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Castor angekommen

Umweltschützer und Innenminister für Atomtransport-Stop

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Begleitet von Protestaktionen ist am frühen Dienstagmorgen der neunte Atommülltransport mit zwölf Castorbehältern im atomaren Zwischenlager Gorleben angekommen. Während der Zug-Transport verhältnismäßig wenig Behinderungen ausgesetzt war, blockierten Tausende Demonstranten mehrfach das Straßenstück zwischen Dannenberg und Gorleben. Atomkraftgegner zogen eine insgesamt positive Bilanz der Proteste. Sie begrüßten besonders die Forderung von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) im nächsten Jahr keinen Castor-Transport nach Gorleben durchzuführen, forderten allerdings die Politik auf, auf die weitere Produktion strahlender Abfälle zu verzichten und einen Atomausstieg einzuleiten, "der diesen Namen wirklich verdient".


Letzlich werde rund um Gorleben der Konflikt über das ungelöste Atommüllproblem nur stellvertretend für die ganze Gesellschaft ausgetragen, sagte Jochen Stay, Sprecher der Initiative X-tausendmal quer. Frau Merkel habe sich schon einmal - während ihrer Zeit als Umweltministerin - "am Widerstand im Wendland die Zähne ausgebissen", so Stay. "Sie macht einen großen Fehler, wenn sie jetzt auf den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke setzt."

Bis zum frühen Montagabend hatten Castorgegner an mehreren Punkten die Transportstrecke blockiert. Erst kurz nach 4.30 Uhr am Montagmorgen hatte die Polizei die Blockaden geräumt. Der wenig später vom Verladebahnhof Dannenberg startende Straßentransport der zwölf Castoren zum 20 Kilometer entfernten Zwischenlager verlief nach Polizeiangaben reibungslos. Um 5.54 Uhr passierte der erste Tieflader das Tor des Zwischenlagers. Der Transport war am Samstagabend in Frankreich gestartet.

Viele Sitzblockaden

Direkt in Gorleben fanden sich nach Polizeiangaben rund 650, nach Veranstalter-Angaben über 1000 Menschen zu drei Sitzblockaden zusammen. In Grippel gelangten zwei Traktoren ungehindert auf die Straßentransportstrecke nach Gorleben - im Schlepptau mehrere Betonblöcke. 17 Atomgegner ketteten sich an die Fahrzeuge. Als die Polizei anrückte, gelangten ganz in der Nähe sechs weitere Demonstranten unbemerkt auf die Transportstrecke und ketteten sich an zwei Leichenwagen fest.

In einem der Leichenwagen waren drei Demonstranten verborgen. Sie hatten sich an ein Stahlgerüst sowie an einen Betonblock angekettet, der im Auto verborgen war, durch den Unterboden ragte und automatisch auf die Straße sank, als die Aktivisten die Reifen zerstachen. Die Polizei benötigte mehrere Stunden, um an den runden Betonblock heranzukommen und ihn samt angeketteten Demonstranten von der Straße zu rollen.

Auf erhebliche technische Schwierigkeiten stieß die Polizei auch bei den Traktoren. Die Demonstranten hatten sich unter anderem an die Räder gekettet - so konnten die Trecker nicht einfach von der Straße gefahren werden.

Der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft, Georg Jansen, der sich an ein Rad gefesselt hatte, war schon im vergangenen Jahr an Aktionen beteiligt. Widerstand sei Pflicht, die Bauern müssten ihre Heimat verteidigen, sagte er.

Bereits am Samstag hatten sich nach Angaben von Umweltshcützern rund 4000 Menschen in Hitzacker an einer Kundgebung gegen den Atommüllzug beteiligt.

Mehrere Verletzte

Bereits am Freitag wurden in Lüchow bei einer Demonstration mehrere Schüler verletzt, nach Angaben der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg durch die Polizei. In der Nacht zum Dienstag wurde nach offiziellen Angaben eine Polizistin bei der Auflösung einer Sitzblockade in Gorleben von einem Wurfgeschoss knapp oberhalb des Auges getroffen. Polizei-Gesamteinsatzleiter Friedrich Niehörster warf dem Anti-Atom-Protest eine zunehmende Aggressivität vor. Neben Eiern seien auch Steine in Richtung der Polizisten geflogen. Insgesamt wurden fünf Polizisten sowie 14 Demonstranten verletzt, davon nach Angaben von Umweltschützern vier Menschen schwer.

