DIE Internet-Zeitung
Zivilistenerschießungen in Ostpolen

Bundessozialgericht spricht ehemaligem Waffen-SS-Mann Rente zu

Am

Das Bundessozialgericht (BSG) hat einem ehemaligen Mitglied der Waffen-SS Kriegsopferrente zugesprochen, obwohl der Mann im Zweiten Weltkrieg an Massenerschießungen von Zivilisten beteiligt war. Wie die Kasseler Bundesrichter am Donnerstag urteilten, darf einem Nazi-Täter die Versehrtenversorgung nur entzogen werden, wenn sie wegen Kriegsverletzungen beantragt worden sei.


"Die Schädigung muss im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen System und in dieser Zeit eingetreten sein", sagte der Vorsitzende des Senats. Der Kläger aber leidet insbesondere an einer Tuberkulose, die eine Folge der Kriegsgefangenschaft nach 1945 ist. Deshalb darf ihm nach Ansicht des BSG die Kriegsopferrente nicht versagt werden

Mit dem Urteil beschäftigte sich das oberste deutsche Sozialgericht erstmals mit der seit 1998 geltenden Regelung im Bundesversorgungsgesetz, nach der einem Rentner die Kriegsopferversorgung gestrichen werden darf, wenn er "während der Herrschaft des Nationalsozialismus gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat". Das ist auch ohne strafrechtliche Verurteilung möglich, etwa bei einer freiwilligen Mitgliedschaft in der SS. Gegen diese Bestimmungen gebe es keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, entschied der Senat. Sie sei aber "verfassungskonform einschränkend auszulegen".

Geklagt hatte ein 83-Jähriger aus dem Schwarzwald, der 1941 als freiwilliges Mitglied der Waffen-SS nach eigenen Angaben an Zivilistenerschießungen im damaligen Ostpolen beteiligt gewesen war. Vom 1. Januar 2000 an wurde ihm deshalb die bis dahin bewilligte Kriegsopferversorgung in Höhe von rund 270 Euro pro Monat verwehrt. In oberster Instanz hob das Bundessozialgericht diese Entscheidung der Behörden auf. Der ehemalige SS-Mann hat damit Anspruch auf Rentennachzahlungen in Höhe von rund 19.000 Euro.

Bundesweit gibt es rund 150 Rentner, denen wegen ihrer Beteiligung an Nazi-Verbrechen die Kriegsversehrtenrente gestrichen wurde. (Az.: B 9a/9 V 8/03 R)

Heftiger Schlagabtausch über soziales "Profil" der CDU

CDU-Bundesparteitag

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erhielt am Montag auf dem CDU-Bundesparteitag in Dresden bei ihrer Wiederwahl 93,1 Prozent der gültigen Stimmen. Deutlich schwächere Ergebnisse mussten ihre vier Stellvertreter hinnehmen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, der ein sozialeres "Profil" der Partei fordert, erzielte 57,7 Prozent der Stimmen. Neu in der Stellvertreterriege ist Hessens Ministerpräsident Roland Koch (68,2 Prozent).

Als Parteivize wiedergewählt wurden neben Rüttgers Bundesbildungsministerin Annette Schavan (78,5 Prozent) und Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (66,7 Prozent). CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla bekam bei seiner Bestätigung durch den Parteitag 81,7 Prozent.

Merkel forderte die streitenden Flügel ihrer Partei zur Einigkeit auf. Flügel gäben Auftrieb, sie dürften aber nicht gegeneinander stehen. Wirtschaft und Soziales seien in der CDU nie Gegensätze gewesen. Die CDU sei die "große Volkspartei der Mitte" von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Die CDU mache eine "Politik für alle". Zugleich nannte Merkel den Leipziger Reformparteitag von 2003 "wegweisend".

Nach Merkels Rede kam es zu einem heftigen Schlagabtausch über den sozialen Kurs der Partei. Rüttgers mahnte, die CDU müsse auch die "Partei der Schwachen" sein. Bei seinem Vorstoß zur längeren Zahldauer des Arbeitslosengeldes I für langjährig Versicherte gehe es nicht um einen "Linksruck", sondern um eine Forderung aus der Mitte der Gesellschaft. Mit Hinweis auf den Leipziger Reformparteitag 2003 sagte Rüttgers: "Leipzig steht für Reformen. Dresden kann dafür stehen, dass es dabei gerecht zugeht."

CDU-Sozialausschüsse: "untergepflügt"

Als Gegengewicht zum Antrag aus Nordrhein-Westfalen hatte der Landesverband aus Baden-Württemberg ein Papier mit Forderungen nach Lockerungen des Kündigungsschutzes und im Tarifrecht vorgelegt. Ministerpräsident Günther Oettinger warnte in seiner Rede, der Streit um das ALG I dürfe nicht den Blick auf die "wirklich wichtigen Fragen" verstellen. Es müsse auch von diesem Parteitag die "Botschaft" ausgehen: "Sozial ist, was Arbeit schafft."

