Oktober 2006
Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.
Dresdner Bank bringt Russland Public Private Partnership
Im Beisein der deutschen Bundeskanzlerin und des russischen Präsidenten unterzeichnete die zum Versicherungsriesen Allianz gehörende Dresdner Bank AG am Dienstag ein Kooperationsabkommen mit der russischen Außenwirtschaftsbank (Vnesheconombank – VEB). Die vom Vorstandsvorsitzenden der Dresdner Bank, Herbert Walter, und dem Chairman der Vnesheconombank, Vladimir Dmitriev, unterzeichneten Verträge sehen nach Angaben der deutschen Großbank eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen den beiden Banken vor. Die Kooperation umfasse die Finanzierung des Warenhandels sowie "die Beratung und Strukturierung von Transaktionen in den Bereichen Public Private Partnership (PPP) und Public Finance Initiative (PFI)". Zudem sei eine enge Zusammenarbeit bei "Kapitalmarktprodukten" vereinbart worden. Darüber hinaus sei der Austausch von Beratungsleistungen vorgesehen.
Kabinett einigt sich über Einsatz der Bundeswehr im Innern
Der Streit zwischen Union und SPD über den Einsatz der Bundeswehr im Innern ist nach Aussagen von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) beigelegt. So enthalte das neue Weißbuch, der Leitfaden für die zukünftige Aufgabe und Entwicklung der Bundeswehr, auch die Option, die Bundeswehr im Inland einzusetzen. Dies war bislang einer der größten Streitpunkte zwischen den Koalitionsparteien. Das Weißbuch sei aber mittlerweile in der Regierung abgestimmt und werde im Oktober oder November vom Bundeskabinett beschlossen, erklärte der Minister in der "Rheinischen Post".
Verbotene Geschäfte in der Arztpraxis
Nach Darstellung des ZDF-Wirtschaftsmagazins WISO vertreiben "immer mehr" Ärzte so genannte Nahrungsergänzungsmittel in ihren Praxen und kassieren dafür Provisionen von den Herstellern. Damit verstießen diese Ärzte gegen die ärztliche Berufsordnung. "Das sind keine Einzelfälle. Das Problem hat eine weitaus größere Tragweite, als wir bisher angenommen haben", so Anne-Katrin Wiesemann von der Verbraucherzentrale Sachsen. Ärzte mißbrauchten damit das Vertrauen ihrer Patienten.
Bundesverfassungsgericht rügt willkürliche Durchsuchungen
Das Bundesverfassungsgericht hat Polizei und Justiz in ungewöhnlich scharfer Form zur Beachtung der Verhältnismäßigkeit bei Durchsuchungen aufgefordert. In drei am Dienstag veröffentlichten Entscheidungen hoben die Karlsruher Richter teilweise willkürliche Durchsuchungsbeschlüsse auf und erklärten sie nachträglich für verfassungswidrig.
Merkel spricht von Energieeffizienz und Wettbewerb
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach dem Energiegipfel im Kanzleramt die Verbesserung der Energieeffizienz als Ziel vorgegeben. Zudem forderte sie "mehr Wettbewerb" im Energiesektor und eine Weiterführung des Kyoto-Protokolls über 2012 hinaus. Sie hob hervor, dass Deutschland aufgrund seiner modernen Technologien sehr gute Exportchancen aufweise. Dies gelte insbesondere für die Entwicklung erneuerbarer Energien. Laut Bundesregierung herrschte beim Energiegipfel Einigkeit darüber, in die Forschung für einen sparsameren Umgang mit Energie zu intensivieren. Dafür müssten stärkere Anstrengungen unternommen werden, sagte die Kanzlerin. Die Bundesregierung will darüber hinaus die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 für Vorstöße in der Energiepolitik nutzen. Im Zentrum stünden dabei "Fragen der internationalen Energie- und Versorgungssicherheit".
