Rund zwei Millionen Wähler hatten vor einem Jahr ihre Bundestags-Stimmen per Wahlcomputer abgegeben. Die Computer zeichnen die Stimmabgabe elektronisch auf und drucken am Ende die Ergebnisse der Parteien und Kandidaten aus. Eine Überprüfungsmöglichkeit, etwa durch Nachzählung von Kontrollausdrucken, gibt es nicht. Der Quelltext der verwendeten Software gilt als Betriebsgeheimnis und lag nur der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) vor, die eine Baumusterprüfung durchführte.
"Die Bauartzulassung der Nedap-Wahlcomputer ist nach den nunmehr vorliegenden Forschungsresultaten hinfällig," sagte der Sprecher des Chaos Computer Clubs, Andy Müller-Maguhn. Das Bundesinnenministerium müsse daher die Zulassung widerrufen. Die Analyse zeigt nach CCC-Ansicht auf, dass Wahlcomputer keinen effektiven Schutz gegen Stimm-Manipulation bieten und die Software der Wahlcomputer einfach auszutauschen und zu manipulieren ist. Manipulationen an Wahlcomputern könnten praktisch nicht nachgewiesen werden. Auch kompromittierten die Wahlcomputer das Wahlgeheimnis. Sie genüten in keiner Weise den gesetzlichen Vorgaben.
"Die Abwesenheit realer Angriffsszenarien in den Prüfkriterien" des Bauart-Gutachtens lege die Vermutung nahe, dass die PTB und der Hersteller "deutlich zu eng zusammengearbeitet" hätten, erklärte der CCC. Die Details des Gutachtens werden in wichtigen Teilen geheim gehalten. Eine öffentliche Begutachtung der Risiken von Wahlcomputern war somit bisher nicht möglich.
Der Chaos Computer Club wendete sich "auf Grund des hohen Gefahrenpotentials" prinzipiell gegen den Einsatz von Wahlcomputern. "Ein unsicheres und manipulierbares Computersystem mit zahlreichen Angriffspunkten darf nicht Basis des sensibelsten Bereichs unserer Demokratie werden", forderten die Hacker. Ein vorläufiges Wahlergebnis wenige Stunden früher vorliegen zu haben, sei es nicht wert, das von Wahlcomputern ausgehende Risiko einzugehen.
"Wahlcomputer müssen in Deutschland verboten werden, bevor wir auch hier Zustände wie in den USA oder Mexico bekommen", forderte Müller-Maguhn, CCC-Sprecher und früher Direktor der "Internet-Regierung" ICANN. Die hier verwendeten Computer seien mindestens genauso unsicher und manipulierbar wie die aus den Wahlskandalen in den USA bekannten Systeme. "Mit manipulierten Wahlcomputern kann eine entschlossene Gruppe die Macht ergreifen, ohne nach außen hin die Spielregeln der Demokratie zu verletzen," warnte Müller-Maguhn.
Das "einfache Konzept einer geheimen Wahl ohne gefährliche technische Spielereien" habe sich bewährt. Um weiterhin freie und geheime Wahlen in Deutschland sicherzustellen, müsse daher die Wahl mit Stift und Papier als einzig zugelassenes Wahlsystem gesetzlich verankert werden. Technische Manipulationen könnten nur so prinzipiell ausgeschlossen werden.
"Eine Wahl mit Stift und Papier kann effektiv von normalen Bürgern überprüft werden, wie die DDR-Opposition gezeigt hat, als sie die Wahlfälschung im Mai 1989 aufdeckte", erinnerte Müller-Maguhn an das Ende der SED-Alleinherrschaft. Eine Wahl mit Wahlcomputern könne jedoch nur von einer kleinen Elite von Computer-Forensikexperten überprüft werden. "Doch nicht einmal diese Experten können vollständige Manipulationsfreiheit garantieren", warnte Müller-Maguhn.
Wahlen mit Wahlcomputern sind vom Bürger nicht mehr öffentlich überprüfbar, da alle Vorgänge im Inneren eines undurchschaubaren Computersystems ablaufen. Eine Neuauszählung von Stimmen würde dabei nur das manipulierte Auswertungsprogramm noch einmal ausführen. Fälschungen sind so, im Gegensatz zur traditionellen Papierwahl, nicht mehr erkennbar.
Der Einsatz der Wahlcomputer bei der letzten Bundestagswahl ist bereits Gegenstand eines Wahlprüfungsverfahrens. Das Bundesinnenministerium verteidigte dabei den Einsatz der Wahlcomputer. Die Bauartprüfung ersetze zu Recht die direkte Kontrolle durch die Bürger.
Das Bundesland Sachsen dagegen hat bereits vor drei Jahren den Einsatz von Wahlcomputern wieder verboten.