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Flüge in Foltergefängnisse?

Regierung und Opposition bitten USA wegen CIA-Flügen um "Aufklärung"

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Die Affäre um geheime CIA-Flüge im deutschen Luftraum mit gefangenen Terrorverdächtigen schlägt immer höhere Wellen. Politiker von Koalition und Opposition verlangten am Montag Aufklärung über die angebliche Kenntnis des früheren Bundesinnenministers Otto Schily von den Vorfällen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, bei ihrem Treffen mit US-Außenministerin Condoleezza Rice das Verhalten Washingtons im Kampf gegen den Terrorismus zu kritisieren. Nach einem Bericht der Zeitung "Washington Post" wurde Schily bereits im Mai 2004 vom ehemaligen US-Botschafter Daniel Coats über die Verschleppung eines deutschen Staatsangehörigen informiert und um Stillschweigen gebeten. Der gebürtige Libanese soll wegen einer Verwechslung mit einem Terrorverdächtigen von der CIA nach Afghanistan geflogen und dort fünf Monate lang verhört worden sein.


Die neue Bundesregierung hat bislang offenbar keine Erkenntnisse darüber, ob Schily etwas über den Fall wusste. "Wir sind dabei, diesen Vorgang zu rekonstruieren", sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, die Geheimflüge seien am Dienstag eines der Themen des Gesprächs zwischen Merkel und Rice. Im Übrigen habe Washington zugesagt, umfassend und zeitnah Stellung zu dem CIA-Komplex zu nehmen.

FDP-Vizechef Jörg-Uwe Hahn forderte die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, erwartet, dass die Vorwürfe aufgeklärt werden. Auch der stellvertretende Unions-Fraktionschef Andreas Schockenhoff betonte: "Wir gehen davon aus, dass sich die Vereinigten Staaten an internationale Vereinbarungen, an internationales Recht halten. Und wir gehen auch davon aus, dass Rice gegenüber der Bundesregierung darüber eine Erklärung abgibt." In solchen Fragen müsse es "eine klare Abstimmung mit den Amerikanern auf Augenhöhe" geben.

Die Generalsekretärin von Amesty Deutschland, Barbara Lochbihler, betonte, die Bundesregierung sei verpflichtet, allen Menschenrechtsverletzungen auf ihrem Hoheitsgebiet nachzugehen und deutsche Staatsangehörige vor Folter zu schützen. Merkel müsse bei ihrem Treffen mit Rice auch mit Blick auf das US-Gefangenenlager in Guantanamo mahnen, dass es auch im Kampf gegen den Terrorismus keine "rechtsfreien Räume" geben dürfe. Lochbihler forderte zudem eine stärkere Kontrolle der Geheimdienste an.

Schulz: Vom Frankfurter Flughafen in die Foltergefängnisse?

Der SPD-Europaabgeordnete Martin Schulz mahnte, die Karten müssten nun alle auf den Tisch. Wenn über EU-Gebiet tatsächlich CIA-Transporte von Gefangenen zu Foltergefängnissen stattgefunden hätten, wäre dies nach seinen Worten ein schwer wiegender Verstoß gegen internationales Recht. Schulz betonte, sollte Schily davon gewusst haben, wäre dies "bedenklich".

In der Debatte rückt der deutsche Flughafen Frankfurt am Main immer mehr ins Blickfeld. Für den britischen Journalisten Stephen Grey hat "außerhalb von Washington" kein Flughafen eine so "zentrale Rolle gespielt wie Frankfurt", sagte Grey am Sonntag in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Das Drehkreuz Frankfurt sei nicht nur fürs Auftanken bestimmt gewesen, sondern "war ein Herzstück des gesamten Programms".

