Die Kritik gilt einem "Reformprojekt" von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt: der Umstrukturierung der Arzneimittelzulassung und der Risikokontrollen. Bisher ist für beides das "Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte" (BfArM) in Bonn zuständig, geführt von Beamten und Angestellten des Bundes. Das BfArM nimmt zwar einerseits Gebühren ein, kann sich aber immerhin auch auf eine Finanzierung aus dem Bundeshaushalt stützen. Das soll die nötige Unabhängigkeit gegenüber der Pharmaindustrie sichern, die ihre Produkte möglichst schnell und problemlos auf den Markt bringen will.
Während die fachliche Qualität des BfArM als kaum umstritten gilt, wird es wegen angeblich "schleppender Bearbeitung von Zulassungsanträgen" kritisiert. "In Europa gilt es als nicht wettbewerbsfähig", wird behauptet. Vor allem das soll sich mit der neuen Arzneimittelagentur verändern. "Reformbedarf" sehen auch die Ärztevertreter.
Sie fürchten jedoch, die Regierung könnte das Kind mit dem Bade ausschütten. Der Entwurf orientiere sich an Industrieinteressen, rügen sie. Begriffe wie "Wertschöpfung", "Exportquote" und "Wirtschaftsstandort" nehmen prominente Plätze ein. Und die für Patientensicherheit zuständige Behörde wird offen als "Dienstleister" für "die pharmazeutische Industrie" gesehen.
Für Kritiker ein unverantwortlicher Richtungswechsel in der Arzneimittelpolitik. "Die Schwerpunkte sind völlig falsch gesetzt", sagt Sawicki, "eine solche Agentur muss zunächst dem Schutz der Bevölkerung dienen und nicht den Gewinnen der Industrie." Auch Arzneimittelkommissionschef Müller-Oerlinghausen kritisiert: "Die Interessen von Ärzten und Patienten wurden offenbar ausgeblendet, zugunsten der Industrie."
Ein schwerer Vorwurf. Denn nach den Contergan-Erfahrungen lautete eines der Grundprinzipien: Der Schutz der Patienten hat Vorrang vor den Vermarktungsinteressen der Herstellerfirmen. Dieser Grundsatz ist für Fachleute jetzt in Gefahr. "Ärzte oder Patienten kommen in dem Entwurf gar nicht vor. In den Vorbereitungsgremien für dieses Gesetz waren weder Ärzte- noch Patientenorganisationen vertreten", kritisierte Müller-Oerlinghausen.
Nachdruck wird dafür auf etwas anderes gelegt: Die DAMA soll sich auf dem europäischen Markt durchsetzen. Geführt von Managern, deren Vergütung leistungsbezogene Anteile hat. Finanziert nahezu ausschließlich aus Gebühren der Industrie. Ärzte sehen Gefahren für die Unabhängigkeit der Prüfungen. Als "Spitze" oder "erfolgreich" werde gelten, wer viele Unternehmen als Kunden hat. Und die gehen dorthin, wo sie die wenigsten Probleme erwarten. Der Druck auf die Prüfer wächst, warnt Ärztekammer-Präsident Hoppe: "Wenn die Agentur sich vor allem im Wettbewerb mit anderen Zulassungsstellen behaupten soll, besteht die Gefahr, dass Anträge nicht ausreichend geprüft und Wirkstoffe vorschnell zugelassen werden."
Nach Ansicht von Qualitätssicherer Sawicki wird hier unnötig ein bedrohlicher Zeitdruck aufgebaut: "Beim 20sten Blutfettsenker oder dem 50sten Bluthochdruckmittel ist es egal, ob sie drei Monate früher oder später auf den Markt kommen." Wirklich neue, wichtige Medikamente gegen bisher nicht ausreichend behandelbare Krankheiten dagegen könnten in speziellen Eilverfahren zugelassen werden. "Bei der Masse der Medikamente sei "ein besonders hohes Tempo aber unnötig und sogar gefährlich".
Wie wichtig gründliche Studien vor der Zulassung von Arzneimitteln sind, haben zuletzt die Diskussionen um die Schmerzmittel Vioxx und Bextra gezeigt. Nebenwirkungen zugelassener Medikamente haben immer wieder tödliche Folgen. So geht das Institut für klinische Pharmakologie in Bremen von "jährlich 16.000 Todesfällen durch Arzneimittel in Deutschland" aus.