DGB will Arbeitslosen Zuverdienst-Möglichkeiten nehmen
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, hat sich dafür ausgesprochen, die Zuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger drastisch zu reduzieren. "Ich halte es für richtig, die Zuverdienste weitgehend zu kappen", sagte Sommer der "Financial Times Deutschland". Das bisherige System habe zu "Fehlanreizen" geführt." Sommer stimmt damit einem Vorhaben der Koalition zu. CDU/CSU und SPD wollen die bisherige Freigrenze, wonach die ersten 100 Euro Zuverdienst nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden, deutlich senken.
"Chancen und Probleme" des Schutzes von geistigem Eigentum
Am 26. September 2006 veranstaltete die "Deutsche Stiftung Eigentum" im Würth Haus in Berlin einen Kongress über "Chancen und Probleme" des Schutzes von geistigem Eigentum. Nach Auffassung der Stiftung, in deren Kuratorium langjährige Spitzenmanager der deutschen Wirtschaft wie Berthold Leibinger (Trumpf, Deutsche Bank), Hans-Olaf Henkel (BDI), Wolfgang Kaske (Siemens) und Eberhard von Koerber (ABB, Club of Rome, Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft) versammelt sind, ist der Schutz von geistigem Eigentum "ein unverzichtbares Instrument für eine funktionierende Marktwirtschaft". Das Eigentumskonzept dürfe in Zeiten der Globalisierung "nicht aufgeweicht" werden.
Pro Asyl erinnert an Flüchtlingsdrama in Ceuta und Melilla
In diesen Tagen jährt sich das Flüchtlingsdrama in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla. Nach Auffassung der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat "die militärische Grenzabschottung der Europäischen Union Anfang Oktober 2005 in Ceuta und Melilla der Öffentlichkeit ihre Brutalität und Menschenverachtung drastisch vor Augen geführt". Bei ihrem Versuch in die spanischen Exklaven einzureisen seien hunderte afrikanische Flüchtlinge und Migranten verletzt worden. Nach offiziellen Angaben seien 11 Menschen durch Schüsse marokkanischer und spanischer Grenzbeamter ums Leben gekommen. Andere Flüchtlinge seien aufgrund der Verletzungen, die sie sich bei dem Versuch, über den Zaun zu klettern, zugezogen hatten, gestorben. Pro Asyl kritisiert, dass die europäischen Staaten "ihre menschenverachtende Flüchtlingsabwehr" noch immer fortsetzen würden.
"Umstrittene Abfindung eines Adelshauses"
Nach heftiger Kritik aus dem In- und Ausland modifiziert die baden-württembergische Landesregierung möglicherweise ihren Plan, wertvolle Handschriften der Badischen Landesbibliothek zu verkaufen. Das Land hat mit dem Markgrafenhaus Baden einen Vergleich über strittige Eigentumsverhältnisse an Kulturgütern geschlossen, wonach für den Erhalt und die Sanierung von Schloss Salem 70 Millionen Euro vorgesehen sind. Bislang wollte die Regierung die Summe über den Verkauf von Handschriften erbringen, was in der Fachwelt einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hatte. Der Deutsche Kulturrat kritisiert nach wie vor, dass "hauptsächlich die Kultur in Baden-Würtemberg das Haus Baden sanieren soll".
Bundesfinanzministerium fürchtet Urteil des Europäischen Gerichtshofs
Ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gefährdet nach Darstellung des Bundesfinanzministeriums "massiv" die deutsche Haushaltskonsolidierung. Das deutsche Ministerium beklagt sich über die von der österreichischen Generalanwältin Stix-Hackl vorgelegten so genannten Schlussanträge, der Vorstufe vor dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache "Meilicke". Würden sich die Richter des Gerichtshofs die Rechtsauffassung der Generalanwältin zu Eigen machen, dann müsste Deutschland laut Finanzministerium mit einer Haushaltsbelastung von "maximal etwa 5 Milliarden Euro in 2006 und 2007" rechnen. Es geht um Steuergutschriften für Dividenden, von denen Anleger nachträglich profitieren könnten, falls Stix-Hackl sich durchsetzt.
