Windkraft
Ist Windenergie zu teuer?
Zwischenzeitlich konzentrierten sich die großen Stromkonzerne auf den Landschafts- und Naturschutz mit dem Ergebnis, dass einige Naturschützer zu Windenergiegegnern wurden und andere Konzepte für einen naturverträglichen Ausbau der Windenergie vorlegten. Ein Dauerbrenner ist das Argument, die Windenergie sei zu teuer. Die neuesten Argumente lauten, die Windenergie überlaste das Stromnetz und benötige einen fossilen Reserve-Kraftwerkspark. Mit den aktuellen Diskussionen befasste sich eine am Donnerstag der Öffentlichkeit vorgestellte Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena), die so etwas darstellt wie ein von der Bundesregierung moderierter "Energiekonsens" zwischen den Großkraftwerksbetreibern und der Windbranche.
Die Deutsche Energie-Agentur GmbH ist eine Einrichtung, die zur einen Hälfte der Bundesrepublik Deutschland und zur anderen der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gehört. Die Bundesrepublik wird im Aufsichtsrat der dena von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement vertreten, der eher den großen Energiekonzernen nahesteht, und von Bundesumweltminister Jürgen Trittin, der eher der Windbranche verbunden ist. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau schickte zwei Vorstandsmitglieder in den Aufsichtsrat der dena.
Mit Tessen von Heydebreck wird die Energie-Agentur weiterhin von einem Vorstandsmitglied der Deutschen Bank AG beaufsichtigt, obwohl die Großbank nicht zu den Gesellschaftern gehört. Die Deutsche Bank ist jedoch traditionell beteiligt an strategischen Weichenstellungen in der deutschen Energiepolitik. Erst kürzlich sprach sich der Chefvolkswirt der Großbank für eine Verlängerung der Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke und für eine Renaissance der Atomenergie aus.
Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur ist mit Stephan Kohler ein ausgewiesener Energieexperte. Der einstige Mitarbeiter beim TÜV Bayern (Abteilung Kerntechnik/Strahlenschutz) und bei der Mannheimer Hochtemperatur Reaktorbau GmbH (HRB) wechselte 1981 zum Öko-Institut Freiburg. Als Mitautor des Buches "Die Energiewende ist möglich" kritisierte Kohler heftig die großen Stromkonzerne wie RWE und VEBA (heute E.ON) und plädierte für eine dezentrale, kommunale Energiewirtschaft. Ab 1991 wurde Kohler als Geschäftsführer der neu gegründeten Niedersächsischen Energie-Agentur in Hannover indirekt vom Land Niedersachsen und von der VEBA AG bezahlt. Die Töne wurden moderater. Im Oktober 2000 wurde er schließlich Geschäftsführer der dena.
Bei der jetzt der Öffentlichkeit vorgestellten so genannten dena-Netzstudie mit dem Titel "Energiewirtschaftliche Planung für die Netzintegration von Windenergie in Deutschland an Land und Offshore" wurden die Rahmenbedingungen im "Konsens" festgelegt, schreibt die Energie-Agentur in einer Pressemitteilung. Erarbeitet wurde die Studie von einem "Konsortium um das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln". Das Institut ist für seine Nähe zu den großen Energiekonzernen bekannt. Im Konsortium waren weiterhin vertreten das Deutsche Windenergie-Institut auf der einen Seite und die Netzgesellschaften der großen Kohle- und Atomkraftwerksbetreiber auf der anderen Seite, konkret die E.ON Netz GmbH, die RWE Transportnetz Strom GmbH und die Vattenfall Europe Transmission GmbH. Finanziert wurde die dena-Netzstudie anteilig von Verbänden und Unternehmen der Windkraftwerksbranche, der Netzbetreiber, der Anlagenhersteller und der konventionellen Kraftwerksbranche sowie dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit.
