Die Bundesregierung sieht in der Integration eine politische Schlüsselaufgabe, heißt es in der vom Kabinett verabschiedeten Erklärung weiter. Deutschland sei nicht erst seit der Anwerbung der "Gastarbeiter" Ziel von Zuwanderung. "Unser Land blickt auf eine lange und prägende Migrationstradition mit zahlreichen Beispielen erfolgreicher Integration zurück. Wir sollten diesen historischen Erfahrungsschatz stärker als bisher für einen positiven und pragmatischen Umgang mit Zuwanderung und Integration nutzen."
Heute lebten in Deutschland rund fünfzehn Millionen Menschen, die einen Migrationshintergrund hätten oder als Spätaussiedler zu uns gekommen seien. "Dies ist fast ein Fünftel der Bevölkerung in unserem Land." Der überwiegende Teil dieser Menschen habe längst seinen Platz in unserer Gesellschaft gefunden und sei "voll integriert". Im Jahr 2010 werde möglicherweise in den großen deutschen Städten bereits jeder Zweite unter vierzig Jahren einen Migrationshintergrund haben.
Die Zahl der Neuzuwandernden gehe indes in den letzten Jahren stetig zurück. Im Jahr 2005 seien rund 110.000 Menschen aus Nicht-EU-Staaten aus Gründen des Familiennachzugs, als Spätaussiedler, jüdische Zuwanderer oder als Arbeitsmigranten mit der Perspektive auf Daueraufenthalt nach Deutschland gekommen. "In den Jahren 2002 bis 2004 lag die Zahl der Neuzuwandernden noch um 20.000 bis 80.000 pro Jahr höher."
"Hinter den Begriffen Migration und Integration verbergen sich sehr unterschiedliche Lebenswirklichkeiten." Es mache einen Unterschied, ob Männer oder Frauen, freiwillig oder unfreiwillig, als deutschstämmige Aussiedler oder als Angehörige anderer Nationen, aus einem verwandten oder sehr fernen Kulturkreis, alleine oder mit ihrer ganzen Familie zu uns kommen.
"Familie kann einerseits Integrationsmotor, andererseits aber auch Integrationsbremse für den Zugang zur Aufnahmegesellschaft sein", heißt es in der Erklärung der Bundesregierung. "Wenn sich Zugewanderte in kulturell geschlossenen Systemen bewegen, in denen sie die deutsche Sprache nicht brauchen, können sich Spracherwerb und Überwindung der Fremdheit verzögern." Integrationspolitik müsse daher verstärkt die ganze Familie in den Blick nehmen.
"Zuwanderung der Besten"
Angesichts des demographischen Wandels und des wachsenden "weltweiten Wettbewerbs um die besten Köpfe" müssten wir auch zukünftig Zuwanderung "gezielt für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen Deutschlands nutzen". Auch dafür sei eine nachhaltige Integrationspolitik dringend erforderlich.
"Zuwandernde haben wesentlich zur wirtschaftlichen Kraft und kulturellen Vielfalt Deutschlands beigetragen." Dazu zählten auch rund 300.000 Unternehmer, die eine Million Arbeitsplätze geschaffen hätten.
Die Zuwanderung, insbesondere der "Gastarbeiter" in den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts, sei dadurch gekennzeichnet, dass in erster Linie Menschen mit einem geringem Bildungsgrad nach Deutschland kämen, die überwiegend einfache Tätigkeiten ausübten. Viele Migrantinnen und Migranten seien in der Zwischenzeit zu "Aufsteigern" in unserer Gesellschaft geworden. Andere seien "vom Wandel am Arbeitsmarkt betroffen", der mehr und mehr qualifizierte Arbeitskräfte verlange. Dem müsse neben der Integrations- auch die Zuwanderungspolitik gerecht werden: "Zuwanderung der Besten und jedenfalls derjenigen, die für ihren Unterhalt sorgen können."
Integrationsdefizite in der 2. und 3. Generation "In der jüngsten Zeit müssen wir aber feststellen, dass gerade bei der zweiten und dritten Generation deutliche Integrationsdefizite bestehen", schreibt die Bundesregierung. Zu nennen seien in erster Linie die mangelnde Beherrschung der deutschen Sprache, Schwächen in Bildung und Ausbildung, eine höhere Arbeitslosigkeit und "die fehlende Akzeptanz von Grundregeln unseres Zusammenlebens" bis hin zur Verletzung von Gesetzen, nicht zuletzt von Frauenrechten. Für die Zukunft der Menschen in unserem Land werde es von entscheidender Bedeutung sein, dass alle bereit und willens seien, "diese Defizite zu beheben".