Der Chef der CDU-Sozialausschüsse (CDA), Karl-Josef Laumann, warf der CDU-Spitze vor, die CDA jahrelang "untergepflügt" zu haben. Deshalb sei die jetzige Diskussion um den Kurs der Partei gut. Niedersachsens Ministerpräsident Wulff entgegnete, in den CDU-Spitzengremien habe man immer auf das Wort Laumanns geachtet, weil ohne seine Zustimmung ein wichtiger Teil der CDU fehle. Am Montagabend billigte der Parteitag sowohl den NRW-Antrag als auch jenen aus Baden-Württemberg.

Weitere Personalien

Neuer Bundesschatzmeister ist der Bundestagsabgeordnete Eckart von Klaeden (96,5 Prozent). Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm scheiterte bei den Präsidiumswahlen. Neu im Präsidium sind dagegen Berlins CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer.

Die Chefs von CSU und SPD, Edmund Stoiber und Kurt Beck, gratulierten Merkel zur Wiederwahl. Stoiber sicherte Merkel weitere Unterstützung zu. Beck schrieb an Merkel: "Lassen Sie uns wie bisher fair und sachorientiert um die besseren Lösungen bei den anstehenden Weichenstellungen für unser Land streiten."

Am 27-11-2006

Auch NRW-Grüne auf der Suche nach einem "sozialen Profil"

"Debatte nicht verschlafen"

"Ökologisch, sozial, basisdemokratisch, gewaltfrei" - das waren bei der Gründung der Grünen 1980 die vier zentralen Grundsätze der Partei. Viele Jahre später befinden sich auch die Grünen auf der Suche nach dem Sozialen. Ebenso wie bei anderen Parteien ist weniger von einer "sozialen Politik" die Rede. Es geht mehr um ein "soziales Profil". Dies fordern jetzt die Grünen in Nordrhein-Westfalen (NRW). Die Debatte in der CDU um das Arbeitslosengeld I habe deutlich gemacht, dass es bei den Bürgern ein Bedürfnis nach einer Diskussion um die Grundfragen der sozialen Gerechtigkeit gebe, sagte der Grünen-Landesvorsitzende Arndt Klocke. Es geht ihm auch um die "Zukunft der Sozialsysteme", was vielfach als Sozialabbau wahrgenommen wird. Er warnte: "Diese Debatte dürfen wir Grünen nicht verschlafen." Er erhoffe sich daher vom am Freitag in Köln beginnenden Bundesparteitag, dass Schwung in dieses Diskussion komme.

Es sei richtig, dass auf dem Bundesparteitag ein Einstieg in die Debatte über die Zukunft der Sozialsysteme gemacht werde, so Klocke. Die Pläne des Bundesvorstands, einen Beschluss erst auf dem nächsten Parteitag im Oktober 2007 zu fassen, halte er "für den spätestens möglichen Zeitpunkt". "Wir müssen bei diesem Thema einen Zahn zulegen", mahnte der Politiker. Daher werde der Landesverband im Frühjahr eine intensive Diskussion über Alternativen führen.

In der Diskussion um mögliche Regierungsbündnisse auf Bundesebene sprach sich Klocke gegen eine Koalition aus CDU, FDP und Grünen aus. Die Grünen würden in einer solchen Konstellation wegen fehlender inhaltlicher Übereinstimmungen das "fünfte Rad am Wagen" sein. Auch ein Bündnis mit der SPD und der Linkspartei.PDS schloss er aus. Ein Ampelbündnis aus SPD, FDP und Grünen könne er sich vorstellen, wobei Rot-Grün aber weiter "die naheliegendste Variante" sei. Der Landesvorsitzende rechnet auf Länderebene in den kommenden Jahren mit dem ersten schwarz-grünen Bündnis. Auf Bundesebene werde es dies vorher nicht geben.

Am 30-11-2006

Sozialversicherung mit über zehn Milliarden Euro Überschuss

Statistisches Bundesamt

Die gesetzliche Sozialversicherung hat in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres einen Überschuss in Höhe von 10,6 Milliarden Euro verbucht. Wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte, lagen die Ausgaben in den ersten drei Quartalen bei 349,2 Milliarden Euro und blieben damit um 0,9 Prozent unter dem entsprechenden Vorjahresniveau. Die Einnahmen erhöhten sich um 4,5 Prozent oder 15,5 Milliarden auf 359,8 Milliarden Euro. In den ersten neun Monaten 2005 hatte die Sozialversicherung noch ein Defizit von 8,1 Milliarden Euro ausgewiesen. Die gesetzliche Sozialversicherung umfasst nach Angaben der Statistikbehörde Kranken-, Pflege-, Unfall- und Rentenversicherung, die Alterssicherung der Landwirte sowie die Bundesagentur für Arbeit.

