Überblick
- Mogg & Kramer: UN-Soldaten entwaffnen Milizen und stabilisieren unruhige Provinzen
- "Rund 1,2 Milliarden Euro kostet dieser bislang teuerste UN-Einsatz im Jahr"
- SPD: Wahlen sollen von Verlierern akzeptiert werden
- SPD: Zeitliche Begrenzung "kann sichergestellt werden"
- Pflüger: Deutsche Bundesregierung täuscht Öffentlichkeit
- Pflüger: "Paramilitärische Verbände" könnten gegen Bevölkerung eingesetzt werden
- "Berlin hat die Finanzierung von Rebellenmilizen gedeckt"
- German Foreign Policy: Kongolesische Mine war immer wieder Streitobjekt europäischer Mächte
- "Die Bundesregierung hat sich auch Beschlüssen des kongolesischen Staatspräsidenten Kabila widersetzt"
- German Foreign Policy: Deutschland erlaubt Gegenspielern der Zentralregierung Einfluss auf Mine
- German Foreign Policy: Vereinte Nationen kritisieren Deutschland
Die stellvertretende Sprecherin der Arbeitsgruppe Sicherheitsfragen, Ursula Mogg, und der SPD-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Verteidigungsausschuss, Rolf Kramer, berichten in einer Pressemitteilung von einer "Reise in den Kongo". Sie verweisen darauf, dass am 18. Juni 2006 "die ersten demokratischen Wahlen im Kongo seit 45 Jahren" stattfinden sollen. Rund 25 Millionen Wahlberechtigte hätten sich bereits registrieren lassen. "Das zeigt, welche Bedeutung die Menschen im Kongo den Wahlen beimessen", so Mogg und Kramer. Zur Absicherung des Wahlvorgangs "als weiteren wichtigen Stabilisierungsschritt" forderten die Vereinten Nationen jetzt "einen Friedenseinsatz europäischer Truppen in der Hauptstadt Kinshasa". Die Wahlen würden zwar keine Garantie für einen erfolgreichen Abschluss des Friedensprozesses sein, "aber ohne sie könnte er scheitern".
Mogg & Kramer: UN-Soldaten entwaffnen Milizen und stabilisieren unruhige Provinzen
Die Vereinten Nationen seien mit 16.600 "Blauhelmen" vor Ort, "um Milizen zu entwaffnen und unruhige Provinzen vor allem im Osten des Landes zu stabilisieren". Die Blauhelme müssten aber während der Wahlen an ihren Einsatzorten bleiben, um das Erreichte nicht zu gefährden: "Die meisten Milizen sind entwaffnet, im Grossraum Kinshasa gibt keine Kindersoldaten", schreiben die SPD-Politiker.
"Rund 1,2 Milliarden Euro kostet dieser bislang teuerste UN-Einsatz im Jahr"
"Rund 1,2 Milliarden Euro kostet dieser bislang teuerste UN-Einsatz im Jahr", so Mogg und Kramer. Für die SPD-Politiker sind die hohen Kosten ein Grund, nun weitere Mittel zur Verfügung zu stellen: "Allein schon deshalb müssen wir die UN unterstützen." Auch die EU habe sich bereits "erheblich in dem Demokratisierungsprozess des Kongo engagiert".
Die SPD-Politiker verweisen auch auf die bisherige direkte finanzielle Beteiligung von Deutschland: "Mit der überaus erfolgreichen Operation ARTEMIS 2003, mit der Finanzierung der Wahlen (400 Millionen Euro jährlich) und mit der Entsendung von über 200 Wahlbeobachtern ist Deutschland mit von der Partie. Schon deshalb haben auch wir ein grosses Interesse an einem erfolgreichen Abschluss des Wahlprozesses."
SPD: Wahlen sollen von Verlierern akzeptiert werden
Bei den Wahlen spiele die Stabilisierung der Hauptstadt eine entscheidende Rolle. Dort werde sich zeigen, ob die Wahlen korrekt verlaufen und von den Verlierern akzeptiert würden. "Kommt es dort zu Unruhen, werden diese auf das ganze Land uebergreifen. Die Monuc-Truppen der UN sind aber nur mit zwei kleinen Bataillonen in der Hauptstadt."
Die Vereintenn Nationen hätten deshalb am 27. Dezember 2005 "die EU gebeten", einen europäischen Truppenverband nach Kinshasa zu schicken, "um vor Ort Präsenz zu zeigen". "Eine kleine, gut ausgebildete EU-Truppe kann dort viel erreichen", so Mogg und Kramer. "Wir Europäer haben ein hervorragendes Ansehen in der Region." Auch die amtierende Übergangsregierung, "so war zu erfahren", stehe einem solchen Einsatz positiv gegenüber, behaupten die SPD-Politiker.