Ausbau der Windenergie
Ursprünglich sollte mit der Studie der Ausbau der Windenergie bis zum Jahr 2020 untersucht werden. Die erneuerbaren Energien insgesamt werden nach der in der Studie erarbeiteten Prognose 2020 einen Anteil von deutlich über 20 Prozent erreichen. Während der Arbeiten an der Studie wurde der Zeithorizont dann aber auf das Jahr 2015 und der Ausbau der erneuerbaren Energien auf einen Anteil von 20 Prozent begrenzt. Begründung: Eine "Systemlösung" bis 2020 habe derzeit noch nicht erarbeitet werden können. Man verschob dies auf eine Folgestudie. Die dena-Studie hat offenbar 700.000 Euro gekostet. Für die Folgestudie will man 2 Millionen Euro ausgeben, schreibt die "Berliner Zeitung".
Bemerkenswert sind die im "Konsens" festgelegten "Rahmenbedingungen" der Studie auch hinsichtlich der Kostenberechnungen. Auf die Einbeziehung der so genannten externen Kosten, mit denen die Auswirkungen des Energieversorgungssystems auf die Umwelt finanziell bewertet werden könnte, wurde "aus methodischen Gründen" verzichtet.
Im Januar wollte sich die "Steuerungsgruppe" für die Studie eigentlich auf eine redaktionelle Endfassung einigen. Das gelang aber nur teilweise, die Veröffentlichung wurde verschoben. Der Bundesverband Windenergie fürchtete weitere "Fehlinterpretationen" der Studie und warf den Energiekonzernen vor, sie hätten durch "Indiskretionen" einseitige Medienberichte zum Beispiel in der "Berliner Zeitung" initiiert.
Der Bundesverband Windenergie hatte beim Studiendesign, also bei den "im Konsens" festgelegten Rahmenbedingungen, auf Druck der großen Energiekonzerne ohnehin schon viele Kröten geschluckt, die aus seiner Sicht wissenschaftlich unplausibel sind. Zum Beispiel betreffend der Annahmen für die Entwicklung der Energiepreise: Während die Deutsche Bank Research, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und andere Forschungsinstitute von "stark steigenden Brennstoffpreisen für die nächsten Jahre" ausgingen, habe man im "Basisszenario" der Studie für Braun- und Steinkohle konstante Preise (reale Preise) und für Erdgas und Erdöls sogar sinkende Energiepreise im Jahr 2015 angenommen. Dadurch seien die angegebenen Mehrkosten für die Netzintegration des Windstroms zu hoch gerechnet worden.
Darüber hinaus sei in der Studie vorausgesetzt worden, dass die bisherige Steuerfreiheit von Braun- und Steinkohle gegenüber Erdgas und Erdöl erhalten bleibe. Auch verschiedene andere Kostenannahmen in der Studie erscheinen dem Bundesverband Windenergie nicht plausibel.
Folgt man der Kritik des Windenergieverbandes, dann sind die in der Studie ermittelten Ergebnisse für die Windenergie eher schlecht gerechnet. Jedenfalls wird an der Auseinandersetzung deutlich, dass im Rahmen der Studie sehr hart um die in die Berechnungen eingeflossenen Zahlen gerungen wurde. Die Ergebnisse der Studie stellen insofern - wie in der Wissenschaft allgemein üblich - keine unumstößlichen Wahrheiten dar, sondern sind vor dem Hintergrund der Grundannahmen und der gewählten Methodik zu interpretieren. Kein Wunder ringen die beteiligten Akteure auch nach der Veröffentlichung der Studie um die Interpretationsmacht über das Werk, das beide Seiten prinzipiell begrüßen.
Kosten für das Stromnetz
"Schon heute geht das ungezügelte Wachstum der Windkraft an die Grenzen der Belastbarkeit der Netze", schreibt beispielsweise der Lobbyverband der Energiekonzerne VDEW. "Die Politik muss endlich einkalkulieren, welche Nebenwirkungen der staatlich geförderte Windenergie-Zuwachs hat, und die erforderlichen Schritte unternehmen", erklärte VDEW-Hauptgeschäftsführer Eberhard Meller in einer ersten knappen Stellungnahme zur dena-Studie. Zur Integration der stark schwankenden Windkraft müssten immer mehr konventionelle Kraftwerksreserven vorgehalten und bis 2015 rund 850 Kilometer neue Stromleitungen gebaut werden.
