Waldzustandsbericht 2005
Nach Angaben von Staatssekretär Paziorek ist der "Anteil deutlicher Kronenverlichtungen" im bundesweiten Durchschnitt über alle Baumarten um zwei Prozentpunkte zurückgegangen und liege nun bei 29 Prozent. Dies sei immer noch ein vergleichsweise hoher Stand. Der Anteil der Bäume ohne sichtbare Kronenverlichtung betrage ebenfalls 29 Prozent und habe sich gegenüber dem Tiefststand von 2004 mit 28 Prozent nur unwesentlich verändert. Besorgniserregend sei der Kronenzustand der Eiche, so Paziorek. Er habe sich 2005 zum dritten Mal hintereinander verschlechtert. Der Anteil deutlicher Kronenverlichtungen erreiche bei dieser Baumart mit 51 Prozent einen neuen Höchststand.
Ursache der Kronenverlichtungen ist nach Angaben des Ministeriums die Kombinationswirkung verschiedener Umweltfaktoren, wie zum Beispiel Witterung, Schaderreger und Luftverschmutzung. Bei der Eiche habe die Massenvermehrung blattfressender Insekten eine wesentliche Rolle gespielt, so Paziorek.
Staatssekretär gibt Verbrauchertipps
Insbesondere die durch Luftverschmutzung verursachten Stoffeinträge seien aber immer noch zu hoch und müssten weiter gemindert werden. "Den Schlüssel hierzu sehe ich im rationellen Umgang mit Energie. Hierzu kann jeder einzelne beitragen", sagte Paziorek. Ansatzpunkte lägen im Mobilitätsverhalten, in energiesparenden Heizungen, Autos und Hausgeräten, vor allem aber auch bei der energetischen Sanierung von Gebäuden. Die Bundesregierung habe kürzlich beschlossen, die energetische Gebäudesanierung zwischen 2006 und 2009 mit einem Gesamtfördervolumen von vier Milliarden - zu unterstützen.
"Der nachwachsende Rohstoff und Energieträger Holz kann hierbei eine hervorragende Rolle spielen", meint Paziorek. Holzbaustoffe böten sich für intelligente Lösungen nicht nur im Neubau von Niedrigenergiehäusern, sondern auch bei der Renovierung und energetischen Sanierung bestehenden Wohnraums an. Zur Gewinnung der dann noch erforderlichen Heizenergie seien moderne Holzfeuerungen eine Kohlendioxid-neutrale Alternative zur Ölheizung.
Eine stärkere Verwendung von Holz anstelle von nicht erneuerbaren Rohstoffen und Energieträgern sei gelebter Umweltschutz. Sie helfe aber auch dem Wald und sichere Arbeitsplätze im ländlichen Raum. "In unseren Wäldern gibt es hierzu noch ungenutztes Potential", sagte Paziorek. Die Bundeswaldinventur habe gezeigt, dass Deutschland in Europa hinsichtlich Holzvorräten und Zuwachs eine Spitzenposition einnehme und der nachhaltig nutzbare Zuwachs bislang unvollständig ausgeschöpft werde.
Umweltschützer fordern von Politikern politische Maßnahmen
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht im aktuellen Waldzustandsbericht der Bundesregierung keinen Anlass zur Entwarnung. Der regionale Rückgang um wenige Prozentpunkte bei einigen Baumkrankheiten sei kein Zeichen einer durchgreifenden Besserung. Viele Bäume seien durch das extreme Trockenjahr 2003 sehr stark geschädigt gewesen, so dass eine leichte Erholung nach den regenreichen Sommern 2004 und 2005 zu erwarten gewesen sei. Insgesamt bewegten sich die Waldschäden noch immer auf einem viel zu hohen Niveau. Es sei alarmierend, dass rund ein Drittel aller Bäume in Deutschland schwere Schäden aufweise.
Die gestiegene Zahl erkrankter Bäume besonders in Baden-Württemberg, Hessen und dem Saarland liege an den jahrelangen Belastungen mit Säuren, Stickstoff, Ozon und Abgasen. Wälder und Waldböden in Deutschland und Europa stünden seit langem unter Dauerstress. Das Gros der waldschädigenden Schadstoffe stamme weiterhin aus dem Verkehr und der Landwirtschaft. Die Zunahme der schweren Schäden bei Eichen um sechs Prozent im Mittel aller Bundesländer sei Besorgnis erregend.
