Die Einwilligung der EU, bis 2013 die Exportsubventionen für landwirtschaftliche Produkte abzuschaffen, war nach Auffassung von FIAN-Mitarbeiter Armin Paasch längst überfällig. Es sei blamabel, dass sie sich der Forderung der Entwicklungsländer nach einem Ende bis 2010 verweigert habe. "Alle anderen vermeintlichen Zugeständnisse verlangten von der EU keinerlei Änderung ihrer bisherigen Praxis. Den beschlossenen zoll- und quotenfreien Marktzugang für die meisten Exportprodukte der ärmsten Entwicklungsländer (LDCs) gewährt die EU ohnehin schon seit 2001." Auch die Unterstützungsgelder zur Verbesserung der Infrastruktur in diesen Ländern seien vor Hongkong schon längst beschlossene Sache gewesen. Mit der Abschaffung der Exportsubventionen auf Baumwolle bis Ende 2006, was vor allem die USA betreffe, werde nur ein bereits geltendes Urteil der Streitschlichtungskommission der WTO bestätigt.
Weitgehend ungelöst bleibt nach Affassung von FIAN die Frage nach den Schutzmöglichkeiten der Entwicklungsländer gegen Billigimporte von Grundnahrungsmitteln und anderen Produkten, die für das wirtschaftliche Überleben und das Menschenrecht auf Nahrung von Millionen KleinbäuerInnen von zentraler Bedeutung seien.
Auch ohne Exportsubventionen würden die EU und die USA ihre landwirtschaftlichen Produkte weit unterhalb der Produktionskosten absetzen und die lokalen Märkte von Kleinbauern in Entwicklungsländern "überfluten". Regelungen zum Abbau der Überschussproduktion oder zur Bindung interner Stützungen an soziale und ökologische Kriterien stünden nicht auf der Agenda.
"Im Landwirtschaftsbereich haben weder die EU noch die USA wirklich Federn gelassen", so Paasch. "Umso skandalöser ist es daher, dass für nicht-landwirtschaftliche Produkte eine Marktöffnungsformel beschlossen wurde, die in Entwicklungsländern zu Pleiten und Massenentlassungen in der Industrie, Fischerei und Forstwirtschaft führen könnte."
Auch für Dienstleistungen sei ein Verhandlungsmodus beschlossen worden, der den Liberalisierungsdruck auf Entwicklungsländer stark erhöht. Vieles hänge noch von der konkreten Ausgestaltung ab. "Das Pochen von Michael Glos auf die Interessen der eigenen Industrie lässt für den weiteren Verhandlungsverlauf nichts Gutes erahnen", prognostiziert Paasch. "Das Recht auf Nahrung und andere Menschenrechte dürfen nicht den Profitinteressen europäischer Industrie- und Dienstleistungsunternehmen geopfert werden."
Die Bilanz von FIAN: "Die EU hat ein paar Brosamen hingestreut, um sich im nächsten Jahr den großen Kuchen zu sichern."
Tanja Dräger de Teran von der Artenschutzorganisation WWF kritisierte, dass für die Entwicklungsländer nur minimale Erfolge erzielt worden seien. Die Bilanz für die Umwelt sehe noch schlechter aus.
Kurz nach dem Klimagipfel in Montreal hätten ökologische Fragen bei den Verhandlungen keine Rolle gespielt. Formal habe "die internationale Gemeinschaft" längst anerkannt, dass es einen Zusammenhang zwischen Umweltschutz und entwicklungspolitischen Problemen gebe, meint der WWF. Sie hätte die Möglichkeit gehabt, Subventionen an klare ökologische und soziale Kriterien zu knüpfen. Diese Chance sei aber in Hongkong vertan worden.
Die wenigen Erfolge seien fast ausschließlich der Geschlossenheit der Entwicklungsländer zu verdanken, so Dräger. Gemeinsam sei es ihnen gelungen durchzusetzen, dass sie sich künftig gegen "Importfluten" schützen dürften. Auch der nach Auffasung des WWF "größte Erfolg" der WTO-Konferenz - ein konkretes Datum für das Auslaufen der EU-Exportsubventionen - gehe zum großen Teil auf das Konto der Entwicklungsländer. Die Exportsubventionen sollen 2013 enden. Bislang habe die EU jährlich 3,4 Milliarden Euro gezahlt, um EU-Produkte weit unterhalb ihrer Produktionskosten auf dem Weltmarkt verkaufen zu können.
Der WWF fordert, dass der Welthandel auf nachhaltige Füße gestellt wird. "Die Spielregeln des internationalen Handels haben entscheidenden Einfluss auf den Klimaschutz und die Bekämpfung der weltweiten Armut. Man kann sich als Industrieland nicht einerseits zu dem UN-Milleniumsziel bekennen, den Anteil der Armen weltweit bis zum Jahr 2015 zu halbieren, und zugleich Handelserleichterungen für die Entwicklungsländer torpedieren", so Dräger. Genau das hätten aber in Hongkong viele Regierungen von den USA bis zur EU getan.
Nach den WTO-Vereinbarungen sollen die Industriezölle nach der so genannten "Schweizer Formel" gesenkt werden, die besagt, dass höhere Zölle stärker gesenkt werden als niedrigere. Für die deutsche Wirtschaft bedeutet dies, dass sie künftig günstiger Waren in Entwicklungsländer exportieren kann. Nach Angaben der deutschen Bundesregierung können die bisherigen "Grenzformalitäten" bis zu 5 Prozent des Warenwertes ausmachen.
Für die deutsche Bundesregierung hat es aber noch zu wenig Bewegung in der Frage der Dienstleistungsmärkte und beim Abbau von Industriezöllen gegeben. Deutschland und die EU hätten auf "Zugeständnisse der Entwicklungsländer" gehofft. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos sagte dazu: "Das Ergebnis in Hong Kong bleibt hinter den Erwartungen zurück." Er kündigte an, bei den Folgeverhandlungen in Genf "die Marktöffnungsinteressen unserer Industrie mit allem Nachdruck zu vertreten".