Merkel soll in der Türkei "kompromisslos" die Anerkennung Zyperns verlangern
Bei ihrem zweitägigen Antrittsbesuch in der Türkei sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan unter anderem über die Integration der türkischstämmigen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Deutschland und über den Beitritt der Türkei in die Europäische Union. So "kompromisslos" wie die deutsche Bundeskanzlerin für die EU-Forderung nach einer faktischen Anerkennung Zyperns durch die Türkei eintrete, so unnachgiebig habe sich Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in dieser Frage gezeigt, schreibt die türkische Zeitung "Milliyet". Merkel sagte am Donnerstag nach einer ersten Begegnung mit Erdogan in Ankara auf der gemeinsamen Pressekonferenz, ohne den freien Zugang für Flugzeuge und Schiffe des EU-Mitglieds Südzypern zur Türkei könne es in den Verhandlungen keine Fortschritte geben. Erdogan wies die Forderung als einseitig und ungerecht zurück. Er erwiderte, das Ankara-Protokoll sei keine einseitige Angelegenheit, die nur die Türkei erfüllen müsse. Ganz besonders die Isolation Nordzyperns müsse beendet werden. Bevor dies nicht geschehen sei, könnten an die Türkei keine Forderungen herangetragen werden. Das wäre nicht gerecht, so Erdogan.
"Wir sind auf dem Weg zu einer Europäischen Armee"
Mit 30 Ja-Stimmen und 9 Nein-Stimmen nahm der Auswärtige Ausschuss des Europäischen Parlaments am 5. Oktober einen Bericht des deutschen Abgeordneten Karl von Wogau (CDU/Europäische Volkspartei) an, der eine "robustere" Außen- und Sicherheitspolitik vorsieht. Etwas deutlicher formuliert es von Wogau auf der Website der Europäischen Volkspartei: "Wir sind auf dem Weg zu einer Europäischen Armee". In dem Bericht sprechen sich die Europaabgeordneten dafür aus, die "zunehmende weltweite Konkurrenz um Wasser und Energiequellen" ebenso in die künftige Entwicklung der Außen- und Sicherheitspolitik einzubeziehen wie Naturkatastrophen und die "Sicherheit der Außengrenzen der EU". Gefordert wird, die Gelder innerhalb der EU für Militärausgaben und Rüstungsforschung erheblich zu erhöhen.
Tiefensee will Geld für neue Binnenwasserstraßen ausgeben
Anlässlich des Internationalen Binnenschifffahrtstages in Würzburg betonte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee die Bedeutung dieses Verkehrsträgers. Deutschland verfüge über das längste Wasserstraßenetz in Europa. In keinem anderen Land gebe es mehr öffentliche und private Binnenhäfen. In diesem Bereich seien rund 400.000 Menschen beschäftigt. "Binnenschifffahrt und Binnenhäfen sind damit ein unverzichtbarer Baustein der Logistikwirtschaft in Deutschland", so Tiefensee. Kein anderer Verkehrsträger sei so sicher, verbrauche beim Transport so wenig Energie und sei so umweltfreundlich wie das Binnenschiff. So könne ein großes Rheincontainerschiff rund 500 TEU transportieren. Dies entspreche der Ladungsmenge von sechs Güterzügen. Die Bundesregierung will jetzt viel Geld für neue Wasserstraßen ausgeben.
Wahlcomputer vor laufender Kamera geknackt
Die niederländische Kampagne "Wir vertrauen Wahlcomputern nicht" hat nach einem Fernsehbericht vor laufender Kamera einen Wahlcomputer geknackt. Das Modell kommt ähnlich auch in Deutschland zum Einsatz, etwa bei den Bundestagswahlen vor einem Jahr. Der Chaos Computer Club (CCC) forderte daraufhin ein vollständiges Verbot von Wahlcomputern für Bundes-, Landtags- und Kommunalwahlen. Zusammen mit der niederländischen Initiative hatte der CCC die Wahlcomputer auf Schwachstellen untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchung publizierten die Niederländer am Donnerstag. Sie zeigen nach Ansicht der Hacker vom CCC "eine grundsätzliche Nichteignung von Computersystemen für Wahlen".
