Die Kongo-Mission ist der neunte aktuelle Auslandseinsatz der Bundeswehr. Die deutschen Soldaten werden Teil der multinationalen EU-Einsatztruppe "EUFOR RD CONGO", die wiederum den von Deutschland mitfinanzierten UN-Militäreinsatz MONUC unterstützen soll. Der finanzielle Beitrag Deutschlands für MONUC beläuft sich auf rund 50 Millionen Euro pro Jahr.
Der EU-Einsatz soll von Deutschland aus geführt werden. Dem vom Bundestag beschlossenen Antrag zufolge, ist die multinationale Unterstützungstruppe "autorisiert, alle erforderlichen Maß- nahmen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt zu ergreifen".
Nach Angaben der Bundesregierung soll die Bundeswehr "helfen, Störungen der ersten freien Wahlen seit mehr als vier Jahrzehnten zu verhindern". Die Republik Kongo stehe vor einer entscheidenden politischen Weichenstellung. Die Bevölkerung habe im Dezember letzten Jahres einer neuen Verfassung zugestimmt. "Jetzt sollen im Sommer nach Jahrzehnten kriegerischer Auseinandersetzungen die ersten demokratischen Wahlen seit 45 Jahren durchgeführt werden. Diese sind eine notwendige Bedingung und Grundlage für eine dauerhafte friedliche Erneuerung des Kongo", meint die Bundesregierung.
Die Vereinten Nationen (VN) hätten die Europäische Union daher im Dezember 2005 "gebeten", die derzeit rund 17.000 Soldaten und Polizisten umfassenden UN-Einsatzes MONUC im Umfeld der Wahlen militärisch zu unterstützen.
Einsatzkräfte aus den EU-Mitgliedstaaten sollen nach Angaben der Bundesregierung bereitstehen, um Störungen des Wahlprozesses zu verhindern. Wichtig sei dabei nicht allein die militärische Präsenz der EU als solche, sondern auch deren psychologische Wirkung. Die kongolesische Bevölkerung solle ermutigt werden, sich in einem sicheren Umfeld an den Wahlen zu beteiligen.
Der Schwerpunkt der EU-Operation solle auf Kinshasa gerichtet sein. Die Hauptstadt des Kongo sei als Sitz der Regierungseinrichtungen sowie der staatlichen Rundfunk- und Fernsehsender das politische Zentrum des Landes. In der Hauptstadt seien abgesehen vom Missions-Hauptquartier mit 1.500 Soldaten nur "geringe MONUC-Kräfte" stationiert.
Kolbow: "Der erste Einsatz von Bodentruppen in Afrika nach Somalia"
SPD-Fraktionsvize Walter Kolbow sagte in der Plenardebatte des Deutschen Bundestages, der "erste Einsatz von Bodentruppen in Afrika nach Somalia" sei wie alle Auslandseinsätze gefährlich. Doch gehe es nicht nur um die Stabilität Kongos allein, sondern um ein "Schlüsselland" des ganzen Kontinents.
Klaeden: Kongo muss in ein System eingebunden werden, das auch rohstoffarmen Ländern wie Deutschland die Nutzung ermöglicht
Unions-Außenexperte Eckart von Klaeden (CDU) sowie der CSU-Abgeordnete Hans Raidel verwiesen darauf, dass sich Deutschland einer Bitte der Vereinten Nationen nicht entziehen könne. "Es ist der Weg der Kongolesen selber, den wir hier unterstützen wollen", sagte Klaeden. Die große Beteiligung am Verfassungsreferendum habe gezeigt, dass "die Kongolesen wählen wollen". 17.000 UN-Soldaten seien bereits im Rahmen der MONUC bereits im Land. Die europäische Mission sei nur eine Ergänzung auf Wunsch der Vereinten Nationen, so Klaeden. Kritikern des Einsatzes hielt er vor, dies zu verschweigen.