Die Rentenversicherung "erwirtschaftete" von Januar bis September einen Überschuss von 4,4 Milliarden Euro gegenüber einem Defizit im Vorjahreszeitraum von 5,3 Milliarden Euro.

Bei der Bundesagentur für Arbeit fiel ein Überschuss in Höhe von 6,3 Milliarden Euro an im Vergleich zu 3,1 Milliarden Euro Defizit im Vorjahreszeitraum. Der Überschuss resultierte hier wie auch bei der Rentenversicherung aus höheren Beitragseinnahmen sowie aus der Vorverlegung der Fälligkeit der Beiträge 2006.

Ebenfalls aus dem Vorziehen der Fälligkeit erklärt sich den Angaben zufolge der Überschuss bei der Pflegeversicherung in Höhe von 0,3 Milliarden Euro.

Die gesetzliche Krankenversicherung wies für die ersten neun Monaten hingegen ein leichtes Defizit von 0,3 Milliarden Euro aus.

Am 22-12-2006

EU-Sozial- und Arbeitsminister für "gewisses Maß an sozialer Sicherheit"

Ministertreffen

Die Sozial- und Arbeitsminister der Europäischen Union (EU) haben sich auf ihrem informellen Treffen in Berlin für soziale Arbeitsbedingungen ausgesprochen. Er sei sich mit seinen EU-Amtskollegen einig, dass ein "gewisses Maß an sozialer Sicherheit" für Arbeitnehmer notwendig sei, um ökonomische Erfolge zu erzielen, sagte der Gastgeber, Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) am Freitag in Berlin. Das Prinzip der so genannten Flexicurity sei unter den Ministern "durchgängig unbestritten". "Flexicurity" (aus Flexibility und Security/Flexibilität und Sicherheit) ist ein Kunstwort der damit befassten Behörden und Bürokraten und steht den Angaben zufolge für flexible Arbeitsmärkte und soziale Sicherheit.

Weitere Themen des Ministertreffens waren den Angaben zufolge faire Löhne und der Schutz vor Gesundheitsgefahren am Arbeitsplatz. Die erste Zusammenkunft der europäischen Arbeits- und Sozialminister unter deutscher Ratspräsidentschaft wurde unter das Motto "Gute Arbeit" gestellt und endet am Samstag. Müntefering hatte am Donnerstag bereits so genannte Leitlinien für die "soziale Dimension Europas" vorgestellt.

Deutschland hat gemeinsam mit seinen beiden Nachfolgern in der EU-Ratspräsidentschaft, Portugal und Slowenien, ein gemeinsames Arbeitsprogramm ausgearbeitet. Eine der amtlich verkündeten Zielvorgaben dabei ist es, Flexibilität und Sicherheit am Arbeitsmarkt zusammenzubringen.

Am 22-01-2007

EU-Verfassung mit Angriffskriegsverbot und Sozialstaatsgebot gefordert

"Akzeptanzmanager"

Im Vorfeld der von Bundeskanzerlin Angela Merkel für den 25. März geplanten "Berliner Erklärung" fordern mehrere Künstler, Wissenschaftler und Politiker eine europäische Verfassung mit einem klaren Verbot von Angriffskriegen und einem Sozialstaatsgebot. Gemeinsam mit den Linksfraktionschefs Oskar Lafontaine und Gregor Gysi fordern unter anderem der Schauspieler Peter Sodann und die Liedermacher Konstantin Wecker und Reinhard Mey ein "Ende der Geheimdiplomatie" bei der geplanten Durchsetzung einer EU-Verfassung. Sie wollen statt dessen europaweite Volksabstimmungen über eine Verfassung. Entgegen des bisherigen Verfassungsentwurfs solle die Verfassung anstelle eines "Aufrüstungsgebots das Angriffskriegsverbot des Grundgesetzes und der UN-Charta" enthalten. "Statt Neoliberalismus im Verfassungsrang" werden eine Sozialstaatsregelung wie im deutschen Grundgesetz und "die sozialen Menschenrechte der UN-Charta" verlangt. Die "Berliner Erklärung" der Kanzlerin dürfte wohl eher ein "Berliner Verschweigen" werden, kritisieren auch der Wirtschaftswissenschaftler Professor Rudolf Hickel, die Sängerin Katja Ebstein, der Liedermacher Manfred Maurenbrecher, der Autor, Schauspieler und Kabarettist Henning Venske sowie die Europapolitiker Diether Dehm und Alexander Ulrich.

