), die Einführung des Französisch-Zwangs zu überdenken. "Verwaltung, Pädagogen und Eltern plädieren einhellig für die Beibehaltung der Wahlfreiheit - und ich musste den Eindruck gewinnen, zu recht", so Fenrich.
Rentner erhalten ab Juli 0,54 Prozent mehr Geld
Nach drei Nullrunden können Rentner ab Juli mit einer leichten Anhebung ihrer Altersbezüge rechnen. Seit Dienstagabend sei klar, dass es zum 1. Juli eine Erhöhung der Renten um 0,54 Prozent geben werde, sagte Bundessozialminister Franz Müntefering (SPD) am Mittwoch im ARD-"Morgenmagazin". "Das ist nicht viel, aber das ist Ausdruck der positiven Entwicklung bei Wachstum und Löhnen im vergangenen Jahr", sagte er. Der Linksabgeordnete Klaus Ernst sagte, angesichts einer Inflationsrate von 2 Prozent handele es sich faktisch um eine Netto-Rentenkürzung.