Die langfristige vertragliche Bindung von Stadtwerken und Regionalversorgern an die etablierten Ferngasunternehmen hat nach Ansicht der Kartellwächter bislang Wettbewerb auf dem Gasmarkt verhindert. Das Bundeskartellamt hatte deshalb Verfahren eingeleitet und vor einigen Wochen ein Schreiben an 15 Ferngasgesellschaften versendet, in dem es die von den Unternehmen einzuhaltenden Verpflichtungen nennt, die für eine Verfahrenseinstellung notwendig sind. Diese Punkte seien zuvor in den seit Januar diesen Jahres laufenden Verhandlungen und Gesprächen mit den Ferngasgesellschaften diskutiert worden. Der angestrebte Kompromiss hätte nach Einschätzung des Kartellamtes einen weichen Übergang hin zu mehr Wettbewerb auf den Gasmärkten bedeutet.
Vorgesehen war eine stufenweise Öffnung der Gasmärkte ab dem Gaswirtschaftsjahr 2006/2007: In der ersten Stufe hätte das Bundeskartellamt den Unternehmen eingeräumt, bestehende und künftige Lieferungen an Gasweiterverteiler in einem Gesamtumfang von bis zu 35 Prozent des Gasabsatzes an Gasweiterverteiler von der Öffnung auszunehmen. Ursprünglich waren nur 12 Prozent vorgesehen. In der zweiten Stufe, die mit dem Gaswirtschaftsjahr 2007/2008 begonnen hätte, wäre die Freimenge auf 9 Prozent reduziert worden, was den Unternehmen nach Einschätzung des Kartellamtes genug Raum für unternehmensindividuelle Sonderfälle gelassen hätte. Die vom Bundeskartellamt angestrebte Konsenslösung sollte zudem im Rahmen einer de-minimis Regel die Ausnahme kleiner Abnehmer mit einem Gesamtgasbedarf von bis zu 200 GWh aus der Marktöffnung vorsehen, sofern sie dies wünschen.
E.ON Ruhrgas hat die Konsenslösung nach Angaben des Amtes scheitern lassen, weil sie vorsah, dass Liefermengen nur im Einvernehmen mit dem Abnehmer in die Freimenge aufgenommen werden können. E.ON Ruhrgas habe dies aber einseitig und ohne Zustimmung der Abnehmerseite bestimmen wollen und diese damit auch gegen deren ausdrücklichen Wunsch weiter an sich binden können. "Die beiderseitige Zustimmung des Gasabnehmers und des Gaslieferanten zur Aufnahme in die Freimenge ist in einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung unabdingbar", lehnte der Präsident des Bundeskartellamtes, Ulf Böge, das Ansinnen ab. Eine einseitige und selektive Festlegung durch die etablierten Gaslieferanten hätte einzelne Kunden "noch lange gefangen gehalten". "Hiervon wären insbesondere die Unternehmen betroffen, die sich schon jetzt für eine Marktöffnung einsetzen und aus dem System der Langfristverträge aussteigen wollen", so Böge.
Das Bundeskartellamt kündigte an, langfristige Gaslieferverträge nun im Verfügungswege anzugreifen, wobei eine schnelle gerichtliche Klärung angestrebt werde. Kartellamtspräsident Ulf Böge nannte ein Aufbrechen der langfristigen Gaslieferverträge "unabdingbar". Das Bundeskartellamt habe sich in einem offenen und transparenten Verfahren dafür eingesetzt, die Interessen aller Marktteilnehmer im Rahmen eines Kompromisses zu berücksichtigen. "Mit dem Scheitern der Konsenslösung wird das Bundeskartellamt nun die sofortige Umsetzung der Marktöffnung auf dem rechtlichen Weg umsetzen", kündigte Böge an.
E.ON Ruhrgas kündigte an, ihren Kunden eigene Vorschläge "für eine flexible Gestaltung von langfristigen Gaslieferverträgen" zu unterbreiten und damit eine freiwillige Selbstverpflichtung einzugehen. "Wir werden bei Neuverträgen Begrenzungen in Laufzeit oder Lieferumfang anbieten und bei Altverträgen Übergangsregelungen schaffen", sagte Burckhard Bergmann, Vorsitzender des Vorstands der E.ON Ruhrgas AG. Diese "freiwillige Selbstverpflichtung" unterstreiche die Kompromissbereitschaft, "die E.ON Ruhrgas bereits in den Gesprächen mit dem Kartellamt gezeigt hatte", so das Unternehmen.