"Der Einsatz ist erforderlich, damit es auf dem gesamten afrikanischen Kontinent zu Stabilität kommt", so Klaeden. Denn: Deutschland und Europa haben Interessen in Afrika: Interesse an einer guten Regierungsform, an der Einhaltung der Menschenrechte, aber auch an einem Abbau von Rohstoffen, der der eigenen Bevölkerung des Kongos zu gute komme. "Der Rohstoffreichtum des Kongo darf nicht zu einem Fluch für die Bevölkerung werden", forderte der CDU-Politiker.
Kongo und andere rohstoffreiche Ländern müssten in ein faires, internationales System eingebunden werden, das auch rohstoffarmen Ländern wie Deutschland die Nutzung ermögliche.
Wellmann im Tagesspiegel: Kongo ist reich an Bodenschätzen, darunter solche, die für uns von strategischer Bedeutung sind
In einem Beitrag für den "Tagesspiegel" vom 1. Juni 2006 hatte sich der CDU-Abgeordnete Karl-Georg Wellmann ganz ähnlich zum "Sinn des Bundeswehreinsatzes im Kongo" geäußert: "Der Kongo, drittgrößtes afrikanisches Land, ist nach langen Jahren schrecklicher Bürgerkriege instabil, mit Auswirkungen auf die Nachbarstaaten. Es war der südafrikanische Präsident Mbeki, der festgestellt hat, dass ohne eine Stabilisierung des Kongo ganz Afrika nicht zur Ruhe kommt. Europa ist davon schon heute direkt betroffen", so Wellmann. Zu Tausenden versuchten entwurzelte Schwarzafrikaner europäischen Boden zu erreichen.
"Die Demokratische Republik Kongo ist reich an Bodenschätzen, darunter solche, die für uns von strategischer Bedeutung sind", so Wellmann im Tagesspiegel. "Eine geordnete Entwicklung im Kongo ist also auch aus diesem Grund wichtig."
Homburger: Man muss nicht alles übernehmen, nur weil es von den Vereinten Nationen kommt
FDP-Fraktionsvize Birgit Homburger sagte, man müsse nicht alles übernehmen, nur weil es von den Vereinten Nationen komme. Und nur für ein "Signal" sei "der Aufwand zu groß und das Risiko, das mit dem Einsatz für die Soldaten verbunden ist, zu hoch". Homburger verwies auf die "Bewertung des Bundesverteidigungsministeriums zur Anfrage der Vereinten Nationen vom 17. Januar.
Darin sei festgestellt worden: "Deutschland hat kein ausgeprägtes Interesse an einer Operation in der DR Kongo." Und weiter heiße es im Text des Ministeriums: "Ein möglicher EU-Einsatz müsste dabei nicht nur breite politische Unterstützung unter den EU-Mitgliedern finden, sondern auch durch Kräftebereitstellung der wesentlichen europäischen Partner Großbritannien und Frankreich 'abgesichert' sein. Eine prominente deutsche Beteiligung bzw. Lead-Funktion ist nicht in unserem deutschen Interesse. Es wird daher notwendig werden, die Diskussion von einem möglichen Einsatz der deutschen EU-Beteiligung 'wegzuführen'."
Nun stelle Deutschland "sowohl Kampftruppen als auch den Führungsstab", kritisierte Homburger. Die Liberalen machten zudem prinzipielle Einwände gegen die Kongo-Mission geltend. "Vielleicht haben wir uns schon zu sehr daran gewöhnt, in kritischen Situation zum Instrument der Bundeswehr zu greifen", sagte FDP-Außenexperten Werner Hoyer. Der Einsatz von Streitkräften sollte "das allerletzte Mittel" bleiben.
Der SPD-Abgeordnete Rainer Arnold entgegnete, die FDP lehne offenbar "aus populistischen Gründen" das Mandat ab, weil die Zustimmung schon durch die große Koalition sichergestellt sei.
