Die deutsch-kasachischen Handelsbeziehungen entwickeln sich nach Angaben des Auswärtigen Amtes seit mehreren Jahren sehr dynamisch und weisen jährliche Wachstumsraten von über 10 Prozent auf. Damit lasse Kasachstan alle anderen Länder Zentralasiens weit hinter sich. Zu Ende des laufenden Jahres werde das Handelsvolumen voraussichtlich die Marke von 4 Milliarden Euro erreicht haben. Dabei enfielen etwas ein Drittel auf deutsche Exporte nach Kasachstan und zwei Drittel auf Importe aus Kasachstan. Deutschland importiere aus dem Land vor allem Erdöl. "Deutschland zählt damit zu den drei wichtigsten Handelspartnern Kasachstans", so das Auswärtige Amt.
Getragen werde das enorme Wachstum Kasachstans hauptsächlich durch den Öl- und Rohstoffsektor. Der Rohstoffreichtum des Landes ist kaum zu überbieten: "Fast alle Elemente des Periodensystems sind in Kasachstans Erde vorhanden." Die "dynamische Erschließung des Öl- und Gassektors" ziehe unvermindert ausländische Direktinvestitionen ins Land. Kasachstan ist den Angaben zufolge mit knapp 62 Millionen Tonnen Ölförderung im Jahr 2005 der zweitgrößte Ölproduzent in der GUS nach Russland. Die Zielstellung seien 150-170 Millionen Tonnen Jahresproduktion bis 2015.
Die wichtigsten Ausfuhrgüter sind laut Auswärtigem Amt Öl- und Gaskondensat, Eisenmetalle, Kohle, Kupfererzeugnisse, anorganische Chemikalien und Weizen. Die wichtigsten Einfuhrgüter seien Maschinenbauerzeugnisse, verarbeitete Ölprodukte, Naturgas, Elektrotechnik, Zucker, Fahrzeuge (hauptsächlich aus Deutschland und Japan (Pkw) und aus Russland (LKW)), Möbel, Mineralien, chemische Produkte, Plastikwaren, Textilien, Metallwaren und Gummiwaren.
Auswärtiges Amt: Die Privatisierung wichtiger Bereiche lässt noch auf sich warten
Kasachstan sei es gelungen, nach der Unabhängigkeit unter anderem durch Schaffung eines soliden Währungs- und Finanzsystems sowie "die Einbeziehung ausländischer Unternehmen beim Auf- und Ausbau seiner reichen Bodenschätze (Öl, Metalle)" die Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft relativ schmerzfrei zu vollziehen. "Die Privatisierung bzw. Entmonopolisierung wichtiger Bereiche lässt noch auf sich warten", kritisiert hingegen die deutsche Bundesregierung. Die im Frühjahr 2006 gegründete Staatsholding "Samruk", der die Staatsbetriebe Bahn, Post, Öl und Gas, Telekommunikation und Hochspannungsnetz angehörten, verstehe sich immerhin "als Schritt in diese Richtung".
Aus der Sicht westlicher Marktstrategen soll eine Diversifizierung sowohl "der durch Schürfrechte Begünstigter" als auch der Exportwege Abhängigkeiten von einzelnen großen Staaten verringern. Zu den strategisch wichtigen Exportwegen zählen vor allem Pipelines wie die Ende 2001 fertig gestellte Erdölpipeline "CPC" vom Tengis-Feld zum Schwarzen Meer sowie die im Frühjahr 2005 fertig gestellte weitere Pipeline Baku-Tiflis-Ceyhan/Türkei –"BTC".
Gefährliche Konkurrenz zu China und Indien
Der Westen steht mit seinen Begehrlichkeiten in Zentralasien allerdings nicht allein da. Ebenso wie bei der "Jagd auf Rohstoffe in Afrika" (Bundespräsident Horst Köhler) steht der Westen auch in Zentralasien in einer auch militärisch gefährlichen Konkurrenz sowohl untereinander als auch mit China und Indien: "Auch China und Indien haben die Erdölquellen dieser Region verstärkt ins Visier genommen", schreibt das Auswärtige Amt. "China will aus Kasachstan einen Teil seines rapide anwachsenden Energiebedarfs decken; der Bau einer Pipeline von Atasu in Zentralkasachstan in die chinesische Westprovinz Xinjiang wurde Ende 2005 abgeschlossen."
Die deutsche Wirtschaft ist vor diesem Hintergrund in Kasachstan in höchstem Maße aktiv. Der Deutsche Wirtschaftsklub in Kasachstan mit zurzeit rund 75 Mitgliedern veranstaltet jedes Jahr im September einen "Tag der Deutschen Wirtschaft". Parallel dazu finden in der Regel von der Repräsentanz der deutschen Wirtschaft organisierte Kooperations- und Kontaktbörsen statt. Das Motto des 8. Tages der deutschen Wirtschaft am 13. und 14. September 2006 lautete: "Energiewirtschaftliche Entwicklungen in Kasachstan und Deutschland - Chancen für eine vertiefte Zusammenarbeit".