Machtkampf in der EU-Kommission
In der EU-Kommission haben nach Ansicht des deutschen Vizepräsidenten Günter Verheugen hohe Beamte zu viel Kompetenzen an sich gerissen. "Es gibt einen ständigen Machtkampf zwischen Kommissaren und hohen Beamten", sagte Verheugen der "Süddeutschen Zeitung". Die Spitze der Brüsseler Behörde müsse "höllisch aufpassen", dass die Beamten, die ohne demokratische Legitimation seien, nicht wichtige Fragen unter sich ausmachten, sagte er. Es komme vor, dass Beamte gegenüber den Mitgliedsstaaten oder dem EU-Parlament ihre persönliche Sichtweise als Haltung der Kommission darstellten.
Monatlich acht Euro Zusatzbeitrag pauschal für alle
Nach monatelangem Tauziehen haben sich die Spitzen der großen Koalition auf eine "Gesundheitsreform" geeinigt. Demnach sollen die Kassen künftig "Zusatzbeiträge" von einem Prozent des Einkommens der Versicherten erheben dürfen. Bei Personen mit Einkünften unter 800 Euro soll die Ein-Prozent-Grenze überschritten werden dürfen: "Allerdings können monatlich bis zu acht Euro Zusatzbeitrag erhoben werden, pauschal für alle Versicherten ohne Einkommensprüfung", teilte die Bundesregierung mit. Der Start des Gesundheitsfonds wurde nach rund siebenstündigen Verhandlungen unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf 2009 verschoben. Einkommensunterschiede der Versicherten sollen zwischen den Kassen laut Merkel in Zukunft zu 100 Prozent statt wie bislang zu 92 Prozent ausgeglichen werden. Ein Ausgleich erfolgt laut Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) zudem anhand der Kosten für 50 besonders schwere Krankheiten der Versicherten.
Klage gegen Flugrouten über Chemiewerk Ticona
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel berät seit Donnerstag über eine Klage des in Nachbarschaft zum Frankfurter Flughafen gelegenen Chemieunternehmens Ticona gegen die bisherigen Abflugrouten. Diese führen in nordwestlicher Richtung teils direkt, teils in geringem seitlichen Abstand über das Werk, in dem hochgiftige Stoffe verarbeitet werden.
"Nicht fragen, was nicht geht, sondern fragen, was geht"
Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstrich am Tag der deutschen Einheit 2006 am Dienstag in Kiel "die Errungenschaften der Wiedervereinigung" und sprach zugleich von "weiteren Herausforderungen" für das geeinte Deutschland. An die Bürgerinnen und Bürger gewandt forderte sie: "Nicht fragen, was nicht geht, sondern fragen, was geht." Sie habe sich begeistert für die repräsentative Demokratie. Andererseits kritisierte Merkel, "wie sehr die Macht von Lobby-Gruppen und organisierten Einzelinteressen Einfluss auf fast alle Entscheidungsabläufe nehmen will. Ich erspare Ihnen praktische Beispiele bei der Gesundheits- und Unternehmenssteuerreform", so Merkel.
Ostdeutsche fühlen sich offenbar nicht akzeptiert
Mit der Eröffnung eines Bürgerfestes in Kiel haben am Montag die Feiern zum Tag der Deutschen Einheit begonnen. Bis Dienstagabend werden in der Stadt an der Förde mehrere hunderttausend Gäste erwartet. Unterdessen fühlt sich offenbar auch 16 Jahre nach der Wiedervereinigung die überwiegende Mehrheit der Ostdeutschen noch immer als "Bürger zweiter Klasse". 74 Prozent beantworteten eine entsprechende Frage in einer Umfrage mit "Ja". Nur 26 Prozent der Ostdeutschen fühlen sich demnach als vollwertige Bürger akzeptiert. Politiker bemängelten Versäumnisse im Einigungsprozess. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) stellte den Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit vor.