Alle Signale deuten nach Auffassung der Gruppe darauf hin, dass Merkel bis zum Ende ihrer EU-Ratspräsidentschaft eine Roadmap durchsetzen wolle. Danach solle die französische Ratspräsidentschaft auf die Verabschiedung des gescheiterten Verfassungsvertrages drängen. Zu diesem Zweck werde die EU-Verfassung "in mehrere unübersichtliche Teile und Verträge zerlegt".

"Kalter Putsch"

Diese Teile würden zwar nicht unbedingt den Wortlaut des bisherigen Verfassungsentwurfs enthalten, wohl aber "die aufrüstungsfixierte und neoliberale Substanz", fürchten die Kritiker. "Sie soll dann ohne Volksabstimmungen durchgedrückt werden."

Selbst in jenen Ländern, die zunächst, wenn auch mit niedriger Beteiligung, zugestimmt hätten, wisse aber die Bundesregierung: "die Mehrheit ist dahin". Mit Deutschland versuche nun ausgerechnet die Regierung eines Landes, in dem keine Volksabstimmung über den europäischen Verfassungsvertrag vorgesehen sei, "demokratische Referenden anderer Länder auszuhebeln".

"Wenn die neoliberale Elite mit ihren Akzeptanzmanagern einen solch kalten Putsch betreibt, soll sie sich hernach nicht wundern über Resignation in der Bevölkerung, über die Hinwendung zu undemokratischen, nationalistischen Positionen", so die Gruppe.

Am 22-03-2007

Rentennullrunde 2004 laut Bundessozialgericht verfassungsgemäß

"Hehre Ziele"

Das Bundessozialgericht hat die Rentennullrunde aus dem Jahr 2004 für rechtmäßig erklärt. Es verstoße nicht gegen die Verfassung, dass die Renten zum 1. Juli 2004 nicht erhöht wurden, befanden die Kasseler Richter am Dienstag. "Der Gesetzgeber hatte zur Aussetzung der Rentenanpassung gegriffen, um Beitragsstabilität und damit eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu erreichen", erklärte der Senatsvorsitzende Ulrich Steinwedel. Diesen "hehren Zielen" hätten nur "geringfügige Nachteile" der Rentner gegenüber gestanden. Der Kläger kündigte Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil an. Gegen die Rentennullrunde 2004 sind nach Angaben der Deutsche Rentenversicherung (DRV) bundesweit mehrere hunderttausend Widersprüche anhängig. Im verhandelten Fall hatte ein 63-Jähriger geklagt, der sein grundgesetzlich geschütztes Eigentumsrecht verletzt sah. Er verlangte, dass die Renten zum 1. Juli 2004 rückwirkend um die Inflationsrate von 1,1 Prozent angehoben werden müssten. Es verstoße gegen die Verfassung, wenn Rentner anders als die abhängig Beschäftigten einen Verlust der Kaufkraft und damit des Wertes ihrer Renten hinnehmen müssten.

Wie im Jahr 2004 wurden die Renten auch in den beiden Folgejahren nicht erhöht. Erst in diesem Jahr soll es wieder eine leichte Anhebung um 0,54 Prozent geben, die angesichts der Inflationsrate allerdings ebenso als reale Minderung der Renten kritisiert wurde. Die Rechtmäßigkeit der Nullrunden 2005 und 2006 hat das Bundessozialgericht mit seinem Urteil nicht überprüft. (Az.: B 13 R 37/06 R)

Am 27-03-2007

Sozialverband VdK fordert rechtliche Absicherung von Patientenverfügungen

"Ärzte können sich irren"

Der Sozialverband VdK fordert eine rechtliche Absicherung von Patientenverfügungen ohne Einschränkung. "Sonst sind die Patienten die Dummen, weil Dritte über ihren Kopf hinweg entscheiden", sagte VdK-Präsident Walter Hirrlinger den Dortmunder "Ruhr Nachrichten". Bisher gebe es Unklarheiten in der Anwendung. "In der Praxis wissen Ärzte oft nicht, was sie tun sollen", so Hirrlinger. Nicht immer würden Patientenverfügungen bei der Behandlung berücksichtigt. Ein Gesetz, das die Willenserklärungen für verbindlich erkläre, sei daher sinnvoll. Dies werde auch die Zahl der Patientenverfügungen - nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen zwei und acht Millionen in Deutschland - erhöhen. "Wenn es eine gesetzliche Anerkennung gäbe, würden auch mehr Menschen davon Gebrauch machen und Patientenverfügungen verfassen", meint der VdK-Präsident.

Eine Beschränkung der Reichweite von Patientenverfügungen auf irreversibel tödlich verlaufende Krankheiten lehnte Hirrlinger ab. Es sei nicht eindeutig zu definieren, wann der Tod nicht mehr zu verhindern sei. Bei der Beurteilung von Heilungschancen könnten sich die Ärzte irren. "Wann verläuft denn eine Krankheit unumkehrbar tödlich? Da sagt dann ein Experte das eine, ein zweiter sagt etwas anderes", sagte Hirrlinger.

