"Lügenpropaganda"
- "Vorwände" - "Lügenpropaganda" - "konstruierte Beweise"
- BBC: US-Armee hat Angriffsziele in Iran ausgewählt
- Polenz: Anderer Umgang mit dem Iran
- Paech: EU muss sich vom gefährlichen Kurs der USA distanzieren
- Steinmeier: Die UN-Resolution enthält keinen Automatismus für Sanktionen
- Friedrich: UNO muss weitere Sanktionen gegen den Iran beschließen
- Deutschlandfunk: "Das Problem wird vermutlich wieder sein Moskau und Peking"
Das Schreiben ist von vielen unterzeichnet, die in der deutschen Friedensbewegung Rang und Namen haben: von den Friedensforschern Peter Strutynski, Professor Karlheinz Koppe und Professor Andreas Buro, den Politikwissenschaftlern Professor Peter Grottian, Professor Werner Ruf und Professor Ekkehart Krippendorf, dem Soziologen Professor Oskar Negt, dem Kernphysiker Professor Hans-Peter Dürr, der Professorin für Psychotherapie Christine Morgenroth sowie von Angelika Claußen und Professor Ulrich Gottstein von den Internationalen Ärzten für die Verhütung eines Atomkrieges (IPPNW).
Ihrer Auffassung nach würde sich - wie Studien der International Crisis Group zeigten - ein Angriff nicht auf die Zerstörung atomarer Anlagen beschränken. "Die Flugzeugträger Stennis und Eisenhower sind bereits vor Irans Küsten stationiert." Laut "Guardian" vom 10. Februar sei nun ein dritter Flugzeugträger in Richtung Persischer Golf unterwegs. "Die drei Flugzeugträger und ihre Verbände verfügen über Waffen, die ausreichen, um die gesamte militärische und zivile Infrastruktur Irans, einschließlich Brücken, Autobahnen, Elektrizitätskraftwerken, Raffinerien, Wasserversorgungseinrichtungen, vollständig zu zerstören." Und zur Abwehr iranischer Raketen gegen die US-Kriegsschiffe seien im Südirak bereits Patriot-Raketen stationiert worden, heißt es in dem offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel.
"Namhafte Experten" wie Sam Gardiner, Seymour Hersh und Daniel Elsberg wendeten sich seit Wochen mit alarmierenden Appellen gegen einen neuen Krieg der US-Regierung. Am 4. Februar hätten drei ehemalige Kommandanten des US-Militärs in der "Sunday Times" eindringlich vor den katastrophalen Folgen eines Militärschlages gewarnt. "Ähnlich äußerte sich in München auch der ehemalige Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clarke."
"Vorwände" - "Lügenpropaganda" - "konstruierte Beweise"
Die "New York Times" vom 9. Februar hat nach Auffassung von Professor Massarrat und Kollegen "bereits unverblümt Vorwände für einen Angriff auf den Iran" geliefert, indem sie diesen für den Tod von 170 US-Soldaten im Irak verantwortlich gemacht hätten. Gegen die Verbreitung solcher Vorwände habe sich kein geringerer als Zbiniew Brzezinski gewandt. So habe dieser Anfang Februar vor dem Außenpolitischen Ausschuss des amerikanischen Senats Präsident Bush davor gewarnt, "Beweise" für eine "defensive" Militäraktion gegen den Iran "zu konstruieren". "Die Situation heute erinnert an die Lügenpropaganda in den Monaten vor dem Irak-Krieg."
Nach Einschätzung der deutschen Friedensbwegung gibt es "leider keinen Anhaltspunkt, dass der amerikanische Präsident auf eine diplomatische Lösung hinarbeitet". Den Dialog mit Iran lehne er trotz der Empfehlungen der Baker-Kommission ab. "Seine ständigen Beteuerungen, den diplomatischen Weg bevorzugen zu wollen, dienen der Täuschung des amerikanischen Volkes und der Europäer", heißt es in dem Schreiben.
"In der politischen Führung der Vereinigten Staaten scheinen sich diejenigen durchgesetzt zu haben, die entschlossen sind, das Regime der Islamischen Republik zu beseitigen und Iran durch Vernichtung nicht nur der atomaren Anlagen, sondern sämtlicher militärischer und relevanter ökonomischer Kapazitäten zu einer unbedeutenden Macht in der Region zurück zu bomben."
Der US-Präsident handele mit seinen "Wahnsinns-Kriegsplänen" gegen die Mehrheit der Amerikaner, auch gegen viele in seiner eigenen Partei. An Merkel gewandt heißt es: "Ein weiteres gemeinsames Vorgehen mit Bush im Iran-Konflikt entbehrt unseres Erachtens jeglicher politischer und moralischer Legitimation, vielmehr kann es nur als Billigung seiner Angriffspläne verstanden werden. Sehr verehrte Frau Merkel, wegen Gefahr im Verzug bitten wir Sie zu handeln. Verhindern Sie diesen Krieg und dass Deutschland und die Europäische Union für ein Desaster unvorstellbaren Ausmaßes mit verantwortlich gemacht werden wird."
