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Vorsitzender der Bischofskonferenz

Kardinal Lehmann predigte über den Umgang mit der Macht

Am

Die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz hat am Dienstag den Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann (69) für eine weitere Amtszeit von sechs Jahren zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz wiedergewählt. Kardinal Lehmann ist seit 1987 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz als Nachfolger des Kölner Erzbischofs Joseph Kardinal Höffner. Lehmann tritt nun seine vierte Amtszeit an. In seiner Predigt am Dienstag zeichnete Kardinal Lehmann ein ambivalentes, letztlich aber positives Bild der Macht.


Die Worte Jesu beim ersten Rangstreit seiner Jünger, wonach der, der der Erste sein wolle, der Letzte von allen und der Diener und Sklave aller sein solle, seien keine generelle Kritik an der Macht, sondern nur am Mißbrauch der Macht, meint Lehmann.

Macht als innerster Kern von Herrschaft sei immer umstritten und umkämpft. Viele Menschen wollten Macht, andere würden ihre Macht genießen, so Lemann. "Wieder andere litten unter ihrer Ohnmacht. Menschen, die Macht ausüben, scheuen manchmal vor ihr zurück und empfinden sie als Last. Viele lassen sich korrumpieren und missbrauchen ihre Macht. Mancher will gar nicht wahrhaben, dass er Macht hat und auch ausübt. Einige verteufeln die Macht als Ausbund des Bösen; manche vergötzen sie geradezu. Durch Macht wird Leid zugefügt. Manchmal ist sie auch ein Segen. Sie ist zutiefst ambivalent."

"Entgegen manchem Anschein muss man jedoch sagen, dass Macht zunächst gut ist", meint der Kardinal. "Es ist anzuraten, Macht anzunehmen und sie auch auszuüben. Es ist nicht gut, Macht zu leugnen, wenn man sie hat, und es ist ganz schlecht, sie nicht auszuüben, wenn man dennoch die Verantwortung dafür hat."

Kardinal Lehmann verweist auf P. Stefan Kiechle SJ zum Umgang mit Macht: "Nehmen Sie Ihre Macht an und üben Sie sie aus. Sie ist ein gutes Mittel, um Gutes zu tun. Sagen Sie ja zur Welt. Je mehr Macht Sie haben, desto mehr haben Sie Verantwortung für das Gute. Üben Sie Ihre Macht mit Mut und Vertrauen aus, mit Freude und Dank, aber auch mit Achtsamkeit und Respekt, mit Sorge und Furcht. Nehmen Sie auch Ihre Ohnmacht an, in Geduld und Demut, und akzeptieren Sie das Leiden, das aus ihr folgt. Tun Sie, was nötig und möglich ist: nicht mehr – Sie würden sich und andere überfordern –, aber auch nicht weniger – Sie würden Ihrer Verantwortung nicht gerecht werden."

Jesus: "Die Mächtigen lassen sich Wohltäter nennen" "Freilich wissen wir", fährt Lehmann in seiner Predigt fort, "wie subtil die Macht mit ihrer Gier und Lust und Leidenschaft in uns eindringt." Gerade weil sie im Grund auch zum Guten diene, könne sie uns erst recht verführen. Dabei gehe es nicht nur um grobe Macht im Sinne der Gewalt, um technisch ausgeübte Gewalt, wo man nur auf den Knopf drückt und scheinbar saubere Hände behält. "es gibt Gewalt auch als Gehirnwäsche. Sie kann auch mit Medikamenten und Drogen verbunden sein. Das vor allem auch mit dem Unbewussten, nicht zuletzt in Propaganda und Werbung, kann die Menschen abhängig machen und regelrecht knechten. Besonders schlimme Schleichwege der Macht, die sich nicht selten unter dem Mäntelchen des Guten verstecken, sind Intrigenspiel und Verleumdung."

Jesu Wort vom Dienen setzt nach Auffassung Lehmanns an die Stelle des Verhältnisses von "falscher Über- und Unterordnung" das Verhältnis einer "bereitwilligen Dienstbarkeit gegenüber den Schwestern und Brüdern auf freiwilliger Basis, auch wenn es deshalb nicht so etwas wie Gehorsam leugnet."

