"Die Berliner werden an diesem Tag sehen und spüren, wie die medizinische Versorgung nach dem In-Kraft-Treten der Gesundheitsreform aussehen wird", sagte Burkhard Bratzke, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin, am Freitag auf einer Pressekonferenz zum bundesweiten Aktionstag. "Die Praxis um die Ecke wird es nicht mehr geben, die freie Arztwahl wird eingeschränkt", so Bratzke. Die Folge seien Wartelisten, weniger Leistungen und lange Anfahrtswege. Bratzke: "Die Auswirkungen werden vor allem Patienten in sozial schwachen Gebieten spüren, wo der medizinische Bedarf am größten ist."
Unter dem Motto "Patient in Not - diese Reform schadet allen" wollten am Montag auch in anderen deutschen Städten Ärzte, Krankenhäuser, Arzthelferinnen, Apotheker, Psychotherapeuten und Zahnärzte auf die fatalen Folgen des so genannten Wettbewerbs-Stärkungsgesetzes aufmerksam machen. In der Hauptstadt hat das Bündnis Berliner Kassenärzte – ein Zusammenschluss der haus- und fachärztlichen Berufsverbände und Medi Berlin – dazu aufgerufen, am Aktionstag die Praxen zu schließen. Auch andere Gesundheitsberufe planen Protestaktionen.
Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin unterstützt ausdrücklich die Aktionen der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten. "Diese Gesundheitsreform gefährdet die Existenz vieler Arztpraxen und bedeutet eine massive Verschlechterung der Patientenversorgung", so Bratzke. Das bisherige System der ambulanten Versorgung werde zerschlagen und die bestehende chronische Unterfinanzierung von mehr als 30 Prozent weiter verschärft.
Bei der finanziellen Ausstattung der ambulanten Medizin solle künftig auch die Wirtschaftskraft einer Region eine Rolle spielen. Außerdem müssten Ärzte in überversorgten Regionen wie Berlin Honorarabschläge hinnehmen, um die Versorgung in unterversorgten Gebieten wie der Prignitz zu verbessern. Bratzke: "Damit gehen der Stadt Berlin, wo die Menschen aufgrund der sozialen Struktur und der hohen Arbeitslosigkeit kränker sind als in anderen Regionen, weitere Gelder für die Medizin verloren." Etliche Ärzte würden weniger Sprechstunden anbieten und schließlich ganz schließen müssen. "Welcher junge Arzt wird dann noch bereit und wirtschaftlich in der Lage sein, eine Praxis in Neukölln oder Kreuzberg zu übernehmen?", fragt Bratzke. Berlin sei bereits jetzt Schlusslicht bei der finanziellen Ausstattung der ambulanten Medizin.
Neben einem reduzierten Leistungsangebot müssten sich die Patienten auch auf eine eingeschränkte freie Arztwahl einstellen. "Wie vor 50 Jahren werden Patienten sich dann vor einer Behandlung erkundigen müssen, ob ihr Arzt oder Psychotherapeut einen Vertrag mit ihrer Krankenkasse hat", so Bratzke. Damit werde letztendlich die flächendeckende Versorgung der Patienten – ein Qualitätsmerkmal des deutschen Gesundheitswesens – zerstört. "Noch organisieren und sichern die Kassenärztlichen Vereinigungen die ambulante Versorgung. Von zukünftigen neuen Vertragsmöglichkeiten sollen sie jedoch ausgeschlossen werden."