Der neue Passus im Telemediengesetz kommt vor allem auf Druck der Unterhaltungsindustrie, die ohne Umweg über die Strafverfolgungsbehörden direkten Zugriff etwa auf die Daten von Tauschbörsennutzern haben will. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hält die damit verbundenen Einschränkungen der Privatsphäre für unverhältnismäßig. "Während kein Supermarkt auf die Idee käme, die Kfz-Kennzeichen seiner Kunden auf dem Parkplatz zu notieren, werden die IP-Adressen jedes Internetnutzers von den Zugangsprovidern über einen längeren Zeitraum gespeichert", sagte vzbv-Vorstand Edda Müller. Der Druck einer einzelnen Lobbygruppe dürfe aber nicht zu einer totalen Transparenz im Internet führen.
Um dem ausufernden Sammeln von Verbraucherdaten im Internet Einhalt zu gebieten, forderte der Verbraucherzentrale Bundesverband bei einer Anhörung des Bundeswirtschaftsministeriums in Bonn auch an anderen Stellen Nachbesserungen im Telemediengesetz. So müsse für die Nutzer transparent sein, welche Daten zu welchem Zweck erhoben und gespeichert werden. Der Grundsatz von Datensparsamkeit und Datentransparenz sowie die Möglichkeit einer weitgehenden Anonymität im Internet müsse sich durch das gesamte Gesetzeswerk ziehen. Der Nutzer müsse Herr des Verfahrens und seiner persönlichen Daten bleiben. Das "Opt-In-Prinzip" - eine eindeutige vorherige Willenserklärung des Nutzers - müsse als Grundprinzip im Gesetz verankert werden. Die Verbraucherschützer nannten besonders die Erstellung von Nutzerprofilen unter Verwendung von Pseudonymen. Der Entwurf sieht hingegen vor, Nutzern nur Widerspruchsrechte gegen die Nutzung ihrer Daten zu gewähren.
Wichtig ist den Verbraucherscützern auch eine strikte Trennung zwischen dem Vertragsschluss und der Einwilligung in die Verwendung personenbezogener Daten für Werbung und Marketing.
Immer mehr Vorgänge des täglichen Lebens werden in elektronischen Netzen abgebildet. Während Bürger und Verbraucher sich im "realen Leben" (noch) weitgehend unbeobachtet und anonym bewegen können, wird ihr Verhalten im Internet beinahe lückenlos aufgezeichnet. So werden bei vielen Webadressen Nutzerdaten standardmäßig abgefragt.
Der Schutz der Privatsphäre ist in elektronischen Netzen alles andere als selbstverständlich. Grund sind nicht nur die stetig wachsenden Begehrlichkeiten von Behörden, Wirtschaft und sonstiger privater Stellen nach Informationen über die Menschen und ihr Verhalten im Netz. Hinzu kommen auch neue Gefährdungen der Nutzer durch E-Mail-Spam, "Phishing" oder sonstigen Datendiebstahl.
"Statt dem Bürger Möglichkeiten an die Hand zu geben, von seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Gebrauch zu machen, wird weiter der Contentindustrie in die Hände gespielt, der man erweiterte Auskunftsrechte zugestehen will", kritisierte STOP1984. Leidtragender sei wie immer der Bürger, der gegen die Begehrlichkeiten in Bezug auf seine Daten immer weniger Schutz genieße. Eine solche Gesetzgebung auch noch "umter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes" zu initiieren, zeuge "von einer geradezu perversen Einstellung des Ministeriums, was den Datenschutz angeht".
Der vorgelegte Entwurf sei ein Schlag ins Gesicht jeden Bürgers und in dieser Form nicht tragbar, so STOP1984: "Das Bundeswirtschaftsministerium sollte sich in seinen geplanten Gesetzgebungen von der einseitigen Sichtweise, die der Entwurf erneut belegt, verabschieden und sich auf die Wahrung des Datenschutzes sowie eines Verbraucherschutzes, der diesen Namen verdient, besinnen." Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband hält eine bessere Absicherung der Nutzer vor zuviel Informationshunger und Datenneugier von dritter Seite für dringend notwendig. Das aktuelle Gesetzesvorhaben biete "die Gelegenheit nachzubessern".
Wie Datenschützer berichten, waren die kritischen Punkte übrigens noch vor wenigen Wochen nicht im Entwurf enthalten.