Unmittelbar vor Beginn des Konklave hielt Kardinal Joseph Ratzinger in einer Messe für den zu wählenden Papst eine Predigt. Nachdem Ratzinger am Dienstag von den Kardinälen zum neuen Oberhaupt der Katholischen Kirche ernannt wurde, gelten seine Worte nun quasi als "Regierungsprogramm". Es sind vornehmlich Worte über den Wandel von Ideologien, den Tod und die Ewigkeit.
"Jesus Christus ist die göttliche Barmherzigkeit in Person: Christus begegnen, heißt der Barmherzigkeit Gottes begegnen", sagte Ratzinger. "Der Auftrag Christi ist durch die priesterliche Salbung zu unserem Auftrag geworden; wir sind dazu berufen, nicht nur mit Worten, sondern auch mit dem ganzen Leben und den wirksamen Zeichen der Sakramente das 'Gnadenjahr des Herrn' auszurufen."
Die Barmherzigkeit Christi sei keine Gnade zu einem billigen Preis, sie lege nicht die Banalisierung des Bösen zugrunde, so der neue Papst. "Christus trägt in seinem Leib und auf seiner Seele das ganze Gewicht des Bösen, seine ganze zerstörende Kraft. Er verbrennt und formt das Böse im Leid um, im Feuer seiner leidenden Liebe." Der Tag der Vergeltung und das Gnadenjahr fielen im Ostergeheimnis zusammen, im gestorbenen und auferstandenen Christus. Das sei die Vergeltung Gottes: "Er selbst, in der Person des Sohnes, leidet für uns. Je mehr wir von der Barmherzigkeit des Herrn getroffen werden, desto mehr treten wir in die Solidarität mit seinem Leiden ein - wir werden bereit, in unserem Fleisch das zu ergänzen 'was an den Leiden Christi noch fehlt'".
Der konservative Papst wendet sich gegen den ständigen Wandel - "Diktatur des Relativismus"
"Wie vielen Widerstreit der Wellen haben wir in den letzten Jahrzehnten kennen gelernt, wie viele ideologische Strömungen, wie viele Denkweisen", sagte Ratzinger, der in Deutschland häufig als Erz-Konservativer kritisiert wird. Das kleine Boot des Denkens vieler Christen sei nicht selten von diesen Wellen "umher geworfen worden" - von einem Extrem ins andere: "Vom Marxismus zum Liberalismus, bis hin zum Libertinismus; vom Kollektivismus zum radikalen Individualismus; vom Atheismus hin zu einem vagen religiösen Mystizismus, vom Agnostizismus zum Synkretismus und so weiter."
"Einen klaren Glauben zu haben, gemäß dem Credo der Kirche, wird oft als Fundamentalismus hingestellt", so Ratzinger. "Während der Relativismus, also das 'hin und her getrieben Sein vom Widerstreit der Meinungen' als die einzige Einstellung erscheint, die auf der Höhe der heutigen Zeit ist. Es konstituiert sich eine Diktatur des Relativismus, die nichts als definitiv anerkennt und die als letztes Maß nur das Ich und seine Bedürfnisse lässt."
Ratzinger: Geld, Gebäude und Bücher sind keine Spuren, die nach dem Tod bleiben
Erwachsen und reif ist für den neuen Papst ein Glaube, der tief in der Freundschaft mit Christus verwurzelt sei. Es sei "diese Freundschaft", die uns all dem gegenüber öffne, was gut sei und das Kriterium liefere, zwischen Wahr und Falsch zu unterscheiden, zwischen Betrug und Wahrheit. "Diesen erwachsenen Glauben müssen wir reifen lassen, zu diesem müssen wir die Herde Christi führen. Und es ist dieser Glaube - nur der Glaube -, der Einheit stiftet und sich in der Liebe verwirklicht."
"In Wahrheit ist uns die Liebe, die Freundschaft Gottes gegeben worden, damit sie auch die anderen erreiche", meint Ratzinger. "Wir haben den Glauben erhalten, um ihn anderen zu schenken - wir sind Priester, um anderen zu dienen. Und wir müssen eine Frucht bringen, die bleibt. Alle Menschen wollen Spuren hinterlassen, die bleibt. Aber was bleibt? Das Geld nicht. Auch die Gebäude bleiben nicht; die Bücher auch nicht."
Papst Benedikt XVI: Als einziges bleibt die Seele
"Die einzige Sache, die in Ewigkeit bleibt, ist die menschliche Seele, der Mensch, der von Gott für die Ewigkeit geschaffen ist", so Ratzinger. "Die Frucht, die bleibt, ist daher das, was wir in den menschlichen Seelen gesät haben - die Liebe, die Erkenntnis; die Handlung, die fähig ist, das Herz zu treffen; das Wort, das die Seele zur Freude am Herrn öffnet. Also machen wir uns auf und bitten wir den Herrn, dass er uns helfe, Frucht zu bringen, eine Frucht, die bleibt. Nur so wird die Erde umgewandelt aus einem Tal der Tränen in den Garten Gottes."
Kritiker: Kein "Apostel und Nachfolger Christi"
Die "Initiative Kirche von unten" hält die Worte des neuen Papstes für wenig überzeugend. Ratzinger trete in der praktischen Kirchenpolitik weniger als "Apostel und Nachfolger Christi" auf. Er habe sich als Präfekt der Glaubenskongregation "eher wie ein Inquisitor" verhalten. Dies zeige sich beispielsweise an der Suspendierung kirchenkritischer Theologen.
Bezogen auf die von Ratzinger angesprochenen "ideologischen Strömungen" hält die Initiative dem neuen Papst "die Unterdrückung der Befreiungstheologie" vor. "Ratzinger ist nicht der Mann, der auf dringende Probleme wie Ökumene, AIDS oder die Folgen der Globalisierung glaubwürdige Antworten im Sinne der christlichen Botschaft geben kann."
Weltweit 1,1 Milliarden Katholiken
Weltweit bekennen sich 1,1 Milliarden Menschen zur katholischen Kirche, es gibt über 4500 Bischöfe und rund 405.000 Priester sowie mehr als vier Millionen Seelsorger. Die Zahl der Ordensfrauen wird mit 800.000 angegeben. Die Hälfte von ihnen lebt in Europa.
In Deutschland leben derzeit 26,2 Millionen Katholiken, die damit knapp ein Drittel der Bevölkerung stellen. Die katholische Kirche ist in 27 Bistümern organisiert. Größtes Bistum ist Köln mit 2,2 Millionen Katholiken, das kleinste Görlitz mit 35.000. Der Anteil der Katholiken ist besonders im Süden und Westen Deutschlands hoch, vor allem im Saarland, in Bayern, in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen. Im Norden überwiegt die evangelische Bevölkerung.
Von den 27 Bistümern sind sieben so genannte Erzbistümer: Bamberg, Berlin, Freiburg, Hamburg, Köln, München und Freising sowie Paderborn. Alle Bistümer werden von einem Bischof geleitet. Mit den Weihbischöfen beträgt die Gesamtzahl der Bischöfe in Deutschland 68.