Am 30-03-2007

Brigitte Mohnhaupt gibt Anlass für Diskussion über Resozialisierung

"Sühne und Wiedereingliederung"

Politiker von Regierung und Opposition zeigen Verständnis dafür, dass die ehemalige RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt in den Medien nicht als Mörderin bezeichnet werden will. Der rechtspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jürgen Gehb (CDU), sagte der Zeitung "Die Welt": "Straftäter müssen nicht bis an ihr Lebensende an den öffentlichen Pranger gestellt werden." Eine pausenlose Stigmatisierung könne die Menschenwürde verletzen. Der FDP-Politiker Jörg van Essen sieht das anders. Mohnhaupt war Anfang der Woche nach 24 Jahren aus dem Gefängnis entlassen worden. Sie war wegen mehrfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Dem Blatt zufolge hat sie über ihren Anwalt mitteilen lassen, dass sie auch nicht als "schlimmste Terroristin" bezeichnet werden will. Wer dagegen verstoße, müsse mit einer Vertragsstrafe rechnen, die von seiner Mandantin festgelegt werde.

Der rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, Jerzy Montag, sagte der Zeitung: "Jede relative Person der Zeitgeschichte, und das ist Mohnhaupt zweifellos, hat das Recht, in ihre Privatheit zurückzukehren." Die Grenze zwischen Anonymität und Berichten über relative Personen der Zeitgeschichte sei jedoch fließend. Wenn Mohnhaupt jetzt nicht in Fernsehtalkshows gehe, habe sie umso schneller irgendwann das Recht auf Privatheit.

Die FDP versucht sich traditionell als Partei zu profilieren, die rechtstaatliche Prinzipien verteidigt. Zwei FDP-Politiker äußerten sich nun in gegensätzlicher Weise zum Fall Mohnhaupt. Der Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion Jörg van Essen sagte, Mohnhaupts Vorstoß sei ein schwerer Eingriff in die Pressefreiheit. "Wer wegen Mordes verurteilt worden ist, muss auch so von der Presse bezeichnet werden können", sagte er der Zeitung.

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) zeigte dagegen Verständnis für Mohnhaupts Initiative. "Sühne und Wiedereingliederung sind die wichtigsten Aspekte einer Gefängnisstrafe", sagte er dem Blatt. Die Resozialisierung müsse bei Mohnhaupt im Vordergrund stehen.

Am 30-03-2007

Sozial benachteiligte Kinder sind laut Studie häufiger krank

Chronische Krankheiten & Unfälle

Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien werden häufiger krank als bessergestellte Gleichaltrige. Das geht aus einer bundesweiten Studie des Robert-Koch-Instituts hervor, die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) am Mittwoch in Berlin vorgestellte. Demnach sind sozial benachteiligte Kinder häufiger von chronischen Krankheiten und Unfällen betroffen, treiben weniger Sport und gehen seltener zum Arzt. Das Institut hatte im Auftrag der Bundesregierung zwischen 2003 und 2006 knapp 18.000 Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 17 Jahren untersucht.

"Im Großen und Ganzen geht es Kindern in Deutschland gut", meint die Ministerin, "aber es gibt eben auch das Gegenteil." So haben chronische Krankheiten der Studie zufolge zugenommen. Jeweils rund 13 Prozent der Kinder und Jugendlichen leiden an Bronchitis beziehungsweise Neurodermitis. Mehr als 11 Prozent der Mädchen und fast 18 Prozent der Jungen weisen Verhaltensauffälligkeiten oder emotionale Probleme auf.

"Anlass zur Sorge" bereitet laut Schmidt, dass in allen Krankheits- und Risikofeldern sozial schwächere beziehungsweise Kinder mit Migrationshintergrund Spitzenreiter seien.

Kinder berufstätiger Eltern sind der Studie zufolge seltener verhaltensauffällig als Gleichaltrige, die zu Hause betreut werden. "Gesundheit hat viel mit Bildung und Erziehung zu tun", sagte Schmidt mit Blick auf den Koalitionsstreit zur Kleinkinderbetreuung.

Weiter ergab die Studie, dass 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen Übergewicht haben. Bei den Mädchen im Teenageralter sind es sogar fast 30 Prozent. Ein Großteil der Untersuchten treibt regelmäßig Sport. Die deutlichsten Bewegungsdefizite weisen Mädchen mit niedrigem Sozialstatus und Migrationshintergrund auf. Jeder fünfte Jugendliche raucht. Am höchsten ist der Raucheranteil an Hauptschulen in den neuen Bundesländern.