Der Kardinal verweist auf das Lukas-Evangelium, wonach das Wort vom Dienen mitten in die Feier des Herrenmahles hinein gehöre: "Es entstand unter ihnen ein Streit darüber, wer von ihnen wohl der Größte sei. Da sagte Jesus: Die Könige herrschen über ihre Völker, und die Mächtigen lassen sich Wohltäter nennen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Kleinste, und der Führende soll werden wie der Dienende. Welcher von beiden ist größer: wer bei Tisch sitzt oder wer bedient? Natürlich der, der bei Tisch sitzt. Ich aber bin unter euch wie der, der bedient."

Lehmann schloss seine Predigt mit den Worten: "So üben wir alle in jeder Eucharistiefeier neu dieses Dienen im Geiste Jesu Christi ein. Wer Macht ausübt, der sollte an den Verrat des Judas denken, besonders aber an das einschneidende und zur Umkehr bewegende Wort Jesu, das gewiss im Kern von ihm selbst stammt: 'Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein.' Amen."

Lehmann zur Wahl: Enttäuschung und Schockreaktionen in der Wirtschaft und an der Börse

Zu Beginn der Herbstvollversammlung der Bischöfe am Montag hatte sich Kardinal Lehmann in Fulda besorgt über den Ausgang der Bundestagswahl gezeigt. "Es werden einige Gräben überwunden werden müssen", sagte er mit Blick auf das unklare Ergebnis, das Mehrheiten weder für das bürgerliche Lager noch für Rot-Grün hergibt.

Lehmann zeigte sich überzeugt, dass in der nun entstandenen Situation "auch scheinbar Unerreichbares" gefordert sei. Zugleich verwies er auf verhaltene Reaktionen im Ausland auf die Wahl in Deutschland sowie auf Enttäuschung und Schockreaktionen in der Wirtschaft und an der Börse.

Kardinal Lehmann und die Deutsche Bischofskonferenz

Die Deutsche Bischofskonferenz ist ein Zusammenschluß der Bischöfe aller Diözesen in Deutschland. Neben den Diözesanbischöfen gehören ihr die Koadjutoren, die Diözesanadministratoren und die Weihbischöfe an. Zu den Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz zählen eigenen Angaben zufolge das Studium und die Förderung gemeinsamer pastoraler Aufgaben, gegenseitige Beratung, "notwendige Koordinierung der kirchlichen Arbeit", gemeinsame Entscheidungen, die Pflege der Verbindung zu anderen Bischofskonferenzen und der Kontakt zum Apostolischen Stuhl.

Lehmann wurde am 16. Mai 1936 in Sigmaringen geboren. Nach dem Studium der Theologie und Philosophie in Freiburg und Rom wurde er am 10. Oktober 1963 zum Priester geweiht. Von 1968 bis 1971 war er Professor am Lehrstuhl für Dogmatik II der Katholisch-Theologischen Fakultät in Mainz, von 1971 bis 1983 Professor für Dogmatik und Ökumenische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Freiburg im Breisgau.

Papst Johannes Paul II. ernannte Lehmann am 23. Juni 1983 zum Bischof von Mainz. Knapp vier Monate später, am 2. Oktober 1983, weihte Kardinal Hermann Volk ihn zum Bischof. Am 28. Januar 2001 schließlich ernannte Papst Johannes Paul II. ihn zum Kardinal, die Kardinalserhebung erfolgte am 21. Februar 2001.

Zum stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz wurde Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff (64), Aachen, für eine Amtszeit von sechs Jahren wiedergewählt.

Zudem hat die Vollversammlung den Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Dr. Hans Langendörfer SJ (53), erneut für eine Amtszeit von sechs Jahren als Sekretär wiedergewählt. Ebenso wurde sein Stellvertreter, Dr. Rainer Ilgner (61), für eine Amtszeit von sechs Jahren wiedergewählt.

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