DIE Internet-Zeitung
Würdigung und scharfe Kritik an der deutschen "Parlamentsarmee"

50 Jahre Bundeswehr

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Mit einem "Großen Zapfenstreich" vor dem Berliner Reichstagsgebäude hat die Bundeswehr als Mittwochabend feierlich ihren 50. Geburtstag begangen. Rund 400 Soldaten marschierten unter den Klängen des "Yorckschen Marsches" zu dem Musik- und Fackel-Zeremoniell vor dem Parlamentsgebäude auf. Zusammen mit rund 4500 geladenen Gästen verfolgten Bundespräsident Horst Köhler, der amtierende Bundeskanzler Gerhard Schröder, der scheidende Verteidigungsminister Peter Struck sowie Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan das traditionelle militärische Schauspiel. Gegen den Großen Zapfenstreich protestierten zwischen 1200 (Polizeiangaben) und 2000 (Veranstalter) Bundeswehrgegner, die in Berlin-Mitte vom Alexanderplatz in Richtung Reichstagsgebäude zogen.


Der ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) hat die Bundeswehr als eine "Armee des Volkes" gewürdigt. Zum 50-jährigen Bestehen dieser Armee sagte Scholz dem Nachrichtensender N24 am Mittwoch, die "große Konzeption" vom Bürger in Uniform sei "voll in die Tat umgesetzt worden".

Scholz sprach dafür aus, der Bundeswehr künftig zusätzliche Einsätze im Landesinnern zu ermöglichen. Innere und äußere Sicherheit seien nicht voneinander zu trennen, meint er. In Fragen terroristischer Bedrohung könne die Polizei keinen wirksamen Schutz gewährleisten. Das könne letztlich nur die Bundeswehr. "Deshalb werden wir die Rechtsgrundlagen zu schaffen haben zum Wohle unseres Landes und zur Sicherheit unserer Menschen", sagte Scholz dem Sender.

Der CDU-Politiker begrüßte die Übereinkunft von Union und SPD, an der allgemeinen Wehrpflicht festzuhalten. Die Wehrpflicht habe sich bewährt. Dies gelte auch in Hinsicht auf den Nachwuchs für eine Berufsarmee. Aus den Wehrpflichtigen rekrutierten sich später "die wirklich guten Berufssoldaten".

Mit Blick auf die Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte verwies NATO-Generalsekretär de Hoop Scheffer darauf, dass sowohl die Allianz als auch die Bundeswehr heute überall dort eingesetzt werden könnten, wo dies "zur Verteidigung gemeinsamer Werte und Interessen" erforderlich sei. Im Zeitalter der Globalisierung sei die Unterscheidung zwischen nahen und fernen Regionen längst obsolet geworden.

Bundestagspräsident Norbert Lammert gab der Bundeswehr im Rahmen der Parlamentsveranstaltung zum Jubiläum im Namen des Parlaments ein Versprechen: "Wir, der deutsche Bundestag, wissen, dass wir uns auf diese Armee verlassen können. Und die Soldatinnen und Soldaten sollen wissen, dass sie sich auf dieses Parlament verlassen können."

Aufgerufen zu den Protesten hatte ein breites Bündnis der Friedensbewegung. 1250 Polizisten und rund 600 Soldaten sollen im Einsatz gewesen sein, um das Zeremoniell zu schützen. Die Kriegsgegner stellten ihre Aktion unter das Motto "50 Jahre Bundeswehr sind 50 Jahre zuviel! Zapfenstreich Abpfeifen!". Auf Plakaten war unter anderem zu lesen "Nein zur BRD und ihrer Armee", "70 Prozent meiner Rente für neue Offizierspatente" und "Null-Stunden-Woche in der Rüstungsindustrie".

Seit Juni dieses Jahres überziehe die Bundeswehr das ganze Land "mit öffentlichen Gelöbnissen, Zapfenstreichen, Waffenshows und anderen Darbietungen des Militarismus", um den 50. Jahrestag ihrer Aufstellung zu feiern, kritisierte das Bündnis der Friedensbewegung. Wer sich als Parlamentsarmee verstehe, lade sich nicht 7500 exklusive Ehrengäste ein, "um sich mit 9000 Polizisten von der Mehrheit der Bevölkerung abzuschotten". Wer "entschieden für Frieden" eintrete, baue keine Interventionstruppen auf, beteilige sich nicht an so genannten Schnellen Eingreiftruppen der EU und der Nato und gebe sich nicht Verteidigungspolitische Richtlinien, die den Einsatz der Armee "geografisch nicht mehr eingrenzen" wollten.