"Erteilen Sie im Namen Deutschlands dem Einsatz von militärischer Gewalt gegen den Iran eine unmissverständliche Absage", fordert Massarrat. "Fordern Sie die EU und ihre Mitgliedsstaaten auf, sich in gleicher Weise zu äußern. Treten Sie für neue Verhandlungen mit der iranischen Führung ohne Vorbedingungen ein und berücksichtigen Sie dabei die rechtliche Grundlage des Atomwaffensperrvertrages", heißt es unter Anspielung darauf, dass der Atomwaffensperrvertrag zwar die Verbreitung von Atomwaffen verbietet und die bestehenden Atommächte wie die USA zur Abrüstung ihrer Atomwaffen verpflichtet, andererseits aber einen Ausbau der Atomenergie zu Energiezwecken einschließlich der Anreicherung von Uran ausdrücklich gestattet.
Des weiteren wird Merkel aufgefordert, sich "für den baldigen Beginn einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten" einzusetzen, um damit einen "friedlichen Dialog" in der Region zu eröffnen. "Denn entweder gibt es eine gemeinsame Lösung für die aktuellen Konflikte in der Region oder es gibt einen Flächenbrand, Chaos und neues Unglück für die Menschheit", meint die Friedensbewegung.
BBC: US-Armee hat Angriffsziele in Iran ausgewählt
Die "BBC" berichtete unterdessen, die US-Armee habe bereits erste Ziel-Details für die Bombardierung des Iran festgelegt. Zu den Zielen gehörten die Atomanlagen des Landes sowie die wichtigsten Militäreinrichtungen. Die britische Rundfunkanstalt berief sich in dem Bericht auf nicht näher genannte Diplomaten.
Von anderen Zielen, wie etwa der zivilen Infrastruktur, ist in dem BBC-Bericht nicht die Rede - derartiges öffentlich zu machen, liegt aber auch möglicherweise nicht im Interesse der nicht näher genannten Diplomaten.
Dafür nennt BBC einen denkbaren Einstieg in den Krieg: So könnte beispielsweise ein folgenschweres Attentat auf US-Soldaten im Irak, hinter dem "nachweislich" Iran stecke, "einen Angriff auslösen".
Polenz: Anderer Umgang mit dem Iran
Der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz hat die USA zu einem anderen Umgang mit dem Iran aufgefordert. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschuss des Bundestages verwies darauf, dass die USA eine militärische Option im Konflikt um das Atomprogramm nicht ausschließen würden. "Hilfreicher wäre es, wenn sich die USA wesentlich stärker als bisher an dem Kooperationsangebot der internationalen Staatengemeinschaft beteiligen würden, für den Fall, dass der Iran auf den militärisch nutzbaren Teil seines Atomprogramms verzichtet", sagte Polenz der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse".
Polenz warf dazu konkrete Fragen auf: "Unter welchen Bedingungen kann sich Washington eine Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen vorstellen? Wären die USA am Ende eines regionalen Verhandlungsprozesses auch bereit, Sicherheitsgarantien für den Iran abzugeben?" In den Verhandlungen mit Nordkorea sei es durch diese Fragen zur Bewegung gekommen, sagte Polenz.
Paech: EU muss sich vom gefährlichen Kurs der USA distanzieren
Der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Norman Paech, sagte, es sei "höchste Zeit, dass sich die Europäische Union im Konflikt um das iranische Atomprogramm von dem gefährlichen Kurs der USA distanziert". Eine Aufgabe der Urananreicherung dürfe nicht länger eine Vorbedingung für Verhandlungen mit Teheran sein.
Die Bundesregierung müsse endlich den Konfrontationskurs der USA verlassen. "Es ist kein Geheimnis, dass Teile der Bush-Regierung auf einen Krieg mit dem Iran drängen, um so von dem Desaster im Irak abzulenken. Deshalb ist Washington an einer Eskalation im Atomstreit mit Iran interessiert", meint Paech.
Solange vom Iran keine generelle Aufgabe der Anreicherung gefordert werde, sei eine Einigung immer noch möglich. Der iranische Chefunterhändler Ali Laridschani habe am Dienstag ausdrücklich betont, dass am Verhandlungstisch alle Fragen angesprochen werden könnten. Die iranische Regierung habe damit "erneut angedeutet, dass sie im Rahmen von Gesprächen zu Einschränkungen bei der Urananreicherung bereit" sei.
Mit Nordkorea, dessen Atomprogramm sehr viel weiter fortgeschritten sei als das iranische, habe die US-Regierung "ohne Vorbedingung verhandelt – und eine Einigung erzielt", so Paech. Mit dem Iran dagegen wolle die Bush-Regierung nicht einmal sprechen.
