"Auch zehn Jahre nach dem Debakel um die geplante Versenkung der Ölverladeplattform Brent Spar hat Shell nicht viel gelernt", sagt Greenpeace-Ölexperte Karsten Smid. "Zwar behauptet die Konzernführung, sie habe durch die Greenpeace-Kampagne ihre damalige Arroganz gegenüber Umweltbelangen inzwischen aufgegeben. Aber tatsächlich ist der Schutz der Meere und Wale für sie immer noch lästige Nebensache." In Hochglanzbroschüren präsentiert Shell einen Grauwal vor Sachalin in friedlicher Nachbarschaft zu den Ölprojekten. Der Konzern leugnet, dass die Ölausbeutung die Wale in irgendeiner Form beeinträchtigen könnten, obwohl wissenschaftliche Studien dies nahelegen, die das Konsortium selbst in Auftrag gegeben hat.
Im Februar 2005 kamen die unabhängigen Walforscher der Weltnaturschutzunion IUCN erneut zu dem alarmierenden Ergebnis, dass Lärm und Ölverschmutzung die Meeressäuger gefährdet. Die Tiere kommen nicht zur Ruhe und magern ab. Zudem werden die Grauwale bei der Fortpflanzung gestört. Die Westpazifischen Grauwale gehören zu den am stärksten bedrohten Walbeständen der Weltmeere. Unter den verbliebenen hundert Tieren leben nur noch 23 fortpflanzungsfähige Weibchen. Die bis zu 14 Meter langen und 35 Tonnen schweren Wale nutzen in den Sommermonaten die Piltun-Bucht von Sachalin für ihre Nahrungssuche.
Trotz internationaler Kritik an dem Sachalin-Projekt hat das Konsortium unter Shell nur kosmetische Änderungen vorgenommen. So wurde der ursprüngliche Verlauf einer Pipeline um einige Kilometer geändert, um den Nahrungsraum der Wale nicht zu beeinträchtigen. Das Ölkonsortium "Sakhalin Energy Investment Company" will in den nächsten Jahren mindestens 12 Milliarden Dollar in "Sakhalin II" investieren. Seinen Firmensitz hat es in der Steueroase Bermudas. "Da geht es um ungestörten Profit", erklärt Smid, "denn dort sind die Ölfirmen auch vor Verfolgung sicherer, falls sie zur Verantwortung für Umweltschäden gezogen werden."