Wofür die Bundeswehr wirklich stehe, gebe sie mit ihrem Ritual zu erkennen, heißt es in dem gemeinsamen Aufruf zu den Protesten weiter. Der Zapfenstreich sei das zentrale Ritual der preußisch-deutschen Militärgeschichte. "Es steht für eine Jahrhunderte währende Tradition von Kadavergehorsam, Großmachtpolitik, Kolonialkriegen, Hurra-Patriotismus und Folgsamkeit im faschistischen Vernichtungsfeldzug."

Diese Traditionslinie führe direkt zu den Angriffskriegen, die die Bundeswehr in ihrer jüngsten Vergangenheit und gegenwärtig unternehme. Nachdem sie zunächst "unter dem Deckmantel humanitärer Einsätze" agiert habe, sei sie "mit der Beteiligung am Nato-Krieg gegen Jugoslawien 1999 und der anschließenden Besetzung des Kosovo sowie dem Einsatz in Afghanistan seit 2001 zu offenen Kriegseinsätzen" übergegangen. Der abendliche Fackelumzug des 26. Oktober tauche die Bundeswehr "in das schummrige Licht, das dem deutschen Militarismus zusteht".

Die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär kritisierte, "das schöne Wort Parlamentsarmee" klinge fälschlicherweise so, als würden Umfang, Ausrüstung und Einsatz des Militärs durch den Bundestag bestimmt. Wesentliche Entscheidungen bezüglich der Bundeswehr seien jedoch immer wieder am Bundestag vorbei getroffen worden.

Die Kampagne erinnerte angesichts des Bundeswehr-Jubiläums an die Gründung dieser Armee. Wehrmachtsgenerale hätten an den Details der deutschen Wiederbewaffnung gearbeitet, noch bevor es überhaupt eine Bundesrepublik, geschweige denn einen Bundestag gegeben habe.

Als es 1950 konkret geworden sei mit der "neuen Wehrmacht", habe es den Deutschen Bundestag gegeben. Dennoch sei die "Himmeroder Denkschrift", mit der auf der geheimen "Himmeroder Konferenz" einstige Wehrmachtsgenerale "die Remilitarisierung der BRD" vorbereitet hätten, ohne Beteiligung von Abgeordneten verfasst worden. Auch habe diese dem Bundestag nie vorgelegen. Eine Volksbefragung zur Wiederbewaffnung sei verboten und kriminalisiert worden.

1992 sei mit den "Verteidigungspolitischen Richtlinien" Deutschland als "kontinentale Mittelmacht mit weltweiten Interessen" definiert worden. Aus Interesse an der "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt" werde darin ein militärischer Auftrag abgeleitet. "Hat der Bundestag je zugestimmt?", fragt die friedenspolitische Initiative.

"Und wo blieb das Parlament, als das Kommando Spezialkräfte, eine geheime Truppe für verdeckte Operationen aufgestellt wurde?" Was in KSK-Einsätzen geschehe, sei jeder parlamentarischen Kontrolle entzogen. Anfragen von Abgeordneten zum Agieren der Sondereinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan würden nicht beantwortet werden.

Das Militär plane Einsätze "von vornherein am Parlament vorbei", kritisiert die Initiative. Einsatzpläne im Rahmen der schnellen Eingreiftruppe von EU und NATO gingen von einer "Abmarschbereitschaft" innerhalb von 72 Stunden aus. So werde der Parlamentsvorbehalt unterlaufen, und es bleibe dem Bundestag nur noch, Einsätze "nachträglich abzusegnen". Damit das in Zukunft leichter möglich sei, habe das Parlament sich mittlerweile zumindest teilweise selbst entmachtet. Im Entsendegesetz von 2004 sei festgelegt, welche Einsätze überhaupt keiner Zustimmung des Parlaments mehr bedürften und bei welchen ein Einsatz als angenommen gelte, sofern nicht eine Fraktion oder mindestens fünf Prozent aller Abgeordneten binnen einer Woche eine Befassung des Bundestages verlangten.

"Besondere Vorkommnisse" wie die schweren Misshandlungen von Rekruten in Coesfeld sind nach Auffassung der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär nur die Spitze eines Eisbergs. Eine Parlamentarische Kontrolle über die Zustände in den Kasernen und die Praktiken der Ausbildung fände kaum statt. Statt dessen beschränke sich der Bericht des Wehrbeauftragten jedes Jahr darauf, "Hunderte solcher Vorkommnisse im Nachhinein zu beklagen".

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