In Grippel wurde ein Konfliktbeauftragter der Polizei verletzt - allerdings nicht durch Atomkraftgegner, sondern durch einen Polizisten aus Berlin. Der hatte ausgeholt, als der Konfliktbeamte sich schlichtend zwischen ihn und die Demonstranten gestellt hatte. Nach Angaben der Bürgerinitiative war bereits am Freitag ein Polizist verletzt worden, als seine Kollegen ein symbolisches "Atommüllfass", das Demonstranten über das Einfahrtstor der Polizeikaserne in Lüchow geworfen hatten, wieder zurück warfen.

16.000 Polizisten im Einsatz

Auf dem letzten Teilstück, der Straßenstrecke von Dannenberg nach Gorleben, sicherten rund 7500 Polizisten den Atommülltransport nach Gorleben. Insgesamt waren in den vergangenen Tagen bundesweit knapp 16.000 Einsatzkräfte von Landes- und Bundespolizei im Einsatz. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) bezifferte die voraussichtlichen Kosten für die Sicherung des Transports auf rund 20 Millionen Euro.

Innenminister fordert Transport-Stop für 2006

Für das kommende Jahr forderte Schünemann, den Transport wegen der Fußball-WM in Deutschland auszusetzen. Dafür könnten 2007 statt bisher 12 pro Jahr möglicherweise 18 Castoren von der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague nach Gorleben verbracht werden. X-tausendmal-quer-Sprecher Stay forderte, das Transport-Moratorium zu nutzen, um eine deutliche Wende in der Atompolitik einzuleiten, "hin zu einem Ausstieg, der diesen Namen wirklich verdient". Nur ein Ende der Atommüll-Produktion könne das bis heute ungelöste Atommüll-Problem eingrenzen.

Umweltminister will Gorleben-Endlager und längere AKW-Laufzeiten

Unterdessen verlangte der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) die Wiederaufnahme der Prüfung Gorlebens als atomares Endlager ohne gleichzeitige Prüfung anderer Standorte. Zugleich forderte er die Union auf, die Frage längerer Laufzeiten für Atomkraftwerke noch einmal auf den Tisch zu bringen. Die SPD habe sich in der Frage des Atomausstiegs zu stark durch die Grünen beeinflussen lassen, sagte der FDP-Politiker.

Robin Wood warnte dagegen, die Koalitionsparteien hätten den Zeitdruck so erhöht, dass eine wissenschaftlich seriöse, vergleichende Standortsuche unmöglich sein werde. Der neue Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sei in der Pflicht, sich mit der nötigen Sorgfalt um die ungelöste Endlagerfrage zu kümmern, sagte Energiereferentin Bettina Dannheim. "Eine schnelle Entscheidung für einen Standort dient nur den Energiekonzernen, nicht aber der Sicherheit eines Endlagers und dem Schutz der Bevölkerung."

Gorleben fehlt Deckgebirge

Francis Althoff, Sprecher der BI Lüchow-Dannenberg, verwies darauf, dass das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) vor wenigen Tagen in einer umfangreichen Studie festgestellt habe, dass Salz als Endlagermedium nur geeignet sei, wenn ein mächtiges Deckgebirge zur Abdichtung nach oben vorhanden sei. Genau dieses unverletzte Deckgebirge habe Gorleben nicht. Dies sei seit Abschluss der ersten Standortuntersuchungen im Jahre 1982 klar. "Für jede verantwortungsvolle Regierung, die sich nicht am Gängelband von E.ON und Co. vorführen lässt, heißt das: Gorleben ist als Atommüllager gestorben", sagte Althoff.

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte ein Moratorium für weitere Atomtransporte. Diese dürften erst wieder stattfinden, wenn ein Atommüllendlager gefunden worden sei. Es sei unsinnig, in den nächsten zehn Jahren noch rund 100 Castoren nach Gorleben zu bringen, wenn laut Koalitionsvertrag die neue Bundesregierung in vier Jahren die Endlagerfrage gelöst haben wolle.

"Öffentlichkeit über Endlager getäuscht"

Renate Backhaus, Atomexpertin im BUND-Bundesvorstand, kritisierte, für den Betrieb von Atomkraftwerken gebe keine Grundlage. Nur ein Gesetzestrick erlaube es den Stromkonzernen, die Reaktoren weiter zu betreiben, indem Zwischenlager wie Gorleben als Entsorgungsnachweis dienten. So werde die Öffentlichkeit über das Fehlen eines Endlagers hinweggetäuscht.

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