Am 16-05-2007

Merkel fordert soziale Mindeststandards in Schwellenländern

"Gerecht"

Die Konkurrenz zwischen den in der informellen Gruppe der G8 versammelten führenden Industriestaaten und den wirtschaftlich erstarkenden Schwellenländern wird härter. Während die Industriestaaten in den vergangenen Jahren soziale Standards abgebaut haben, verlangen sie jetzt von großen Schwellenländern wie China und Indien, soziale Mindeststandards zu schaffen. In einem Gastbeitrag für den "Berliner "Tagesspiegel" schreibt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): "Wir wollen der Globalisierung ein menschliches Gesicht geben. Wir brauchen daher die Anerkennung sozialer Mindeststandards. Die Entwicklung sozialer Sicherungssysteme in Schwellenländern ist eine wichtige Zukunftsaufgabe, um den rasanten Industrialisierungsprozess gerecht zu gestalten." In Heiligendamm werden neben den G8-Staaten auch Präsidenten und Ministerpräsidenten aus den aufstrebenden Schwellenländern China, Brasilien, Indien, Mexiko und Südafrika teilnehmen. Geplant sind ferner Gespräche mit Vertretern der afrikanischen Staaten Ägypten, Algerien, Nigeria, Senegal und Ghana.

Merkel kündigte eine "neue Form des Dialogs" mit beiden Staatengruppen an. Es gehe um einen "Dialog auf Augenhöhe", behauptet die deutsche Kanzlerin. Der Gipfel solle ein "Angebot zu "echter Partnerschaft" bei der Lösung der globalen Herausforderungen" sein.

Attac: Nicht Afrika, sondern den Konzernen soll geholfen werden

Globalisierungskritiker wie das Netzwerk Attac glauben nicht an die freundlichen Worte der G8-Staaten gegenüber der so genannten 3. Welt. Die G8 sei ein aggressiver Akteur bei der Öffnung von Märkten gewesen und verfolge eigene Interessen, so Attac. Die G8 mache beispielsweise Druck, dass sich Afrika für jede Art von Investition öffne. Damit sollten praktisch alle Firmen offen stehen "für den Verkauf an transnationale Konzerne aus den Industriestaaten". Den transnationalen Konzernen solle mit dieser Politik geholfen werden, nicht aber den Ländern oder den Menschen Afrikas.

Am 05-06-2007

Nettoreallöhne auf tiefstem Stand seit 20 Jahren

Steigende Preise, Sozialabgaben und Steuern

Die Nettoverdienste der Arbeitnehmer sind im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren gesunken. Wie die Bild"-Zeitung unter Berufung auf eine Statistik des Bundesarbeitsministeriums berichtete, lag der sogenannte Nettorealverdienst nach Abzug von Steuern, Sozialbeiträgen und bei Berücksichtigung der Preisentwicklung im vergangenen Jahr im Schnitt bei 15.845 Euro im Jahr - etwa so hoch wie 1986 mit damals 15.785 Euro. Der Direktor des Instituts für Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Universität Bremen, Rudolf Hickel, sagte dem Blatt: "Die Bruttolöhne sind vergleichsweise gering gestiegen, weil die Unternehmen Zusatzleistungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld abgebaut haben." Dazu kämen steigende Preise, höhere Sozialabgaben und Steuern.

Dem Bericht zufolge haben die Gesamtabzüge vom Bruttolohn im vergangenen Jahr ein Rekordniveau erreicht. Im Schnitt habe ein Arbeitnehmer 9291 Euro an Lohnsteuer und Sozialbeiträgen gezahlt - so viel wie nie zuvor. 1986 hätten die Abzüge noch bei 5607 Euro gelegen. Die Bruttolöhne seien im selben Zeitraum nur von 22.333 Euro auf 33.105 Euro im Jahr gestiegen. Auch die Inflation habe die Nettoeinkommen gesenkt. So hätten die Löhne in den vergangenen fünf Jahren um 4,1 Prozent zugelegt, die Preise dagegen um 7,1 Prozent.

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, sagte dem Blatt: "Es gibt dringenden Nachholbedarf für den 'kleinen Mann'". Die Geldbeutel der Menschen seien in den vergangenen Jahren geschröpft worden, und die Lohnsteigerungen mager ausgefallen.

Kritisch äußerte sich auch der Bund der Steuerzahler. Dessen Präsident Karl Heinz Däke forderte auf N24: "Wir brauchen dringend eine Steuer- und Abgabenentlastung." So werde für die nächste Legislaturperiode ein neuer Einkommensteuertarif benötigt. Zudem könnte kurzfristig der Solidaritätszuschlag gesenkt werden ebenso wie der Arbeitslosenversicherungsbeitrag. Überdies könnte "der alte Zustand der Pendlerpauschale" wieder hergestellt werden. Dies würde zu einer Abgabenentlastung führen, sagte Däke.