Während der laut dena-Studie erforderliche Ausbau des Höchstspannungs-Stromnetzes um 850 Kilometer nach Darstellung des VDEW - und zahlreicher Medien - ein gewaltiges Problem ist, verweist der Bundesverband Windenergie in seiner Pressemitteilung darauf, dass die Energiewirtschaft ohnehin jedes Jahr Milliardenbeträge in das Stromnetz steckt. So würden die Netzbetreiber jährlich zwei Milliarden Euro in ihr 1,6 Millionen Kilometer langes Gesamtnetz stecken. Die notwendigen Netzkosten für den Ausbau der Windenergie in Höhe von rund 110 Millionen Euro pro Jahr wären da nicht viel. Das Höchstspannungsnetz müsse lediglich um fünf Prozent erweitert werden. Das würde die Kilowattstunde Strom nur um wenige Hundertstel Cent belasten.
Genau genommen ergab die dena-Studie eine Mehrbelastung durch den Netzausbau von 0,00025 Euro je Kilowattstunde. Das sind, so der Bundesverband Windenergie, für den Privathaushalt weniger als 1 Euro Mehrkosten pro Jahr. Unter Berücksichtigung aller Kosten, der höheren Vergütung für den Windstrom, der nicht in der Windenergie begründeten steigenden Kosten für konventionellen Strom, für den Netzausbau und für die erforderliche Reservekapazität würde die Windenergie einen durchschnittlichen Privathaushalt jährlich mit 12,6 Euro mehr belasten.
Entlastung der Umwelt
Von diesen in der dena-Studie berechneten Mehrkosten wären bei einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wiederum die finanziellen Vorteile durch die Entlastung der Umwelt und die Schonung knapper fossiler Rohstoffe abzuziehen. Da die externen Kosten der Stromwirtschaft in der dena-Studie aber keine Berücksichtigung fanden, ist eine Aussage darüber, ob der Ausbau der Windenergie zu volkswirtschaftlichen Mehrkosten oder zu einer Verringerung der volkswirtschaftlichen Kosten führen würde, mit Hilfe dieser Studie nicht möglich.
Nach Auffassung des offiziell mit der Begutachtung der dena-Studie beauftragten Energiewissenschaftlers Jürgen Schmid ist der in der Arbeit als notwendig erachtete Neubau von Hochspannungsleitungen möglicherweise schlichtweg überflüssig, berichtet die "Berliner Zeitung". In der Studie sei überhaupt nicht geprüft worden, inwieweit die bestehenden Hochspannungsleistungen mit Hilfe moderner Technik verbessert werden können. Schmieg schrieb laut Berliner Zeitung, dass sich die Kapazität der Kabel ohne größeren Aufwand um bis zu 30 Prozent erhöhen lasse. Die in der Studie angegebenen Kosten für den Leitungsneubau könnte man sich möglicherweise sparen.
Greenpeace fordert RWE zum handeln auf
Der Umweltschutzorganisation Greenpeace geht die ständige Kritik an der Windenergie sichtlich auf die Nerven. Statt zu kritisieren, hätten die Netzbetreiber längst konstruktiv handeln sollen, meint der Verband. "Jahrelang haben RWE, E.ON und Co. die Windkraft nicht als notwendige Ergänzung, sondern als Störfaktor behandelt. Damit haben sie wertvolle Zeit für die Anpassung der Netze an die neue Situation verschlafen", meint Jörg Feddern von Greenpeace. "Wenn die Energieversorger genau so viele Aktivitäten bei der Modernisierung und Anpassung des Stromnetzes entwickelt hätten wie beim Aufzählen möglicher Probleme, wären wir schon einen großen Schritt weiter."
Greenpeace fordert angesichts des Klimawandels einen zügigen Ausbau der Erneuerbaren Energien. Bis 2050 sollten nach Meinung der Umweltschutzorganisation 50 Prozent und bis 2100 der gesamte Energiebedarf aus Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Geothermie gedeckt werden.