Schon die Sowjetunion nutzte Kasachstan vor allem als Rohstofflieferant und als Standort für Betätigungen, die man auf russischem Gebiet nicht unbedingt haben wollte. Das Land hat daher mit erheblichen Umweltproblemen zu kämpfen. "Kasachstan kam unter der sozialistischen Arbeitsteilung die Versorgung der Sowjetunion mit Rohstoffen und Vorprodukten zu. Die Wirtschaft konzentrierte sich überwiegend auf Rohstoffförderung, -verarbeitung sowie Schwerindustrie", schreibt das Auswärtige Amt. "Des Weiteren war das Land ein zentraler Standort für nukleare und biologische Waffentests. Als besonders belastet sind die Aralseeregion sowie das ehemalige Atomwaffentestgelände bei Semipalatinsk zu nennen."
Kasachstan wird auch die Atomkraftwerks-betreibenden Staaten immer wichtiger. Das Land verfügt über die zweitgrößte Menge der weltweit bekannten Uranvorräte. Nur Australien verfügt über größere Uranvorräte. Weit hinter Kasachstan rangieren Kanada, Südafrika, die USA, Russland, Namibia, Niger, Brasilien, Usbekistan und die Ukraine. Auch beim Uran steht Deutschland in zunehmend harter Konkurrenz zu anderen westlichen Ländern sowie zu Russland, China und Indien.
Schon heute ist Kasachstan der weltweit drittgrößte Uranproduzent. Die "Deutsche Allgemeine Zeitung", eine deutsch-russische Wochenzeitung in Zentralasien hob die Bedeutung des Uranbergbaus hervor: "Viel wichtiger für den Rohstoffexport ist, dass Kasachstan über zwei Rohstoffe verfügt, die sich in der derzeitigen weltwirtschaftlichen und geopolitischen Situation steigender Nachfrage erfreuen: Öl und Uran. Die Preise an den internationalen Rohstoffmärkten für Öl und Uran haben in jüngster Vergangenheit Höchststande erreicht."
Im Zuge der Ausbeutung der Energierohstoffe hat die deutsche Wirtschaft auch ein starkes Interesse daran, im Bereich des Infrastrukturausbaus in Kasachstan ins Geschäft zu kommen. Neben Energiemanagern besteht die Wirtschaftsdelegation um Außenminister Steinmeier daher auch aus solchen aus dem "Infrastrukturbereich". Das Auswärtige Amt bemängelt in Kasachstan denn auch eine "zum Teil überalterte beziehungsweise in ihrer Kapazität nicht ausreichende Infrastruktur". Für deutsche Firmen sieht die deutsche Bundesregierung daher auch Geschäftsmöglichkeiten im Bereich der Leitungsnetze, des Straßenbaus, der Flughäfen, der Eisenbahn, des kommunaler Verkehrs und der Telekommunikation.
Lob für Kasachstans Bekenntnis zur Marktwirtschaft - Unterstützung für OSZE-Vorsitz
Die deutsche Bundesregierung lobt Kasachstan nicht zuletzt auch wegen eines klaren Bekenntnisses zur Marktwirtschaft. Kasachstan strebe für 2007 den Beitritt zur WTO. Deswegen unterstützt Deutschland auch - gegen Bedenken Großbritanniens und der USA - das kasachische Bestreben, den OSZE-Vorsitz im Jahr 2009 zu übernehmen, "weist aber gleichzeitig auf die Notwendigkeit nachdrücklich fortgesetzter Reform- und Modernisierungspolitik hin".
Während ihrer EU-Ratspräsidentschaft in der ersten Jahreshälfte 2007 möchte die deutsche Bundesregierung "auch der an Bedeutung gewinnenden Region Zentralasiens erhöhte Aufmerksamkeit zukommen" lassen. Steinmeier besucht deshalb in Abstimmung mit der derzeitigen finnischen Ratspräsidentschaft und der Europäischen Kommission - als erster deutscher Außenminister überhaupt - alle fünf Staaten Zentralasiens. Die "Eindrücke" aus der Reise sollen in den laufenden europäischen Diskussionsprozess über die Perspektiven einer "verstärkten Kooperation der EU mit den Staaten Zentralasiens" einfließen.
Außenminister Steinmeier traf in Kasachstan neben Regierungsvertretern auch mit Oppositionspolitikern und Vertretern der deutschstämmigen Minderheit in Kasachstan zusammen, die heute noch etwa 220.000 Personen umfasst. Diese seien – so Steinmeier - eine wahrhafte "Brücke zwischen Deutschland und Kasachstan."
Beim deutsch-kasachischen Wirtschaftsforum in Astana zeigte sich Bundesminister Steinmeier vom dynamischen Wirtschaftswachstum Kasachstans angetan. Er hob die erklärte Absicht Kasachstans hervor, neben der "Rohstoffausbeutung" auch nachgelagerte Prozesse und Industrien zu fördern. Hieraus ergäben sich für die deutsche Industrie gute Anknüpfungspunkte für eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen Zentralasien und der EU im Technologiebereich. Die Industrie erwarte in Kasachstan allerdings "verlässliche rechtsstaatliche Rahmenbedingungen".