Der Sprecher des Bundesarbeitsministeriums, Stefan Giffeler, sagte, das Verhältnis von Netto- zu Bruttolöhnen sei seit zehn Jahren stabil. Giffeler verwies aber zugleich auf die unterschiedlichen Entwicklungen von Löhnen einerseits und Unternehmensgewinnen andererseits. Diese "Unwucht" könnte laut Giffeler über den Mindestlohn ausgeglichen werden.

Nach Auffassung des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion, Klaus Ernst, zeigt sich nun, "wie obszön es vor dem Hintergrund eines Tiefststandes der Nettoreallöhne von der Bundeskanzlerin war zu behaupten, die Deutschen hätten Grund zur Zuversicht".

Spätestens jetzt müsste Arbeitsminister Müntefering aufwachen. Sein eigenes Ministerium leiste mit einer nüchternen Statistik einen politischen Offenbarungseid: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hätten heute weniger Geld in den Taschen als vor zwanzig Jahren. "Was muss noch passieren, damit sich die SPD wieder auf ihre Wurzeln besinnt und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Rentnerinnen und Rentnern, Studierenden und Empfängerinnen und Empfängern sozialer Leistungen wieder eine Zukunftsperspektive gibt?", fragte Ernst. Jeder wisse, dass nur mit der Linken ein Durchbruch beim Mindestlohn möglich sei. "Und auch darüber hinaus brauchen wir eine Debatte darüber, wie wir in den Betrieben und Unternehmen willkürliche Lohnsenkungen besser bekämpfen können."

Ernst warf der SPD vor, sie blinke "nur in der Öffentlichkeit und in Programmdebatten links". In 9 Jahren an der Regierung habe sie bisher vor allem Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards abgebaut. "Wenn die Sozialdemokraten jetzt eine Initiative für "Gute Arbeit" starten, dann ist das so, als ob ein Dieb, der seine Beute in Sicherheit weiß, mehr Maßnahmen gegen Diebstähle fordert", so Ernst. "Nur durch Taten nicht durch sozialdemokratische Lippenbekenntnisse lässt sich das deutsche Lohndumping stoppen."

Am 24-09-2007

Studiengebühren sollen gegen UN-Sozialpakt verstoßen

"Unentgeltlichkeit"

Die in mehreren Bundesländern eingeführten Studiengebühren verstoßen nach Ansicht der Bildungsgewerkschaft GEW und des Studentenverbandes fzs gegen den UN-Sozialpakt. Dieser sei 1973 von Bundestag und Bundesrat ratifiziert worden und verpflichte die Bundesrepublik, den Hochschulunterricht möglichst jedem zugänglich zu machen. Ziel sei dabei auch "die allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit", betonten Vertreter von GEW und fzs am Montag in Berlin. Entgegen einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster sei der UN-Sozialpakt auch für Deutschland rechtsverbindlich. Nach Auffassung von GEW und fzs verletzt die Einführung von Studiengebühren in Deutschland das durch den Internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) gewährleistete Recht auf Bildung. Das ist das Ergebnis eines Berichts der beiden Organisationen an die Vereinten Nationen (UN).

In ihrem Bericht zeigen die Organisationen auf, welche Auswirkungen allgemeine Studiengebühren ihres Erachtens haben, die bereits in sieben Bundesländern eingeführt worden sind. "Der Hochschulzugang ist in Deutschland schon heute in besonderem Maße von der sozialen Herkunft abhängig. Studiengebühren verstärken die soziale Auslese und halten viele Schulabgängerinnen und Schulabgänger vom Studium ab. Wir brauchen endlich eine soziale Öffnung der Hochschulen", so Andreas Keller, im Vorstand der GEW für Hochschule und Forschung verantwortlich.

Die Möglichkeit der Kreditfinanzierung verringere die soziale Selektion durch die Gebühren nicht – die Aussicht auf einen immer größer werdenden Schuldenberg schrecke insbesondere junge Menschen aus Familien mit geringem Einkommen und aus Nicht-Akademikerhaushalten vom Studium ab, meint Keller.

Bundestag und Bundesrat haben den UN-Sozialpakt 1973 ratifiziert. Durch die Einführung von Studiengebühren verstießen die Länderregierungen gegen Geist und Buchstaben des durch den UN-Sozialpakt gewährleisteten Rechts auf Bildung, kritisiert der Münsteraner Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler, einer der Verfasser des von fzs und GEW vorgelegten UN-Berichts. "Durch die Umsetzung des UN-Sozialpakts als Bundesgesetz ist das darin verankerte Recht auf Bildung Bestandteil unseres Bundesrechts geworden, das auch für die Länder verbindlich ist", so der Anwalt.

