Die festgeschriebene Verpflichtung zur militärischen Aufrüstung ohne Ziel und Grenze sei nicht erwähnt worden und die meisten Bürger wüssten auch gar nichts von ihr, so die Friedensgesellschaft. Gerade wenn man für ein friedliches, demokratisches und soziales Europa eintrete, müsse man gegen diese Verfassung sein.
Der Bundesausschuss Friedensratschlag schrieb: "Kein Wort von der Aufrüstungsverpflichtung, der sich laut Art. 41, Abs. 3, alle Mitgliedsstaaten unterwerfen, kein Wort von den europäischen Streitkräften, die auch ohne UN-Mandat in aller Welt Kriege führen dürfen (Art. 309, 1), kein Wort auch von der 'Verteidigungsagentur' (Art. 41, 3), die künftig so etwas wie einen überstaatlich organisierten militärisch-industriellen Komplex bilden soll. Und kein Wort davon, dass die Außen- und Sicherheitspolitik auch künftig vom EU-Parlament nicht mit entschieden werden kann (das EU-Parlament kann nur 'gehört' werden)."
Das Verschweigen solcher militärischer Implikationen des EU-Verfassungsvertrags liege ganz auf der Linie der bisherigen Desinformationspolitik von Bundesregierung und etablierten Parteien, sagte Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag. Statt wirklich Transparenz herzustellen und den Bürgern klaren Wein einzuschenken, "wetteifere die politische Klasse im Tarnen und Täuschen". Es sei "traurig, wenn eine einzige Abgeordnete - Frau Gesine Lötzsch (PDS) - eine Reihe kritischer Einwände der Friedensbewegung" in die Debatte eingebracht habe.
Wenn 569 Abgeordnete von 594 den Verfassungsvertrag absegneten, sich zwei enthielten und nur 23 dagegen stimmten, dann zeige dies, wie weit sich der Bundestag von den politischen Meinungen und Haltungen der Bevölkerung entfernt habe. Repräsentative Umfragen in Deutschland hätten in den letzten Wochen eine relativ stabile Pattsituation zwischen Befürwortern und Gegnern der Verfassung belegt. Dabei sei die Anzahl der Bürger/-innen, die sich überhaupt keine Meinung gebildet hätten, "erschreckend hoch" gewesen.
Diesen Eindruck hätte auch die Friedensbewegung, die am Mittwoch in vielen Städten an zentralen Orten unter Passanten Probeabstimmungen veranstaltet habe, schreibt der Bundesausschuss Friedensratschlag. "Der größte Teil der Passanten hat sich nicht beteiligt, weil er sich nicht oder nur unzureichend informiert fühlt. Mehr als 90 Prozent derjenigen, die abgestimmt hätten, hätten vor allem kritisiert, dass es in Deutschland keine Volksabstimmung über die EU-Verfassung gebe.
83 Prozent haben kritisiert, dass die Verfassung ihre Mitgliedstaaten zur permanenten Verbesserung ihrer militärischen Fähigkeiten verpflichte und 78 Prozent, dass die Verfassung EU-Militäreinsätze rund um den Globus ermögliche. Auf die abschließende Frage, ob "Sie nach Ihrem jetzigen Kenntnisstand eher für oder gegen die EU-Verfassung" stimmen würden, hätten überhaupt nur 70 Prozent geantwortet. Von ihnen hätten sich aber mit 76 Prozent eine klare Mehrheit gegen die Verfassung ausgesprochen. Berechnet auf die Gesamtzahl der 3.000 Befragten seien "das immerhin 53 Prozent".
Es werde sich "als schwerwiegender historischer Fehler" herausstellen, dass der deutschen Bevölkerung eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung verweigert wurde. Identifikation mit der Verfassung und der EU insgesamt könne auf diese Weise nicht entstehen. Der Bundesausschuss befürchte "eine innere Abkehr vom europäischen Gedanken und eine Zunahme nationalistischer Tendenzen."
Die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) äußerte sich ebenfalls kritisch. Die Einbindung in die "Europäische Sicherheitsstrategie" habe der EU-Generalsekretär und Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, "folgerichtig und deutlich ausgeführt". Nach Aussage der DFG-VK habe Solana gesagt: "Eine Union mit 25 Mitgliedern und einem Verteidigungsgesamthaushalt von 160 Milliarden Euro sollte in der Lage sein, mehrere Operationen gleichzeitig auszuführen. Wir müssen eine strategische Kultur entwickeln, die frühe, schnelle und, falls erforderlich, robuste Interventionen fördert."
In der "EU-Sicherheitsstrategie" heißt es laut DFG-VK weiter: "Bei den neuen Bedrohungen wird die erste Verteidigungslinie oftmals im Ausland liegen". Die Grenze zum Angriffskrieg sei durchlässig.