"Wir Europäer sollten nichts unversucht lassen, um den Friedensprozess in dem bürgerkriegsgeschüttelten Land zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen", heißt es weiter. "Wir haben uns wiederholt zu unserer Verantwortung für Afrika bekannt."
SPD: Zeitliche Begrenzung "kann sichergestellt werden"
Bei allen Gesprächen in Kinshasa - "ob mit der Übergangsregierung, Vertretern von Monuc, den Nichtregierungsorganisationen (NGO) und der Bevölkerung" - habe sich gezeigt, "dass fest mit einer europäischen Truppe gerechnet wird". Klar und deutlich sei aufgezeigt worden, dass die Risiken kalkulierbar seien. "Die Vorgaben der Bundesregierung - zeitliche Begrenzung des Mandats, multinationaler Einsatz im Raum Kinshasa, Mandat der Vereinten Nationen und Zustimmung der kongolesischen Regierung - können sichergestellt werden", schreiben die Politiker.
Pflüger: Deutsche Bundesregierung täuscht Öffentlichkeit
Nach Darstellung von Tobias Pflüger, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments und Koordinator der Linksfraktion im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung, täuscht die Bundesregierung die Öffentlichkeit. Die "EU-Militärintervention in Kongo werde "ohne zeitliche und räumliche Begrenzung geplant".
Bereits nächste Woche solle im EU-Parlament einer Kongo-Militärintervention "vorab" zugestimmt werden, so Pflüger. In den Verhandlungen der Fraktionen über eine gemeinsame Resolution zeichne sich bereits ab, "dass Sozialdemokraten, Grüne, Liberale und Konservative einen EU-Militäreinsatz im Kongo ohne jede zeitliche und räumliche Begrenzung" wollten.
Pflüger: "Paramilitärische Verbände" könnten gegen Bevölkerung eingesetzt werden
Es werde "zudem sogar erwogen EU-Truppen, darunter sollen ebenfalls deutsche Soldaten sein, in benachbarten Staaten, wie Gabun und Kongo-Brazzaville zu stationieren". Weiterhin werde geplant, "die 2006 neu gegründete EU-Gendarmerie, die aus paramilitärischen Verbänden der Mitgliedstaaten besteht, in Kinshasa-Stadt einzusetzen, um gegen die Bevölkerung vorzugehen, sollte diese gegen den Ausgang der Wahlen im Juli protestieren".
"Diese Entwicklung ist in hohem Maße besorgniserregend", schreibt der Europaabgeordnete. Ein EU-Militäreinsatz würde "lediglich dafür sorgen, dass die EU-Militarisierung noch weiter vorangetrieben wird. Eine Afrikapolitik, die sich in die Tradition des militärischen Interventionismus der ehemaligen europäischen Kolonialmächte in Afrika einreiht, darf keine europäische Legitimation erhalten", so Pflüger.
Es sei zudem "beschämend, dass die EU, die mit dafür verantwortlich ist, dass lediglich 10 Prozent der von der UN angeforderten humanitären Hilfe für die DR Kongo geleistet wird, kein Problem damit hat, für einen gefährlichen Militäreinsatz, Mittel locker zu machen".
"Berlin hat die Finanzierung von Rebellenmilizen gedeckt"
Nach Angaben des Informationsdienstes "German Foreign Policy" hat Berlin "über mehrere Jahre die Finanzierung von Rebellenmilizen gedeckt, die einen Teil des rohstoffreichen Ostkongo abspalten und an das angrenzende Ruanda anschließen wollten". Aus offiziellen Dokumenten der Vereinten Nationen ergebe sich, dass die deutsche Außenpolitik "auf diese Weise den innerkongolesischen Kriegszustand" fördere. Dabei würde auch diplomatisches Personal des Auswärtigen Amtes Unterstützung leisten, schreibt der Informationsdienst unter Verweis auf eine ehemalige deutsche Botschafterin.
German Foreign Policy: Kongolesische Mine war immer wieder Streitobjekt europäischer Mächte
Die Bundesregierung werde auch im jüngsten Kongo-Bericht des UN-Sicherheitsrates "scharf kritisiert". Über die tatsächlichen Hintergründe der jüngsten Berliner Kongo-Ankündigungen würden die Abgeordneten des deutschen Parlaments bei den bevorstehenden Beratungen über den neuen militärischen Afrika-Einsatz im unklaren gelassen.Berlin verfüge seit 1994 über Einfluss auf das Minenunternehmen Somikivu im Ostkongo, das zur Förderung seltener Rohstoffe für die Herstellung von Düsenmotoren und Raketenteilen gegründet worden sei. Die von Somikivu betriebene Mine Lueshe gelte "als eine der zwei wichtigsten Lagerstätten ihrer Art weltweit". Das dort erschlossene Material gehöre zu den bedeutenden Rohstoffvorkommen im Ostkongo, "die seit Beginn der europäischen Kolonialherrschaft immer wieder zu Streitobjekten ausländischer Mächte wurden".