Laut Paech wird der Bundestag in der kommenden Woche über einen Antrag der Linksfraktion debattieren, mit dem die Bundesregierung aufgefordert werde, "sicherzustellen, dass die Nutzung von US-Militärbasen und anderer militärischer Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland sowie des deutschen Luftraums für militärische Angriffe auf den Iran nicht erfolgt". Die Abgeordneten aller Fraktionen müssten dann entscheiden, ob sie "die Kriegspläne der Bush-Regierung" unterstützten.
Steinmeier: Die UN-Resolution enthält keinen Automatismus für Sanktionen
Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wandte sich vor wenigen Tagen gegen eine schnelle Verschärfung des Sanktionskurses gegen den Iran. "Die letzte Resolution des Uno-Sicherheitsrates enthält keinen Automatismus für den Fall, dass der Iran seinen Verpflichtungen nicht nachkommt", so Steinmeier gegenüber dem "Handelsblatt".
Die Lehre aus dem Konflikt mit Nordkorea sei vor allem, dass "die Staatengemeinschaft" Geschlossenheit zeige und auf "beharrliche Diplomatie" setze. "Es mag sein, dass auch im Fall Iran der wirtschaftliche Druck verstärkt werden muss, wenn es nicht anders geht. Aber ich hoffe noch auf eine andere Lösung", so Steinmeier. Er setze darauf, dass in absehbarer Zeit aus dem Iran "belastbare Aussagen" für ein Einlenken kämen.
Eine geschlossene Haltung forderte Steinmeier allerdings auch bei den bereits beschlossenen Sanktionen. "Ich gehe davon aus, dass auch China sich der Bedeutung internationaler Geschlossenheit gegenüber dem Iran bewusst ist", sagte der SPD-Politiker mit Blick auf Berichte über neue chinesisch-iranische Energieverträge.
Friedrich: UNO muss weitere Sanktionen gegen den Iran beschließen
Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments (CSU) und CSU-Politiker Ingo Friedrich fordert hingegen nach dem Ende des Ultimatums der Vereinten Nationen ein konsequentes Vorgehen des Westens gegen den Iran. Ohne ein Einlenken müsse es weitere Sanktionen geben, sagte Friedrich im "Deutschlandfunk". Dabei sei es wichtig, dass auch Russland und China mit ins Boot geholt würden.
Friedrich verwies auf "die alte Weisheit, Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser". Das "Schachspiel" mit dem Iran gehe weiter, und die am 23. Dezember verhängten Sanktionen, "sie sind zwar nicht so dramatisch, wie man sich das hätte vorstellen können, aber offenbar sind sie dabei zu wirken, und nun säuselt der Iran, um also weitere Sanktionen zu verhindern". Dies müsse mit Geduld durchgestanden werden, und "man muss schrittweise bereit sein seitens des Westens, die Schraube eben fester zu ziehen".
Jetzt sei die Stunde der Verhandlungen, so Friedrich. Man müsse die gemachten Angebote des Iran kritisch prüfen, aber es sei jetzt nicht der Zeitpunkt, "wo man zum Beispiel grünes Licht gibt für Einzelsanktionen ohne UNO-Rückhalt, wie es manche in der USA erwarten, geschweige denn ist es jetzt schon Zeit, über irgendwelche Militärschläge nachzudenken. Wir müssen allerdings immer davon ausgehen, und das muss der Iran auch wissen, dass es fest entschlossene Kräfte in USA und Israel gibt, die, wenn Iran wirklich auf Dauer die Dinge nicht so regelt, wie es der Westen will, nämlich auf ein atomfähiges Uran zu verzichten, dass dann auch diese Dinge, wenn auch nicht abgestimmt mit der UNO, nicht ausgeschlossen werden können."
Deutschlandfunk: "Das Problem wird vermutlich wieder sein Moskau und Peking"
Friedrich geht davon aus, dass die Europäer bereit sind, eine "nächste Schraubendrehung der Sanktionen" nicht nur mitzuziehen, sondern diese auch zu begrüßen. Der CSU-Politiker bestätigte die Aussage des Moderators des Deutschlandfunk, der sagte, das Problem werde vermutlich wieder Moskau und Peking sein. Das sei, so Friedrich tatsächlich "ein Geduldspiel, aber es ist besser, mit Peking und mit Moskau gemeinsam Sanktionen zu vereinbaren, die nicht ganz so drastisch sind, als zu versuchen, ohne Moskau und Peking sozusagen Sanktionen durchzusetzen, die vielleicht dramatischer klingen, aber faktisch weniger wirksam sind, weil eben diese beiden Partner, mit denen man auskommen und leben muss, weil diese beiden Partner dann nicht dabei wären. Also sie müssen mit ins Boot genommen werden, so schwer es seitens des Westens uns fällt."