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Mit großer Mehrheit

Europaparlament kippt umstrittene Software-Patent-Richtlinie

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Das Europaparlament hat am Mittwoch mit überraschend großer Mehrheit die sogenannte Software-Patent-Richtlinie der EU-Kommission abgelehnt. 648 der 680 anwesenden Abgeordneten stimmten gegen den vor allem von Großkonzernen begrüßten Entwurf, 14 dafür, 18 enthielten sich. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen hatten vor den Planungen gewarnt, die es ermöglicht hätten, Computerprogramme an sich patentieren zu lassen. Nach ihrer - von Globalisierungskritikern und Netz-Aktivisten wie auch dem Deutschen Bundestag geteilten - Ansicht genügt auch für Software das Urheberrecht. Dem Richtlinien-Entwurf fehlte nach Ansicht seiner Kritiker eine klare Abgrenzung patentierbarer Erfindungen zu reiner Software und deren Bestandteilen wie mathematischen Algorithmen. In den letzten Monaten waren die Lobby-Anstrengungen der Industrie immer stärker geworden, doch auch immer mehr Bürger und Unternehmen hatten gegen die ihrer Ansicht nach katastrophalen Auswirkungen des Entwurfs protestiert. Das Europaparlament zog jetzt die Konsequenzen und lehnte erstmalig in seiner Geschichte in zweiter Lesung ein Gesetz ab.


Das Parlament hatte den Entwurf bereits einmal faktisch in sein Gegenteil verkehrt. Doch die Kommission wischte in einem umstrittenen Verfahren die Einwände der Abgeordneten wie auch verschiedener nationaler Parlamente vom Tisch. Auch der Deutsche Bundestag hatte sich einstimmig gegen den Entwurf ausgesprochen, was allerdings das Bundesjustizministerium nicht davon abhielt, ihn nichtöffentlich zu unterstützen.

Jetzt bleibt es für Software bei den Regeln des Urheberrechts. Das Urheberrecht schützt nur den jeweiligen Programmcode, während es nach der Parlaments-Entscheidung in Europa zulässig bleibt, eine Idee auf anderem Wege umzusetzen. In den USA dagegen hält der Buchhändler Amazon ein Patent auf die Idee, ein Produkt mit einem Mausklick zu kaufen.

"Der Durchmarsch der Softwaregiganten konnte erfolgreich aufgehalten werden", begrüßte Christoph Bautz, Pressesprecher des Online-Bürgernetzwerks Campact, nun die Entscheidung des Parlaments. Die Bürger Europas hätten "einen wichtigen Erfolg gegen Softwaremonopole" errungen, kommentierte auch Oliver Moldenhauer vom globalisierungskritischen Netzwerks Attac: "Trotz massivem Lobbyeinsatz der Softwaregiganten konnten sich diesmal die Partikularinteressen der Großindustrie nicht durchsetzen."

Die mittelständisch geprägte europäische Software-Industrie hätte nach Einschätzung der Patent-Gegner nicht die finanziellen Mittel gehabt, sich juristisch gegen angebliche Patent-Verletzungen zu wehren. Wegen der hohen Kosten von Patenten hätten sie auch keine Sammlungen erteilter Patente gehabt, die sie im Rahmen eines "Nichtangriffspakts" mit anderen Unternehmen hätten tauschen können. Auch für freie Software wie das Betriebssystem Linux, das Büropaket OpenOffice oder den WWW-Browser Firefox hätte die Richtlinie wohl das Ende bedeutet, ebenso für solche Grundlagen des Internet wie die überwiegend verwendete Web-Server-Software Apache. Denn kaum einer der teilweise ehrenamtlich arbeitenden Entwickler hätte Patente für eigene Ideen beantragen, Lizenzen kaufen oder Patentanwälte für die patentrechtliche Überprüfung der Software bezahlen können.

Die Ablehnung der Richtlinie sei allerdings nur die zweitbeste Lösung, sagte Attac-Sprecher Moldenhauer: "Besser wäre ein Beschluss des Parlamentes gewesen, die Richtlinie so zu ändern, dass Softwarepatente effektiv ausgeschlossen werden." Die aktuelle rechtswidrige Patentierungspraxis des Europäischen Patentamtes müsse gestoppt werden - entweder durch die nationalen Gerichte oder durch eine neue Richtlinie. Denn das Europäische Patentamt hat eine große Zahl an Patenten erteilt, bei denen es an der patentierbaren Erfindung fehlt, wie auch Befürworter zugeben. Patent-Gegner sprechen von fast 30.000 solcher illegal erteilter Patente.

Die Free Software Foundation Europe forderte daher ein Aufsichtsinstrument für das Europäische Patentamt zu schaffen, das das Patentamt für seine Entscheidungen "zur Rechenschaft zieht und einen weiteren Verfall des Patentsystems verhindert". Viele Probleme seien durch die Unfähigkeit der Europäischen Union entstanden, das Europäische Patentamt für seine Verstöße gegen EU-Recht zur Verantwortung zu ziehen.

Um die Richtlinie trotz der zweiten Ablehnung durch das Parlament doch noch durchzusetzen, müßte das komplette Verfahren neu starten. Die EU-Kommission hat allerdings erklärt, bei einer erneuten Ablehnung durch das Parlament keinen neuen Anlauf starten zu wollen.

Befürchtungen, Erfindungen könnten jetzt schutzlos sein, trat Stefano Maffulli, italienischer Repräsentant der Free Software Foundation, entgegen: "Dieses Ergebnis berührt in keinster Weise Patente auf High-Tech-Erfindungen", sagte Maffulli. "High-Tech-Innovationen waren schon immer patentierbar, und sie wären auch dann patentierbar geblieben, wenn die Richtlinie mit allen Änderungen beschlossen worden wäre." Darauf hinzuweisen sei wichtig, weil die Befürworter von Patenten auf Software-Logik versucht hätten, die Menschen zu verwirren, indem sie behaupteten, bei dieser Richtlinie ginge es um High-Tech-Erfindungen.

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