Nachdem der private Somikivu-Mehrheitseigentümer, "eine deutsche GmbH", den Betrieb in Lueshe wegen beginnender Unruhen 1994 eingestellt habe, habe ihm die Bundesregierung mehr als acht Millionen Euro Entschädigung gezahlt. Im Gegenzug habe die Bundesregierung Ansprüche auf zukünftige Gewinne aus dem Minenbetrieb sowie einen Treuhandvertrag erhalten. Seitdem könnten staatliche Stellen der Bundesrepublik über die Geschäfte in Lueshe mitbestimmen - und "damit über Förderung und Nutzung der international begehrten Minenressourcen". Über mehrere Jahre hin habe Berlin die Einstellung der Fördertätigkeit geduldet. Mehrfach habe die deutsche Regierung auch den Verkauf des Minenunternehmens abgelehnt - wegen "außenpolitische(r) Erwägungen", so heiße es in einem Schreiben des staatlichen Treuhänders.
"Die Bundesregierung hat sich auch Beschlüssen des kongolesischen Staatspräsidenten Kabila widersetzt"
"Die wirtschaftliche und geostrategische Bedeutung von Lueshe scheint für Berlin groß genug", so German Foreign Policy, "dass sich die Bundesregierung auch Beschlüssen des kongolesischen Staatspräsidenten Kabila widersetzte". Laurent Désiré Kabila habe die Abbaurechte in Lueshe bereits 1999 an ein österreichisches Unternehmen übertragen, "um die deutsche Blockade aufzuheben und dem Kongo dringend benötigte Steuer- und Zolleinnahmen aus dem Minenbetrieb zuzuführen". Dieses Bemühen des kongolesischen Präsidenten sei aber vergeblich gewesen.
"Durch dieses Verhalten sind Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig berührt", habe die deutsche Seite im April 2000 erklärt und ankündigt: "Den solchermaßen verursachten Schaden wird die Bundesrepublik Deutschland (...) nicht hinnehmen." Deutsche Politiker würden bis heute erklären, die Bergbaurechte an der Mine Lueshe lägen bei der deutsch kontrollierten Somikivu. Zumindest sei die Eigentumsfrage "ungeklärt", lasse Berlin verlauten.
German Foreign Policy: Deutschland erlaubt Gegenspielern der Zentralregierung Einfluss auf Mine
Anstelle der Zentralregierung habe man ein Jahr später deren Gegenspielern - den Rebellenmilizen des "Rassemblement Congolais pour la Démocratie" (RCD) - eine Einflussnahme auf die Mine Lueshe erlaubt. "Die Sezessionisten kämpften in der Minengegend und in weiten Teilen des Ostkongo, um den Rohstoffreichtum für ihre eigenen Pfründe zu nutzen, und boten Schutz gegen Geldzahlungen an", schreibt German Foreign Policy. "In einer Situation des Krieges und angesichts des Bedarfs an Mitteln, ihn zu finanzieren", heiße es in einem RCD-Schreiben, gewähre man ausländischen Unternehmen "Sicherheit".
German Foreign Policy: Vereinte Nationen kritisieren Deutschland
Als Verbindungsmann zu den Rebellenmilizen sei ein ortskundiger Deutscher aufgetreten, "der die Rohstoffausbeute ankurbelte, Steuer- und Zollabgaben an die Zentralregierung unterließ und mit den immensen Gewinnen ein auch in Deutschland tätiges Firmennetz aufbaute - ohne erkennbaren Widerstand des Berliner Treuhänders". Selbst die Proteste internationaler Organisationen hätten die deutsche Außenpolitik kalt gelassen.
Obwohl "der deutsche V-Mann" "als einer der Hauptfinanziers des ostkongolesischen Krieges angeprangert" und in Berichten der Vereinten Nationen namentlich genannt worden sei, "schienen deutsche Ermittlungen nicht opportun zu sein", schreibt der Informationsdienst. Noch der jüngste Bericht der Kongo-Expertengruppe vom Januar 2006 - der Bericht der Expertengruppe für die Demokratische Republik Kongo, Security Council Document S/2006/53 - kritisiere "die schützende Hand, die eine deutsche Behörde über den V-Mann hielt - das Bundeswirtschaftsministerium".
Seit nunmehr fast fünf Jahren fordern laut German Foreign Policy die Vereinten Nationen von der Bundesregierung, Maßnahmen gegen die kriegsfördernden Umtriebe in Lueshe zu ergreifen. "Aber statt das geostrategische Kongo-Abenteuer zu beenden, hat Berlin die Zerrüttung des Landes begünstigt und nimmt die Ergebnisse jetzt zum Anlass, Truppen zu entsenden - der militärische Abschluss einer Ressourcenoperation".