Denn in dem seit Mitte Januar geltenden Gesetz wird - dem Wortlaut nach - der Verteidigungsminister dazu ermächtigt, von Terroristen gekaperte Zivilmaschinen, die als Waffe eingesetzt werden sollen, im Notfall abschießen zu lassen.
Schily sagte jedoch, für einen Abschuss von Passagiermaschinen müssten zwei Faktoren zusammentreffen, die aber "in der Realität nie" zusammenkämen. Zum einen müsste der "Unglücksfall" - also das Steuern der Maschine in ein Gebäude - unmittelbar bevorstehen und damit das "Leben der Passagiere besiegelt" sein. Zum selben Zeitpunkt müsste aber laut Gesetz noch "die Möglichkeit eines Eingriffs" bestehen. "Ich kann aber einen solchen Zeitpunkt nicht erkennen", sagte Schily. Auch als bei den Terroranschlägen des 11. September 2001 erkennbar gewesen sei, dass die entführten Flugzeuge in das World Trade Center fliegen würden, sei "ein Eingreifen nicht mehr möglich" gewesen.
Später aber schilderte der Minister genau so einen Fall, bei dem beide Faktoren in der Realität fast zusammen gekommen waren. Schily verwies auf den Irrflug eines Sportflugzeugs über Frankfurt am Main am 5. Januar 2003, bei dem der geistig verwirrte Pilot in das Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB) zu stürzen drohte. Kampfjets hatte den 32-jährigen Mann schließlich zur Landung gezwungen. Wenn in einem solchen Fall ein Terrorist am Steuer säße, würde das Gesetz Schilys Ausführungen zufolge also doch "greifen". Es sei theoretisch auch denkbar, dass "eine Passagiermaschine ohne Passagiere von Terroristen entführt wird", fügte er hinzu.
Einer der Kläger - der Rechtsanwalt und frühere Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch - nannte Schilys Äußerungen eine "Überraschung". Demnach könne "zwar ein Passagierflugzeug abgeschossen werden, aber nur, wenn man gegen das Gesetz verstößt", sagte Hirsch.
Auch mehrere Verfassungsrichter zeigten sich verwundert über Schilys Gesetzesauslegung. "Wenn ein Flugzeug mit Passagieren nicht abgeschossen wird, warum steht das dann nicht im Gesetz?", fragte Richter Wolfgang Hoffmann-Riem.
Richterin Christine Hohmann-Dennhardt sagte: "Mir ist immer unklarer, was der Gesetzgeber eigentlich hatte regeln wollen?" Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier fragte, ob das Gesetz nicht zu unbestimmt sei und es sich der Gesetzgeber "nicht etwas zu einfach gemacht" habe.
Schily betonte, die Bundesregierung halte daran fest, dass "nicht Leben gegen Leben geopfert" werden dürfe. Dies würde den Grundsätzen der Verfassung widersprechen. Dennoch: Es sei "falsch", anzunehmen, dass damit die Anwendungsgrundlage des Luftsicherheitsgesetzes entfalle.
Gegen das Gesetz klagen neben Hirsch - der sich selbst als "Vielflieger" sieht - ein Flugkapitän, ein Patentanwalt und drei weitere Rechtsanwälte. Sie argumentieren, dass sie durch diese Eingriffsmöglichkeiten in ihren Grundrechten auf Menschenwürde und Leben verletzt werden. Sie würden "im Ernstfall geopfert und vorsätzlich getötet".
Der Politiker Hirsch meint, der bundesdeutsche Staat nehme sich hier zum ersten Mal in seiner Geschichte "das Recht, Menschen in Friedenszeiten das Leben zu nehmen, die sich völlig rechtmäßig verhalten haben".