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Vor Ratifizierung

Ungewöhnlich scharfe Kritik wegen EU-Verfassung

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Am kommenden Donnerstag wird der Deutsche Bundestag über die Ratifizierung der EU-Verfassung entscheiden. Es wird eine breite Zustimmung erwartet. In der Union wollen nach Angaben des CSU-Europapolitikers Gerd Müller etwa 20 Abgeordnete von CDU und CSU mit Nein stimmen. Vertreter der deutschen Friedensbewegung nannten die Informationspolitik der Bundesregierung "skandalös". Die Regierung würde "schönen, lügen und verschweigen". Besonders empörend sei die Weigerung der etablierten Parteien, eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung zuzulassen. Gerade wenn landauf landab beklagt werde, dass in der Bevölkerung der europäische Einigungsgedanke unterentwickelt sei, wäre es gut gewesen, eine öffentliche Debatte über den Verfassungsvertrag in Gang zu setzen, meint der Bundesausschuss Friedensratschlag. Dessen Ansicht nach entwickelten Bürgerinnen und Bürger nur dann ein Interesse an Europa, wenn sie über "grundlegende Weichenstellungen der europäischen Politik" mitentscheiden dürften. Währenddessen hätten in Frankreich "Demokratie und Transparenz gesiegt", weil auch über die neoliberalen und militaristischen Aspekte der Verfassung offen und breit gesprochen worden sei.


Auch die globalisierungskritische Organisation "Attac" führte seinen Widerstand fort. Unter dem Motto "Nein zu diesem EU-Verfassungsvertrag - Ja zu einem sozialen, demokratischen und friedlichen Europa" startete Attac eine Aktion, der sich nach eigenen Angaben 188 Intellektuelle und politisch Aktive aus Deutschland angeschlossen hatten.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag sieht es als sicher an, dass der vorliegende EU-Verfassungsentwurf "mit überwältigender Mehrheit aller Fraktionen" ratifiziert "und dies als bedeutender Schritt zur politischen Integration Europas abgefeiert" wird. Die Friedensbewegung teile jedoch "weder die Euphorie der politischen Klasse", noch "ihre Zuversicht, damit das gut zwei Wochen später stattfindende Referendum in Frankreich in ihrem Sinn positiv beeinflussen zu können."

Aktionen am Vorabend der Bundestagssitzung

Am Vorabend der Bundestagssitzung würden in zahlreichen Städten in Deutschland Aktionen und Informationsveranstaltungen stattfinden, kündigte der Bundesausschuss an. Dort wollten Organisationen und Gruppen der Friedens- und globalisierungskritischen Bewegung "über die Inhalte des EU-Verfassungsvertrags aufklären."

Hier liege nämlich "der größte Skandal der 'Informationspolitik' von Bundesregierung und Parteien." Eine wirkliche Information über den Inhalt der EU-Verfassung sei bisher systematisch verweigert und durch schönfärberische Beschwichtigungen ersetzt worden. Auch Attac schrieb, die Bevölkerung sei weder korrekt informiert noch befragt worden.

"Die Bundesregierung schönt"

Die Informationskampagne der Bundesregierung rede die Verfassung schön, indem sie mit der Charta der Grundrechte die "Glanzlichter" der Verfassung herausstelle, kritisiert der Bundesausschuss. Doch brauche es dazu keine neue Verfassung.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland enthalte, wie die Verfassungen der meisten anderen Staaten auch, einen ähnlichen Grund- und Menschenrechtskatalog. Was "hier als Fortschritt gefeiert" werde, sei also schon "längst" gültiges Recht.

"Die Bundesregierung lügt"

"Gelogen" werde bei der Kampagne der Bundesregierung, wenn behauptet werde, eine Ablehnung der Verfassung durch eine Volksabstimmung oder ein Parlament würde die Einheit der EU gefährden. In Wahrheit behielten im Falle des Scheiterns dieser Verfassung alle bisher geschlossenen EU-Verträge ihre Gültigkeit.

Der überwiegende Teil dessen, was im Verfassungsvertrag zusammengefasst werden solle, sei bereits geltendes EU-Recht und bleibe dies auch, so der Bundesausschuss Friedensratschlag.

Weitere Integrationsschritte seien auf dem "normalen Weg der Vereinbarung durch den Europäischen Rat jederzeit möglich." Der Verfassungsentwurf selbst müsse bei Ablehnung allerdings überarbeitet und neu diskutiert werden.

"Die Bundesregierung verschweigt"

Der Bundesausschuss meint: "Die Info-Kampagne der Bundesregierung verschweigt hartnäckig, dass die EU-Verfassung einen umfangreichen Teil enthält, der die Militarisierung der EU regelt." Die Bestimmungen der Art. I-41 oder III-309 ff fänden "in den Hochglanzprospekten der Regierung keinen Platz."

Dabei habe die Bundesregierung allen Grund gehabt, gerade darüber zu informieren, seien doch die Bestimmungen zur Außen- und Sicherheitspolitik das wirklich Neue im EU-Vertragssystem.

"Politische Klasse fördert Eurosklerose"

Besonders empörend sei die Weigerung der etablierten Parteien, eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung zuzulassen. Gerade wenn die Institutionen der EU für viele Menschen "weit weg" und "anonym" seien und eine Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit Europa "nicht in Sicht" sei, wäre es gut gewesen, eine öffentliche Debatte über den Verfassungsvertrag in Gang zu setzen.

Die Parteien im Bundestag gäben sich gegenseitig die Schuld, dass es nicht zu einer Volksabstimmung in Deutschland kam. In Wirklichkeit hätten sie das "aus Angst vor den Wählern" gar nicht gewollt. Die "politische Klasse" dürfe sich dann aber auch nicht wundern, wenn die "Eurosklerose" weiter voranschreite.

"Positivbeispiel Frankreich"

Als Positivbeispiel nennt der Bundesausschuss Frankreich. Es sei "den anderen Weg gegangen" und lasse ein Referendum über die EU-Verfassung zu. Dieses werde am 29. Mai stattfinden. Wie auch immer es ausgehen wird, nach Ansicht des Bundesausschusses "haben Demokratie und Transparenz" dort "heute schon gewonnen."

Die Intensität, mit der die Franzosen über die Verfassung und die europäischen Institutionen diskutierten, zeige, dass sich die Bürgerinnen und Bürger für Europa interessieren und engagieren, wenn man ihnen die Möglichkeit gebe, über den Kurs Europas auch mit zu entscheiden.

In der französischen Diskussion bleibe "nichts ausgespart." Es gehe es um den in der EU-Verfassung "verankerten Geist des Neoliberalismus", der aus sozialen Gründen von vielen Menschen kritisiert werde und es um die Militarisierungstendenzen (Aufrüstungsverpflichtung, weltweite Kriegseinsätze), die von vielen Menschen abgelehnt würden.

Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" will die Führung der Union auf die rund 20 Gegner des EU-Verfassungsvertrags in der CDU/CSU-Fraktion noch einmal Druck ausüben. Demnach wollen die Vorsitzenden von CDU und CSU, Angela Merkel und Edmund Stoiber, in der Fraktionssitzung am Dienstag für eine Ratifizierung werben.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag rief für Mittwoch bundesweit zu dezentralen Aktionen auf. Dabei solle verdeutlicht werden, "dass die erwartete 99-prozentige Zustimmung im Bundestag keineswegs die Meinungen in der Bevölkerung" repräsentiere.

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