Das strittige Verfahren betrifft laut Bundesfinanzministerium eine Regelung des bis 2000 geltenden Körperschaftsteueranrechnungsverfahrens. Danach sei der Anspruch auf eine Steuergutschrift für Dividenden ausgeschlossen gewesen, wenn die auszahlende Gesellschaft ihren Sitz nicht im Inland gehabt habe. Deutschland habe dieses Körperschaftsteueranrechnungsverfahren im Jahre 2000 abgeschafft. Aus diesem Grund habe die Bundesregierung die im Streit stehende Regelung nicht mehr verteidigt, sondern - "ebenso wie zahlreiche andere Mitgliedstaaten und auch die EU-Kommission" - beantragt, angesichts der schwerwiegenden finanziellen Auswirkungen einer rückwirkenden Urteilskraft die zeitliche Urteilswirkung zu begrenzen.
Generalanwältin Stix-Hackl schlage dem Gerichtshof nun vor, die Wirkungen des Urteils "gegen allen vorgetragenen Sachverstand" - so das Bundesfinanzministerium - nicht zeitlich zu beschränken. Sie vertrete die Auffassung, für Deutschland seien Haushaltsbelastungen von bis zu 5 Milliarden Euro keine schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen. Und nur diese würden eine zeitliche Begrenzung der Urteilswirkung rechtfertigen.
Die deutsche Bundesregierung findet die "Äußerungen" der Generalanwältin "in keiner Weise nachvollziehbar". Deutschland habe das Anrechnungsverfahren schon vor Jahren aufgehoben. In diesem Verfahren gehe es also nicht darum, Deutschland an seine europarechtlichen Pflichten zu erinnern, sondern um die "Aufarbeitung von Altfällen". Es müsse daher der Grundsatz zum Tragen kommen, dass negative Konsequenzen für die Mitgliedstaaten vermieden werden sollten, "soweit sie nicht zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts geboten erscheinen". Die Bundesregierung befinde sich dabei im Einklang mit der EU-Kommission. Sie habe ein schlüssiges Konzept vorgestellt, das "die legitimen Interessen der Anleger und des deutschen Staates zu einem wohl balancierten Ausgleich bringt".Die Bundesregierung hofft jetzt, dass sich der Europäische Gerichtshof "dieser haltlosen und fundamentale Interessen eines Mitgliedstaates und seiner Bürgerinnen und Bürger verletzenden Rechtsauffassung der Generalanwältin nicht anschließt und dem Petitum der Bundesregierung auf zeitliche Begrenzung der Urteilswirkung nachkommt".