Wir müssten verhindern, dass eine "verlorene Generation" entstehe. "Integrationsdefizite bergen die Gefahr, dass aus einem Miteinander ein Nebeneinander und im schlimmsten Fall sogar ein Gegeneinander wird." Voraussetzung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in einem weltoffenen Land, in dem Menschen unterschiedlichster Herkunft "friedlich und rechtstreu miteinander und in gegenseitiger Achtung leben", sei Integration.
"Menschen, die rechtmäßig bei uns leben, ehrlich willkommen heißen"
"Erfolgreiche Integration bedeutet Identifikation, Teilhabe und Verantwortung." Dafür seien Anstrengungen seitens des Staates, der bürgerschaftlichen Gesellschaft und der Migranten und Migrantinnen selbst notwendig. Maßgebend sei zum einen die Bereitschaft der Zuwandernden, "sich auf ein Leben in unserer Gesellschaft einzulassen, unser Grundgesetz und unsere gesamte Rechtsordnung vorbehaltlos zu akzeptieren und insbesondere durch das Erlernen der deutschen Sprache ein sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zu Deutschland zu setzen". Dies erfordere Eigeninitiative, Fleiß und Eigenverantwortung.
"Auf Seiten der Aufnahmegesellschaft benötigen wir dafür Akzeptanz, Toleranz, zivilgesellschaftliches Engagement und die Bereitschaft, Menschen, die rechtmäßig bei uns leben, ehrlich willkommen zu heißen." Es gelte, ein gemeinsames Verständnis von Integration zu entwickeln, das wechselseitige Pflichten und Rechte begründe: für Migrantinnen und Migranten wie für die heimische Bevölkerung. Wer Forderungen stelle, müsse auch fördern. Wer Rechte beanspruche, müsse auch Pflichten erfüllen.
Grundlage sei neben unseren Wertvorstellungen und unserem kulturellen Selbstverständnis unsere freiheitliche und demokratische Ordnung, wie sie sich aus der deutschen und europäischen Geschichte entwickelt habe und im Grundgesetz ihre verfassungsrechtliche Ausprägung finde.
Integrationsbereitschaft einfordern Mit dem Aufenthaltsgesetz sei ein erster wichtiger Schritt hin zur systematischen Integrationsförderung von "rechtmäßig" auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Migrantinnen und Migranten getan worden. Die Bundesregierung habe sich zu ihrer Verantwortung für die Sprachförderung der Zugewanderten und deren Orientierung über Recht, Kultur, Geschichte und das Staatswesen Deutschlands bekannt. "Indem wir Menschen, die neu zu uns kommen, ein bestimmtes Maß an Integrationsbemühungen abverlangen, befördern wir auch Akzeptanz für Migration in der Aufnahmegesellschaft."
"Hieran wollen wir anknüpfen und Maßnahmen auf allen Ebenen von Staat und Gesellschaft zusammenführen und bündeln." Die Bundeskanzlerin habe deshalb erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu einem Integrationsgipfel eingeladen, an dem Migrantinnen und Migranten sowie Vertreter aller politischen Ebenen und gesellschaftlichen Gruppen teilnehmen. Der Gipfel sei Auftakt zu einem "fortlaufenden Dialog", als dessen Abschluss ein "Nationaler Integrationsplan" mit klaren Zielen, konkreten Maßnahmen und Selbstverpflichtungen als Grundlage einer nachhaltigen Integrationspolitik erarbeitet werden solle.
Die Bundesregierung will auf sechs Handlungsfeldern Fortschritte erzielen, um die Integration zu verbessern: "Integrationskurse weiterentwickeln, von Anfang an deutsche Sprache fördern, gute Bildung und Ausbildung sichern, Arbeitsmarktchancen erhöhen, Lebenssituation von Frauen und Mädchen verbessern, Gleichberechtigung verwirklichen, Integration vor Ort unterstützen, Bürgergesellschaft stärken".