Das Bundeskabinett hat sich laut Steinbrück auf fünf Eckpunkte verständigt. Erstens würden die bisherige Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer durch eine föderale und eine kommunale Unternehmenssteuer ersetzt. Beide Steuern bekämen darüber hinaus eine gemeinsame, einheitliche Bemessungsgrundlage.
Zweitens werde die nominale steuerliche Gesamtbelastung der Körperschaften von heute etwa 38,65 Prozent auf knapp unter 30 Prozent gesenkt. Neben den Körperschaften würden auch die der Einkommenssteuer unterliegenden Personenunternehmen von der Reform profitieren. Es werde geprüft, ob dies am besten durch eine Investitionsrücklage oder durch eine generelle Begünstigung des im Unternehmen einbehaltenen Gewinns geschehen kann.
Drittens würden werden auch Maßnahmen gegen den Verlust von Steuersubstrat durch Fremdfinanzierung und zur Verstetigung der kommunalen Finanzen geprüft. Viertens solle eine Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge eingeführt werden.
Fünftens solle bei der Erbschaftsteuer die Unternehmensnachfolge erleichtert werden, indem bei Fortführung des Unternehmens eine "steuerliche Privilegierung" gelten solle.
Der Minister verteidigte die Pläne, Kosten wie Zinsen, Mieten oder Pachten ebenso zu besteuern. Die Koalition ist in dieser Frage uneins. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß stützte Steinbrücks Position. Eine Senkung der Steuersätze gehöre zwingend mit der nachhaltigen Sicherung der deutschen Steuerbasis zusammen. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) warnte hingegen vor einer "Gewerbesteuer, die auf eine stärkere Substanzbesteuerung hinausläuft und Firmen in Krisenzeiten belastet".
Solms: Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wird missachtet
Der FDP-Finanzpolitiker Hermann Otto Solms kritisierte, die Koalition habe sich nur auf eine Tarifsenkung für Kapitalgesellschaften einigen können, die durch die Besteuerung von Kostenelementen wie Mieten, Zinsen und Pachten in ihrer Wirkung konterkariert werde. In steuersystematisch vollkommen widersinniger Weise werde dabei das verfassungsrechtlich geschützte Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit missachtet. "Das ist für den Mittelstand in Deutschland mit seiner niedrigen Eigenkapitalquote existenzbedrohend und wird die Großunternehmen ins Ausland treiben", so Solms.
Die "große Hoffnung auf eine Überwindung der Gewerbesteuer" und Schaffung einer gemeindefreundlichen Ersatzfinanzierung habe sich nicht erfüllt. Damit bleibt es bei einer "einseitigen Belastung" deutscher Gewerbebetriebe im Verhältnis zu den ausländischen Mitbewerbern.
Zudem werde das zentrale Reformziel einer gleichmäßigen Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen nicht erreicht. Die Einführung einer Abgeltungsteuer für Kapitalerträge sei grundsätzlich zu begrüßen.
Höll: Die Kassen der großen Unternehmen, der reichen Erben und der Steuerflüchtlinge wird saniert
Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei.PDS, Dietmar Bartsch, kritisierte die geplante Entlastung für die Unternehmen, während gleichzeitig Sozialschwache, Kranke und Ältere mehr belastet würden. Auch nach Ansicht der Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel zahlen die Bürger die Zeche. Der DGB forderte deshalb, die Reform müsse vollständig gegenfinanziert werden.
Nach Auffassung der steuerpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Barbara Höll, handelt es sich um eine "Steuerpolitik des Sozialraubes": "Nicht der Bundeshaushalt wird saniert, sondern die Kassen der großen Unternehmen, der reichen Erben und der Steuerflüchtlinge." Durch die geplante Nettoentlastung der Unternehmen werde sich die Lage der öffentlichen Haushalte weiter verschärfen. "Die Folge der jährlich bis zu 8 Milliarden Steuergeschenke an die Unternehmen wird ein weiterer rasanter Sozialabbau sein", so Höll.
Die geplante Ausdehnung der Bemessungsgrundlage sei grundsätzlich zu begrüßen. In ihrer Halbherzigkeit, so Barbara Höll, werde sie jedoch durch die Senkung der Unternehmenssteuersätze mehr als konterkariert. Die große Koalition baue steuerpolitisch ab, wo sie aufbauen sollte. Die geplanten Steuerprivilegien bei Vererbungen von Unternehmen seien realitätsfern, "da bisher jeglicher Nachweis fehlt, dass Unternehmen ohne diese Privilegien schließen mussten und dadurch Arbeitsplätze verlustig gingen".
Thumann: Nach Modellrechnungen wird die Steuerbelastung nur auf 32 bis 34 Prozent sinken
"Wird die Steuerbelastung der Unternehmen tatsächlich auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau gesenkt, könnte die Unternehmensteuerreform ein Erfolg werden", sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann. Bisher gebe es bei den Eckpunkten jedoch noch großen Interpretationsspielraum. Wenn es bei den bisher vorliegenden Plänen der Hinzurechnungen bleibe, würden Kosten besteuert.
Die tatsächliche Steuerbelastung wird für viele Unternehmen nach Modellrechnungen nur unzureichend von derzeit 36 Prozent auf 32 bis 34 Prozent sinken, so Thumann. In Investitionsphasen werde die Steuerbelastung sogar steigen. "Gerade Unternehmen, die investieren und dies mit Krediten finanzieren, werden durch die geplante Hinzurechnung von Zinsen zur Kasse gebeten. Das ist ein Paradoxon, denn wir wollen ja gerade mehr Investitionen."
Insbesondere der industrielle Mittelstand würde zum Verlierer der Unternehmensteuerreform. Das seien keine positiven Signale für die mehr als 100.000 Unternehmen der deutschen Industrie mit ihren mehr als 7 Millionen Beschäftigten.
Matecki: Die öffentlichen Haushalte können weitere Einnahmeausfälle nicht verkraften
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert, dass die Unternehmensteuer vollständig gegenfinanziert wird. "Es gibt keinen triftigen Grund, die Unternehmen noch weiter zu entlasten", sagte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki. Die effektive Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland liege schon jetzt unter dem Schnitt der EU-Länder. Allenfalls könnte an eine nominale Absenkung der Körperschaftsteuern gedacht werden. Diese sollte dann aber zum Beispiel durch das Schließen von Steuerschlupflöchern kompensiert werden.
"Angesichts der Lage der öffentlichen Kassen kann unser Land weitere Einnahmeausfälle nicht verkraften", meint Matecki. "Die geplanten Steuergeschenke für die Unternehmen sind um so bedenklicher als gleichzeitig den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in die Tasche gegriffen wird, zum Beispiel durch die Anhebung der Mehrwertsteuer, höhere Krankenversicherungsbeiträge, die Einschränkungen der Pendlerpauschale und die Kindergeldkürzung. Dieses Missverhältnis ist nicht akzeptabel."
Das Vorgehen der Bundesregierung sei um so bedenklicher, als sie offenbar mit unzureichenden Zahlen operiere. "Angeblich sollen die Unternehmen nur um fünf Milliarden Euro entlastet werden. In Wirklichkeit sind es eher mehr als zehn Milliarden." So seien zum Beispiel die geplanten Steuerentlastungen für Personenunternehmen und die Abgeltungsteuer für Kapitalerträge mit einem Höchstsatz von 25 Prozent noch nicht erfasst.