Nach den Worten von Grey gab es auf keinem europäischen Flughafen mehr CIA-Flüge als dort: nämlich mindestens 170 Starts und Landungen zwischen 2001 und 2004. Das zeige die Analyse von über 1000 geheimen Flugdaten. Durch Vergleiche von Gefangenenberichten mit Flugdaten meint Grey, auch normale CIA-Flüge und Gefangenentransporte unterscheiden zu können: In "mindestens zehn Fällen" könne er "durch die Übereinstimmung von Gefangenenberichten mit Flugdaten" belegen, dass die CIA-Flugzeuge für Gefangenentransporte benutzt worden sind.

Bei der Analyse der Flugdaten ist Grey den Angaben zufolge aufgefallen, dass sich mehrere Tage vor Gefangenentransporten oder Entführungen immer wieder mehrere CIA-Flugzeuge in Frankfurt getroffen haben - so zum Beispiel auch vor der Entführung des Imam Abu Omar am 17. Februar 2003 aus Mailand. Grey schließt daraus, dass die CIA-Residenz in Frankfurt "die Logistik vorbereit und Operationen gestartet" haben könnte.

Dass Deutschland bei CIA-Gefangenentransporten eine größere Rolle gespielt hat als bisher angenommen, zeigt möglicherweise auch das Kidnapping von Abu Omar. Nach Erkenntnissen der mailändischen Staatsanwaltschaft soll der Entführte von Italien über Ramstein nach Ägypten geflogen worden sein. Außerdem gehe aus ihren Akten hervor, dass es in der Zeit um die Entführung herum einen regen Telefonverkehr zwischen Mailand und Deutschland gegeben habe.

Angeblich mehr als 400 geheime CIA-Flüge über Deutschland

Der Zeitschrift "Spiegel" zufolge hat die Bundesregierung eine Liste von Bewegungen und Landungen getarnter CIA-Flugzeuge in Deutschland in der Hand. Danach habe der US-Geheimdienst die Bundesrepublik in mindestens 437 Fällen für seine Flüge genutzt. Die Statistik sei von der Deutschen Flugsicherung aufgrund einer Anfrage der Links-Fraktion angefertigt worden. Laut Liste nutzten zwei auf Privatfirmen zugelassene Flugzeuge der CIA 2002 und 2003 in 137 beziehungsweise 146 Fällen deutschen Luftraum oder landeten auf deutschen Flughäfen, wie es in dem Bericht weiter heißt.

Links-Fraktionschef Oskar Lafontaine betonte, über die Zeitung "Washington Post" habe Rice "mehr als angedeutet, dass 'bedeutende Regierungen' beziehungsweise deren Geheimdienste über die CIA-Flüge informiert gewesen seien". Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse nun unverzüglich mitteilen, ob zu diesen "bedeutenden Regierungen" auch ihre Vorgängerregierung unter Gerhard Schröder gehört habe oder deutsche Geheimdienste informiert gewesen seien. Es sei "auffallend, wie zurückhaltend das Thema bisher von Politikern der SPD und von den Grünen behandelt worden" sei, meint Lafontaine.

FDP-Fraktionsvize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger warf der Bundesregierung vor, bisher "keinen besonderen Ehrgeiz" gezeigt zu haben, über die Tatsachen "umfassend und unverzüglich aufzuklären". Insbesondere kritisierte sie die "nachlässige Informationspolitik" in Bezug auf parlamentarische Anfragen. "Es kann nicht sein, dass die Beantwortung auf die lange Bank geschoben wird, während bereits erdrückende Indizien vorliegen, dass Gefangenenflüge mit Start und Landung in Deutschland stattfanden", meint die Politikerin. Hier stehe auch der frühere Außenminister Joseph Fischer in der Verantwortung. Er müsse zu einer raschen Aufklärung beitragen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, forderte von der Bundesregierung Auskunft darüber, was sie von den angeblichen CIA-Gefangenenflügen gewusst habe, "mit denen Menschen in Gefängnisse und Staaten verbracht wurden, in denen regelmäßig Aussagen erpresst und gefoltert" werde.

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