Der verhaftete Frost-Chef soll von Anfang Februar 2004 bis Ende April 2005 rund 119.000 Kilogramm genussuntaugliche Schweineschwarten in mehreren Lieferungen an eine Firma in Rheinland-Pfalz verkauft haben. Diese laut Staatsanwaltschaft wohl "gutgläubige Firma" stellte daraus Speisegelatine her und verkaufte diese weiter.
Von Dezember 2003 bis Mai 2005 soll er außerdem in mehr als 50 Fällen Geflügelabfälle in einer Menge von rund 760.000 Kilogramm als genusstaugliche Ware an zwei ebenfalls "wohl gutgläubige Firmen" in Bayern und Thüringen verkauft haben, die diese Ware im Lebensmittelbereich verarbeiteten und weiterverkauften. Aus sichergestellten Geschäftsunterlagen ergibt sich der Memminger Staatsanwaltschaft zufolge der Verdacht, dass der Beschuldigte Fleischabfälle auch nach Italien und Frankreich als genusstaugliche Ware weiterverkaufte.
Exemplarisch für die Vorgehensweise des Beschuldigten sei, dass er in der Schweiz als ungenießbar deklarierte Schweineschwarten billig kaufte, nach Deutschland importierte und meist noch am gleichen Tag an seine Abnehmerfirmen verkaufte. Dabei legte er beim Verkauf andere Begleitpapiere vor, die die Fleischabfälle als genusstauglich deklarierten.
Das Amtsgericht Memmingen erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft am Montag Haftbefehl gegen den Deggendorfer Firmenchef. Er wurde von der Kriminalpolizei festgenommen und in die zuständige Justizvollzugsanstalt gebracht.
Bauernverbandspräsident Sonnleitner forderte im Fleischabfallskandal ein "hartes Durchgreifen". Das Vorgehen gegen solche Verbrechen sei bisher "viel zu lasch" gewesen. Es müsse auch geprüft werden, wer mit den Drahtziehern Geschäfte gemacht habe und ob diese Firmen nicht hätten wissen müssen, auf welchen Handel sie sich einließen.
Bayerische Rückholaktion offenbar gescheitert
Die geplante Rückholaktion der falsch deklarierten Schlachtabfälle ist offenbar gescheitert. "Mit größter Wahrscheinlichkeit gibt es aus den Lebensmittelregalen in Bayern nichts mehr zurückzuholen, weil das Material schon verzehrt ist", sagte der Sprecher des bayerischen Verbraucherschutzministeriums, Roland Eichhorn, am Sonntag in München. Trotzdem wollte Bayern nicht die Namen der Firmen veröffentlichen, die die Abfälle zu Lebensmitteln verarbeitet haben, so dass Verbraucher betroffene Produkte meiden könnten.
Im Freistaat wurde verunreinigtes Material an zwei Unternehmen in Niederbayern und Oberfranken geliefert, die inzwischen durchsucht wurden. Im Fall der niederbayerischen Firma sei davon auszugehen, dass die Fleischabfälle "längst" in den Handel gekommen und schon verbraucht seien, sagte Eichhorn. Bei der oberfränkischen Firma wurden bei der Kontrolle vier Tonnen illegal gelagerter Fleischabfälle entdeckt und beschlagnahmt. Dort sei der Fall schwieriger, da das Unternehmen nur als Zwischenhändler fungiert habe und noch nicht klar sei, wohin weiteres Material gegangen ist, so Eichhorn.
Er sagte, dass "definitiv keine Gesundheitsgefahren" bei Verzehr der Schlachtabfälle bestünden. Der Vorfall sei allerdings äußerst ekelerregend. Es werde alles dafür getan, um den Skandal vollständig aufzuklären und solche "kriminellen Machenschaften" künftig auszuschließen.
Am Freitag war bekannt geworden, dass 2600 Tonnen Schlachtabfälle illegal umetikettiert und in die Produktion von Lebensmitteln geschleust worden waren. Als Urheber des Skandals zeichnet sich laut Eichhorn immer mehr die Deggendorfer Firma Frost GmbH ab. Die Tierreste landeten innerhalb Deutschlands neben den beiden bayerischen Firmen bei weiterverarbeitenden Betrieben in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen. Zudem gingen auch nach Italien, Frankreich und Ungarn Lieferungen.
Der amtierende Bundesverbraucherschutzminister Jürgen Trittin (Grüne) nannte das Eingeständnis aus Bayern, dass die Rückholaktion gescheitert sei, "erschütternd". Im Interesse der Verbraucher müsse Bayerns Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf (CSU) sofort die Hersteller der Lebensmittel nennen, die aus den "ekelerregenden Schlachtabfälle" produziert worden seien. Trittin betonte zugleich, es sei inakzeptabel, "dass die gesamte deutsche Lebensmittelwirtschaft wegen der kriminellen Energie einiger weniger Betriebe und der Nicht-Informationspolitik des bayerischen Ministers unter einen Generalverdacht gerät".
Schnappauf wies die Kritik zurück. Trotz aller Schwierigkeiten werde die Rückverfolgung der Waren fortgeführt. Entsprechende Forderungen von Trittin seien daher "obsolet". Im Übrigen habe Bayern dem Bundesverbraucherschutzministerium alle Informationen einschließlich der Namen und Anschriften der Firmen sofort mitgeteilt. "Wenn der Bund eine Veröffentlichung für rechtlich zulässig hält, bleibt ihm dies unbenommen", sagte Schnappauf.