Dass die Förderung von Erdgas den Boden wackeln lässt, ist nicht ungewöhnlich, schreibt Spiegel Online. In den Niederlanden ließen nicht spürbare Stöße der Stärke 1 bis 2 den Untergrund regelmäßig vibrieren. Ein Erdbeben im Nordsee-Ölfeld Ekofisk im Jahr 2001 habe gezeigt, dass auch starke Erdbeben durch die Förderung ausgelöst werden könnten. Dort hätten große Mengen Wasser, die in den Boden gepresst worden seien, die Stöße ausgelöst. In Usbekistan habe die Gasförderung gar schwere Beben der Stärke 7 verursacht, wie die amerikanische Behörde US Geological Survey in einer Studie festgestellt habe.
Solch schwere Erdbeben seien in Deutschland nach Meinung der Seismologen nicht zu befürchten, weil die Gasfelder und die Erdbebenzonen kleiner seien. Dennoch sei "unklar, wie stark die Gasfelder in Norddeutschland in Bewegung geraten können". Die Ungewissheit sei heikel, weil "in der Nähe der Gaslagerstätten" in einem Salzstock und einem Erzbergwerk die geplanten Atommüllendlager Gorleben und Konrad lägen. Die Gefahr von förderungsbedingten Erdbeben für die Endlager sei bisher noch nie untersucht worden.
Auch seien die Gebäude in Norddeutschland im Gegensatz zu denen in süddeutschen Erdbebengebieten nicht auf Erschütterungen ausgelegt. Sollte sich ein Stoß der Stärke 4,5 nahe einer Großstadt ereignen, wären die Schäden möglicherweise beträchtlich.
Die These, eine gesteigerte Gasentnahme könnte das Beben ausgelöst haben, diskutierten die Forscher allerdings nur untereinander, nicht öffentlich. Niemand habe sich getraut, die Gasförderung für das Beben verantwortlich zu machen. Denn "der letzte Beweis" habe gefehlt, die Messergebnisse der Bebentiefe seien angreifbar.
Nach einer ersten Untersuchung erklärten Experten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe BGR in Hannover, vermutlich seien uralte Schwächezonen im Gestein in mehr als acht Kilometer Tiefe aufgerissen.
Neuere Untersuchungen brachten diese These offenbar ins Wanken. Das Beben im Oktober 2004 sei außergewöhnlich gewesen. Es habe sich nahe Rotenburg auf halbem Weg zwischen Hamburg und Bremen direkt in einem Gasfördergebiet ereignet. Voneinander unabhängige Untersuchungen von Forschern der Universität Hamburg, der BGR und des Geoforschungszentrums Potsdam hätten ergaben, dass sich das Beben in fünf bis sieben Kilometer Tiefe ereignet hatte - "direkt neben Erdgaslagerstätten".
Ein weiteres Indiz für den Einfluss der Gasförderung habe Torsten Dahm von der Universität Hamburg ausgemacht: Natürliche Erdbeben kämen nicht allein. Bei natürlichen Beben würden sich im betreffenden Gestein in den Jahren zuvor und danach eine Vielzahl schwächerer Beben ereignen. Eine "kontinuierliche seismische Aktivität" wie bei natürlichen Beben sei aber bei den Beben in Norddeutschland nicht festgestellt worden.
Nach offizieller Darstellung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe BGR sind beide sich widersprechende Studien methodisch "robust". Zur Aufklärung könne die Industrie beitragen. Nach Auffassung der Forscher "hätte die Industrie für eindeutige Resultate selbst sorgen können", schreibt Spiegel Online. Seit Jahren drängten die Forscher darauf, es sollten mehr Messgeräte aufgestellt werden, um die Erdbeben besser lokalisieren zu können. Auch Daten über die Förderaktivitäten könnten schnell aufklären, ob es einen Zusammenhang zwischen der Gasförderung und den Beben gibt.
Doch Anfragen der Wissenschaftler nach entsprechenden Informationen seien nicht beantwortet worden. Das Schweigen der Industrie stoße bei vielen Forschern seit langem auf Unmut. Dem Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG) werde von den Wissenschaftlern sogar vorgeworfen, er präsentiere falsche Fakten. Allen Indizien zum Trotz wollten die Förderfirmen nichts von einer möglichen Verantwortung wissen. "An wissenschaftlichen Spekulationen beteiligen wir uns nicht", war laut Spiegel Online der Kommentar von Hartmut Pick vom Wirtschaftsverband WEG.