Steinmeier hatte seine Außenministerkollegen aus Großbritannien und Frankreich, Jack Straw und Philippe Douste-Blazy, zu einer kurzfristigen Beratung eingeladen. An dem Treffen nahm auch der EU-Außenbeauftragte, Javier Solana, teil. Kurz zuvor hatte der Iran die Urananreicherung wieder aufgenommen.
Die Außenminister kamen überein, den Gouverneursrat der IAEO zu befassen und eine außerordentliche Sitzung des Gremiums einzuberufen. Der Gouverneursrat besteht aus 35 Vertretern der Mitgliedsstaaten und bereitet die wichtigen politischen Entscheidungen der Organisation vor. Er soll den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einschalten.
Außenminister Straw sagte, dass es "keinen anderen Ausweg" gäbe. Der Iran wolle nicht mehr reden, sagte sein französischer Kollege Douste-Blazy. Der französische Außenminister mahnte größte Geschlossenheit der internationalen Staatengemeinschaft in dieser Frage an.
Nach Auffassung von Steinmeier tritt der Atomstreit mit dem Iran damit in eine neue Phase ein. Dennoch bleibe die Tür offen für Verhandlungen, "wenn der Iran Klarheit über die Ziele seines Atomprogramms schafft". "Wir wünschen eine diplomatische, eine Verhandlungslösung", sagte Solana. Die in Berlin getroffene Entscheidung entspreche aber unter den gegebenen Umständen der einhelligen Haltung aller EU-Mitgliedstaaten.
Mehrere europäische Staaten hatten in den vergangenen Tagen gesagt, dass Iran nicht der Irak sei und eine "militärische Lösung" der Auseinandersetzung nicht in Frage komme.
Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), warnte vor einem militärischen Schritt. Es werde nicht so leicht wie in der 80er Jahren sein, "mit einem Militärschlag das Problem zu lösen", sagte er. Damals hatte Israel irakische Atomanlagen mit einem Schlag zerstört. Brok wies darauf hin, dass man heute von etwa 40 teilweise unterirdischen Anlagen ausgehen müsse. Zudem dürfe die psychologische Wirkung im Nahen Osten bei einem Angriff auf einen islamischen Staat nicht außer Acht gelassen werden.
Nach Ansicht des Koordinators für deutsch-amerikanische Beziehungen im Auswärtigen Amt, Karsten Voigt, müsse man dem Iran mögliche negative Konsequenzen vorführen, sollte Teheran nicht an den Verhandlungstisch zurückkehren und der internationalen Gemeinschaft die Befürchtung nehmen, an einer Atomwaffe zu bauen. Hier hätten Deutschland, Europa und die USA das gleiche Interesse.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, man erwarte, dass der Iran "von weiteren einseitigen Maßnahmen Abstand nimmt und schon getroffene Maßnahmen zurücknimmt". Nach der Entscheidung der so genannten EU-Troika Deutschland, Großbritannien und Frankreich zur Einschaltung des UN-Sicherheitsrates werde es in der nächsten Woche ein Treffen mit Vertretern Russlands und Chinas geben, um über das weitere Vorgehen zu sprechen.
Die Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) befürchten, dass es zu einer Eskalationsspirale kommen könnte: "Wird das diplomatische Fenster nicht wieder geöffnet, befürchtet die IPPNW folgende Eskalationsspirale: Der Sicherheitsrat verhängt Sanktionen gegen den Iran. Die iranische Regierung und das iranische Volk begreifen die Sanktionen als Affront und werden sie nicht auf sich beruhen lassen. Die Situation läuft aus dem Ruder. Am Ende können sich die USA moralisch legitimiert fühlen, Irans Atomanlagen aus der Luft anzugreifen, mit oder ohne Zustimmung des Sicherheitsrates. Was dann folgen kann, zeigt der Irak."
Auch wenn die IPPNW einen weltweiten Ausstieg aus der Atomenergie befürworte und die jüngsten Äußerungen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad aufs Schärfste verurteile, habe "der Iran als Mitglied des Atomwaffensperrvertrages wie jedes andere Mitgliedsland das Recht, sämtliche Technologien zur friedlichen Nutzung der Atomenergie zu besitzen – auch zur Urananreicherung", schreibt die Organisation. "Deutschland, Belgien, Japan und andere nutzen dieses Recht längst."
Die Entwicklung dieser Technologie dürfe nicht Vorwand für einen Krieg sein. Das Problem der möglichen Weiterverbreitung von Atomwaffen durch die Weiterverbreitung der Technologien zur friedlichen Nutzung der Atomenergie muss nach Auffassung der IPPNW "prinzipiell gelöst werden – und zwar für alle Staaten dieser Welt gleich".
Die Atomwaffenstaaten, insbesondere die USA und Russland, hätten wenige Fortschritte im Hinblick auf das international vertraglich fixierte Ziel der totalen und eindeutigen Vernichtung von Atomwaffen gemacht, meint die Organisation. Staaten, die im Besitz großer atomarer Waffenlager seien, könnten andere Staaten "nicht glaubhaft dazu auffordern, ihre Kernwaffen zu zerstören oder ihr Streben nach dem Besitz dieser Waffen aufzugeben, wenn sie selbst keine Schritte unternehmen, ihre eigenen Waffenbestände zu vernichten".
An die iranische Regierung appelliert die IPPNW, ihre Bevölkerung nicht der Gefahr von Sanktionen oder gar einem Krieg auszusetzen, indem sie ein Atomwaffenprogramm entwickelt. Es müsse eine lückenlose Klärung der offenen Fragen erfolgen, um mit dem Vorwurf eines Verstoßes gegen den Artikel III des Nichtverbreitungsvertrages aufzuräumen.
Die IPPNW fordert von den europäischen Außenministern, sich für eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten einzusetzen. "Hetzreden oder die Sondierung militärischer Optionen durch alle Parteien verschärfen den Konflikt und lösen ihn nicht." Es dürfe keine Wiederholung "des Irak-Debakels" geben.