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"Diskriminierung der Ehe"

Karlsruhe kippt Zweitwohnungssteuer bei verheirateten Beruftstätigen

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Kommunen dürfen von Verheirateten keine Steuern mehr auf eine berufsbedingte Nebenwohnung verlangen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Die Erhebung der Zweitwohnungssteuer in diesen Fällen diskriminiere die Ehe, heißt es in dem am Donnerstag in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss. Der Erste Senat erklärte die entsprechenden Satzungen der Städte Hannover und Dortmund für verfassungswidrig und nichtig.


Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) rechnet nun mit Einnahmeausfällen von "bis zu 20 Millionen Euro pro Jahr". Der Karlsruher Beschluss entfalte aber keine Rückwirkung, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Helmut Dedy, in Berlin. Bestandskräftige Steuerbescheide blieben davon unberührt. Nur wer Widerspruch eingelegt habe, könne auf eine Rückzahlung hoffen.

Das Verfassungsgericht betonte, dass die Zweitwohnungssteuer eine "besondere finanzielle Belastung des ehelichen Zusammenlebens" darstelle. Diese Benachteiligung sei nicht gerechtfertigt. Die Besteuerung führe zu einer "ökonomischen Entwertung der Berufstätigkeit an einem anderen Ort als dem der Ehewohnung". Steuerlich belastet werde nämlich die Entscheidung, die gemeinsame eheliche Wohnung nicht aufzulösen.

Nach Angaben des Deutschen Städte- und Gemeindebunds lagen die gesamten Einnahmen durch die Zweitwohnungssteuer im Jahr 2004 bundesweit bei etwa 55 Millionen Euro. Im laufenden Jahr dürften die Einnahmen auf 60 bis 80 Millionen Euro steigen, sagte Dedy. Die künftigen Einnahmeausfälle durch die Karlsruher Entscheidung - die sich nur auf verheiratete Berufstätige beziehe - liege bei maximal einem Viertel der Gesamtsumme. Dedy wies darauf hin, dass die Zweitwohnungssteuer generell überwiegend in Fremdenverkehrsgemeinden erhoben werde. Diese blieben aber bei der Verfassungsgerichts-Entscheidung "außen vor".

Die Zweitwohnungssteuer ist eine fiskalisch vergleichsweise geringe Größe. Die Einnahmen lagen im Jahr 2003 bei bundesweit 54,7 Millionen Euro, während die gesamten Steuereinnahmen netto bei 46,76 Milliarden Euro lagen, wie ein Sprecher des Deutschen Städtetags in Berlin betonte.

Die beiden Kläger in dem Verfahren hatten jeweils an ihrem Beschäftigungsort in Hannover beziehungsweise Dortmund eine Wohnung gemietet, um von dort aus werktags ihren Arbeitsplatz zu erreichen. An den Wochenenden und den arbeitsfreien Tagen wohnten sie in ihren ehelichen Wohnungen an einem anderen Ort.

Hannover erhebt seit 1994 eine Zweitwohnungssteuer, Dortmund seit 1998. In den vorliegenden Fällen hatte die Stadt Hannover die Zweitwohnungssteuer auf jeweils 368 Euro pro Jahr festgesetzt, die Stadt Dortmund auf jeweils 165 Euro. Dagegen legten die beiden Betroffenen jeweils Widerspruch ein. Nachdem sie vor den Verwaltungsgerichten gescheitert waren, reichten sie Verfassungsbeschwerden ein, die nun erfolgreich waren.

Dedy kritisierte den Karlsruher Beschluss aus inhaltlichen Gründen. Es sei "schwer zu verstehen" und "etwas bemüht", die Steuer für verheiratete Berufstätige unter Berufung auf den besonderen Schutz der Ehe zu kippen. Diese Steuer diene letztlich dazu, Infrastrukturmaßnahmen der betroffenen Kommunen mitzufinanzieren. (AZ: 1 BvR 1232/00 und 1 BvR 2627/03 - Beschluss vom 11. Oktober 2005)

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