Friedensratschlag: 57 Prozent der Bundesbürger gegen den Kongo-Einsatz
Der Bundesausschuss Friedensratschlag verwies in einer Stellungnahme zur Abstimmung im Bundestag darauf, dass sich nach einer repräsentativen Forsa-Umfrage Ende Mai 57 Prozent der Bundesbürger gegen den Bundeswehr-Einsatz in der Demokratischen Republik Kongo aussprachen. Lediglich 40 Prozent seien dafür. Im Bundestag hätten dagegen 76 Prozent der anwesenden Abgeordneten für den Militäreinsatz gestimmt. "Wir stellen mit Befremden fest, wie weit sich die Mehrheit der Abgeordneten bereits vom Willen der Bevölkerung entfernt hat und wie die große Koalition den verderblichen Weg der Militarisierung der deutschen Außenpolitik unbeirrt fortsetzt", kritisierten Lühr Henken und Peter Strutynski vom Friedensratschlag.
Es sei allerdings auch festzustellen, dass im Bundestag "nie zuvor" ein Bundeswehreinsatz "so kontrovers" diskutiert worden sei wie dieser. Und erfreulicherweise habe die FDP-Fraktion - "sonst wahrlich kein Hort des Pazifismus" - fast einmütig ihre Zweifel am Sinn dieses Kongoeinsatzes zum Ausdruck gebracht.
"Dagegen scheinen die Wortführer von Bündnis 90/Die Grünen noch nicht mitbekommen zu haben, dass sie inzwischen in der Opposition angekommen sind. Immer noch versuchen sie sich als bessere Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums hervorzutun. Einem Großteil der Grünen-Wähler wird das nicht sonderlich gefallen", vermuten Henken und Strutynski.
Die Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo seien nur ein "willkommener Anlass", militärische Instrumente wie die "Battle Groups" der EU "auszuprobieren und die Bevölkerungen der EU-Staaten an die Militarisierung der EU zu gewöhnen". Zur Absicherung der Wahlen würden sie nicht benötigt. Im für die Akzeptanz des Wahlergebnisses zentralen Nervenzentrum Kinshasa sei mit keinen bewaffneten Störern zu rechnen, da es außer der 10.000 bis 15.000 Elitesoldaten starken persönlichen Garde des haushohen Wahlfavoriten und derzeitigen Übergangspräsidenten Joseph Kabila keine bewaffneten Kräfte gebe, die einen Finger für ihre Warlords angesichts dieser Übermacht krümmen würden.
"In Wirklichkeit" gehe es "um die Sicherung von Ressourcen", so Henken und Strutynski. "Kabila, der in seiner kurzen Amtszeit den Ausverkauf kongolesischen Reichtums an Bodenschätzen an transnationale Minengesellschaften zur persönlichen Bereicherung so rasant vorangetrieben hat wie keiner seiner Vorgänger, ist der Mann Frankreichs und der USA und Garant für die Fortsetzung dieser Politik." Deutschland wolle in Zentralafrika Präsenz zeigen, um - wie mit Siemens - bereits vorhandene oder künftige wirtschaftliche Interessen besser vertreten zu können. "Es ist dem CDU-Abgeordneten Eckart von Klaeden zu danken, dass er in der heutigen Debatte auf die Bedeutung des Kongo wegen des 'Rohstoffreichtums' des Landes hingewiesen hat." Von den Wahlen selbst werde "leider kein Impuls für die so wünschenswerte Prosperität der bitterarmen kongolesischen Bevölkerung" ausgehen.
Nach Auffassung des Friedensratschlags ist der Kongoeinsatz "überflüssig, was die offiziell vorgegebenen Gründe betrifft". Der Kongoeinsatz sei aber "denjenigen willkommen, die eine stärkere geopolitische Rolle Deutschlands und der EU im weltweiten Kampf um Ressourcen wollen und sie auch militärisch erzwingen wollen". Zudem solle mit dem Kongoeinsatz die Öffentlichkeit daran gewöhnt werden, dass Militär wieder zum "normalen" Mittel der Politik werde.