"Wenn mehr als die Hälfte der Eichen schwer krank ist, sogar drei Viertel sind es in Baden-Württemberg, steht es nicht nur um die Zukunft der Eiche schlecht", sagte Gerhard Timm vom BUND. Um den Schutz des Waldes zu verbessern und die Landwirtschaft umweltfreundlicher zu gestalten, müsse die Bundesregierung mehr Mittel zur Umstellung von Agrarbetrieben auf umwelt- und tiergerechte Standards bereitstellen."
Der Umweltverband kritisierte zudem die Methodik der Schadenserhebung. Eine große Zahl abgestorbener Bäume tauche in der Statistik nicht auf. So würden in Bayern, wo sich allein ein Viertel des deutschen Waldes befinde, durch Borkenkäfer vernichtete Fichten aus der Statistik herausgerechnet. "Nicht hinnehmbar ist auch, dass das Bundesland Hessen seit 2003 keine mit früheren Statistiken vergleichbaren Schadenserhebungen mehr vorlegt", kritisierte Timm.
Die Umweltschutzorganisation Robin Wood rückte mit einem Banner "Gülle killt Wald" die Rolle der Landwirtschaft in den Vordergrund. Eine wesentliche Ursache für die Waldschäden seien die Ausdünstungen aus der Tierproduktion. Robin Wood appelliert daher an Seehofer, sich auch in seiner Funktion als Landwirtschafts- und Verbraucherminister für einen Stopp der Massentierhaltung einzusetzen und die ökologische Viehwirtschaft gezielt zu fördern.
Mit 71 Prozent lägen die Waldschadenszahlen für 2005 nur einen Prozentpunkt unter dem Negativ-Rekord aus dem Vorjahr. Der Zustand der Eichen, der am stärksten geschädigten Baumart, habe sich sogar noch weiter verschlechtert. Nur noch 15 Prozent sähen äußerlich intakt aus. "Die alarmierend hohen Schadenszahlen in den beiden Jahren zuvor waren von vielen auf den besonders trockenen Sommer 2003 zurückgeführt worden - um sie sodann ad acta zu legen", so Rudolf Fenner von Robin Wood. "Doch obwohl es dieses Mal keine extremen Wetterereignisse gab, sind die Schäden fast genauso groß."
Dies liege insbesondere an dem hohen Eintrag von Stickstoffverbindungen. Sie überdüngten den Waldboden und ließen ihn versauern. "26 Prozent der Stickstoffverbindungen kommen als Stickoxid-Abgase aus den Auspuffen von LKWs und Autos. Noch mehr, nämlich 53 Prozent, stammen aber mittlerweile aus der Landwirtschaft - vor allem aus der Tierproduktion mit ihren hohen Ammoniak-Emissionen." Ammoniak dunste aus dem Tiermist. Wenn die Bauern die Gülle auf den Acker ausbrächten, verwehe der Wind die Stickstoffverbindungen, bis sie mit dem nächsten Niederschlag wieder auf den Boden regneten.
Die Intensiv-Tierhaltung, die auf eine möglichst "billige und schnelle Produktion von Fleisch, Eiern und Milch" setze, sei "der Motor dieser Ammoniak-Emissionen". Sie komme nicht ohne hohe Stickstoff-Importe in Form von proteinreichem Tierfutter und Düngemitteln aus. "Auswüchse dieser industrialisierten Tierproduktion sind Agrarfabriken, wie sie derzeit hauptsächlich in Ostdeutschland - in Brandenburg und Sachsen-Anhalt - entstehen: Schweinemastanlagen mit einer Jahresproduktion von nahezu 200.000 Mastschweinen."
"Wenn sich Seehofer auf der Grünen Woche bei den Bauern mit seinem Bekenntnis zur konventionellen Landwirtschaft einschmeichelt, ist das genau das falsche Signal. Wir brauchen eine gezielte Förderung der ökologischen Landwirtschaft", so Fenner.
Der Verbraucher-Tipp der Umweltschützer: "Die Verbraucherinnen und Verbraucher können die Agrarwende unterstützen, indem sie weniger Fleisch essen und beim Einkauf auf das Biosiegel achten. Das nutzt ihrer Gesundheit, den Tieren und - was viele noch nicht wissen - auch dem Wald."