Die Bundesrepublik sei bereits im Zusammenhang mit der Einführung von Verwaltungsgebühren von dem für die Überwachung des UN-Sozialpakts zuständigen UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte gemahnt worden, keine zusätzlichen Gebühren einzuführen. Bis zum Sommer 2006 sollte die Bundesregierung dem UN-Ausschuss über den Stand der Umsetzung des UN-Sozialpakts berichten. fzs und GEW kritisieren, dass die Bundesregierung diesen Staatenbericht bis heute nicht vorgelegt habe.

"Als Nichtregierungsorganisationen (NGO) wenden wir uns daher direkt an die Vereinten Nationen und legen dem zuständigen Ausschuss in Genf einen eigenen Bericht vor. So machen wir auf die Verletzung des Rechts auf Bildung durch Studiengebühren aufmerksam", so Imke Buß, Mitglied des Vorstands des fzs. "Wir ersuchen die UN, sich die Situation in Deutschland genau anzusehen und fordern sie auf, ihre völkerrechtlichen Kontrollrechte auszuschöpfen und die Bundesrepublik Deutschland zu rügen."

Die Organisationen gehen davon aus, dass sich sowohl Bund und Länder als auch die Rechtsprechung im Falle einer Rüge durch die UN nicht länger über die Verbindlichkeit des im UN-Sozialpakt verankerten Rechts auf Studiengebührenfreiheit hinweg setzen könnten.

Am 22-10-2007

Bundessozialgericht streitet über Kürzung von Erwerbsminderungsrenten

Unklares Gesetz

Das Bundessozialgericht (BSG) streitet über die 2001 in Kraft getretene Kürzung von Erwerbsminderungsrenten. Deutschlands oberste Sozialrichter sind sich uneinig darüber, ob die Leistungen auch für unter 60-Jährige reduziert werden dürfen. Am Dienstag erklärte der 5a-Senat des Kasseler Gerichts, dass er solche Rentenabschläge für rechtmäßig hält (Az.: B 5a R 32/07 R u.a.). Ein anderer BSG-Senat hatte darin jedoch bereits 2006 einen Verstoß gegen Gesetz und Verfassung gesehen (Az.: B 4 RA 22/05 R). Das Urteil war von der Rentenkasse aber nicht als allgemeingültig anerkannt worden. Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums hätte seine Umsetzung Mehrkosten von 500 Millionen Euro pro Jahr bedeutet. Sollten sich die Bundesrichter jetzt nicht doch noch auf eine gemeinsame Auffassung verständigen können, müsste der Große Senat des BSG entscheiden. Er setzt sich aus dem Gerichtspräsidenten und Vertretern sämtlicher 14 Senate zusammen.

Der Konflikt beruht auf unklaren Formulierungen im Gesetzestext. "Man kann sich ein schöneres Gesetz vorstellen", sagte der Vorsitzende des 5a-Senats, Wolfgang Dreher. Es sei "nicht gerade pflegeleicht anzuwenden." Die unter der von Bundeskanzler Gerhard Schröder geführten rot-grünen Bundesregierung beschlossene Reform sieht Leistungskürzungen von bis zu 10,8 Prozent vor, wenn Erwerbsminderungsrenten vor dem 63. Lebensjahr in Anspruch genommen werden. Gleichzeitig sollten die Leistungen für jüngere Rentner künftig so berechnet werden, als hätten sie schon bis zu ihrem 60. Geburtstag Beiträge gezahlt.

Ob auch sie die Abschläge hinnehmen müssen, ist jedoch nicht eindeutig ausgedrückt. Die Rentenversicherung geht davon aus und zahlt den unter 60-Jährigen, deren Klagen am Dienstag vor dem Bundessozialgericht wurden, deshalb bis zu 45 Euro im Monat weniger aus. "Das ist kein Pappenstiel", befand Senatsvorsitzender Dreher. Dennoch schloss er sich der Sicht der Rentenkasse an. Der Gesetzgeber habe diese Kürzung gewollt und seinen Spielraum damit auch nicht überschritten.

Wegen der widerstreitenden Ansichten im eigenen Haus konnte der Senat kein Urteil fällen, sondern nur einen Beschluss fassen: Die anderen für Rentenfragen zuständigen Richterkollegen werden offiziell gefragt, ob sie an dem alten Urteil festhalten. Das gilt allerdings als eher unwahrscheinlich. Denn der 13. Senat, an den sich die Anfrage richtet, hat die damalige Entscheidung gar nicht getroffen. Das war der 4. Senat, der seit einer Neuordnung der Zuständigkeiten im vergangenen Jahr nicht mehr über Rentenstreitigkeiten urteilen darf.

Am 29-01-2008

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