DIE Internet-Zeitung
"Die nackte Gier"

Kritik an Managern und Forderungen nach Konsequenzen aus Kapitalismuskritik

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Die Gewerkschaften geben den Unternehmen die Schuld an der Massenarbeitslosigkeit. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer rügte in seiner Rede zum 1. Mai am Sonntag bei der zentralen Kundgebung in Mannheim, in vielen Vorstandsetagen der Konzerne herrsche "die nackte Gier". IG-Metall-Chef Jürgen Peters verlangte von der Bundesregierung konkrete Konsequenzen aus der Kapitalismusdebatte. Ver.di-Chef Frank Bsirske forderte die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne. In Duisburg wurde SPD-Chef Franz Müntefering mit Eiern beworfen und ausgepfiffen. Er wurde als "Heuchler" und "Lügner" bezeichnet. Als Müntefering Vorzüge von Harz IV erwähnen wollte, streckten sich ihm rote Karten und Fäuste entgegen, deren Daumen nach unten wiesen. Als er vor den Kommunisten warnte, hörte er als Antwort nur Gejohle, schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".


An den Kundgebungen zum Tag der Arbeit haben nach Angaben des DGB bis zum frühen Nachmittag rund 530.000 Menschen teilgenommen. Damit liege die Zahl um rund 30.000 über dem Durchschnitt der früheren Jahre, teilte der DGB am Sonntag in Berlin mit. Im Jahr 2003 sei der Besuch der Mai-Kundgebungen wegen der von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) angekündigten "Agenda 2010" mit einer Millionen Teilnehmern außergewöhnlich hoch gewesen. Der 1. Mai stand beim DGB in diesem Jahr unter dem Motto: "Du bist mehr. Mehr als eine Nummer. Mehr als ein Kostenfaktor. Du hast Würde. Zeig sie."

Sommer kritisierte "die wachsende Verantwortungslosigkeit vieler Manager", denen die Arbeitnehmerrechte nur noch im Weg stünden. Für Sommer handelt es sich um "Auswüchse".

Peters sagte in Frankfurt am Main, während die Nettoeinkommen seit 1991 gesunken seien, hätten sich "viele Manager üppig bedient". So sei allein 2003 das durchschnittliche Grundgehalt der Vorstandschefs von Dax-Unternehmen um elf Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Peters forderte, den Worten Münteferings müssten Taten folgen. Notwendig seien EU-weite Mindeststandards bei Löhnen und Unternehmensbesteuerung sowie ein europaweit abgestimmtes Investitionsprogramm und öffentliche geförderte Beschäftigung.

Mit gesetzlichen Mindestlöhnen lässt sich nach Einschätzung von ver.di-Chef Frank Bsirske die Binnenkonjunktur stabilisieren und zugleich den Beschäftigten helfen. Der freie Fall der Löhne müsse wirkungsvoll begrenzt werden, sagte Bsirske in München. Er betonte: "Arbeit darf nicht arm machen." Der Bundesregierung warf Bsirske vor, ihre Arbeitsmarktreform "Hartz IV" habe nur neue Jobängste und statistisch fünf Millionen Arbeitslose gebracht. Neue Jobs habe es aber nicht gegeben.

Eine gezielte Unterstützung junger Arbeitsloser forderte der neue Chef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulrich Thöne im hessischen Neu-Anspach. Er forderte die Wirtschaft auf, "endlich" mehr Lehrstellen zur Verfügung zu stellen. Wer keine Ausbildungsplätze anbiete, sollte eine Umlage zahlen.

In Schwerin demonstrierten Tausende Jugendliche bei der "Job Parade" für ihre berufliche Zukunft. Mit lautstarken Technoklängen und 15 buntgeschmückten Trucks zogen sie durch die Straßen. Die Schweriner "Job Parade" ist nach Angaben des Veranstalters bundesweit die größte DGB-Mai-Kundgebung.

Der frühere SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine forderte die Bundesregierung auf, eine Gegenreform einzuleiten. Als erster Schritt sollte die "Hartz IV"-Reform zurückgenommen werden, sagte er in Braunschweig. Der durchschnittliche 53-jährige Arbeitslose habe 60.000 Euro in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt. Er bekomme heute aber nur noch 10.000 Euro heraus, bevor er in Harz IV lande.

Scharfe Kritik äußerte Lafontaine an den Auswüchsen des Kapitalismus. Heute dienten nur noch fünf Prozent des weltweiten Kapitalverkehrs der Wirtschaft, 95 Prozent seien Spekulation. Die Weltwirtschaft sei zu einem Spielcasino geworden, in dem es scheinbar keine Grenzen mehr gebe. Dabei beschafften sich die Reichen immer mehr Geld und würden die Armen immer mehr ausgeplündert. Mit einer solchen Entwicklung dürfe sich keine sozialdemokratische Politik abfinden. Lafontaine sprach sich für eine Anhebung des Spitzensteuersatzes sowie die Einführung von Mindestlöhnen aus.

Lafontaine kritisierte den Vorworf der "Besitzstandswahrung". Damit seien merkwürdigerweise nicht die Vermögenden gemeint, die mehr und mehr bekommen und die möglicherweise Sorgen um ihre Pfründe hätten. Nein, die Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger seien gemeint, denen das wenige, das sie bekommen, weiter gekürzt werden solle.

Nach Ansicht des Chefs der Gewerkschaft IG BCE, Hubertus Schmoldt, breitet sich in deutschen Manageretagen eine "Unkultur der Raffgier" aus. Führungseliten der Wirtschaft nähmen mit, was sie kriegen könnten und opferten dabei "rücksichtslos" Arbeitsplätze, rügte Schmoldt am Sonntag bei einer Mai-Kundgebung in Ludwigshafen. Dies sei nicht nur "ethisch verwerflich, sondern auch schlicht dumm".

Schmoldt sagte, die Vorstandschefs der großen Unternehmen lieferten sich mittlerweile einen "geradezu obszönen Wettbewerb um die höchste Steigerung der Rendite". Leidtragende seien die Arbeitnehmer, die zum bloßen Kostenfaktor erniedrigt würden. Viel zu wenige Manager und Unternehmer würden sich zu ihrer Verantwortung gegenüber den Beschäftigten und der Allgemeinheit bekennen.

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