Überblick
Die Gefahr des Missbrauchs bestehe nicht. "Wir speichern seit sieben Jahren DNA-Zahlenschlüssel", sagte Ziercke. Es gebe keinen einzigen Fall des Missbrauchs, meint der Chef der Behörde zu seiner eigenen Entlastung. Dem BKA gehe es um die Identität von Tatverdächtigen. "Erbanlagen interessieren uns überhaupt nicht", versicherte Ziercke.
Im Jahr 1998 nahm das Bundeskriminalamt (BKA) die DNA-Analyse-Datei offiziell in Betrieb. In ihr sind bis heute 388 712 Datensätze gespeichert, schreibt die "Ärzte Zeitung". Bei etwa 67 000 davon handelte es sich um Tatortspuren, bei denen die Identität der Person, von der die eingesammelte DNA stammt, nicht geklärt ist.
Die genetischen Fingerabdrücke werden bei verschiedenen Strafdelikten herangezogen. Die häufigsten Anfragen betreffen Diebstahldelikte, wo bisher 32 316 Treffer registriert sein sollen.
Eine herkömmliche DNA-Analyse nutzt acht spezifische Genorte mit jeweils beiden Allelen, so daß eine 16stellige Merkmalskombination erzeugt wird. Sie ermöglicht eine eindeutige Identifizierung. Bei eineiigen Zwillingen ist der genetische Fingerabdruck identisch, bei nahen Verwandten ähnlicher als bei Nichtverwandten.
Wie der herkömmliche Fingerabdruck erlaubt der genetische Fingerabdruck keine Rückschlüsse auf Persönlichkeitsmerkmale. Allerdings ist prinzipiell die Untersuchung sämtlicher nicht-codierender Genomabschnitte erlaubt, wodurch nach Auffassung von Kritikern Aussagen zur ethnischen Abstammung möglich werden.
Neben der DNA-Analysedatei gibt es die elektronische Fingerabdruckdatei (AFIS) des BKA, in der etwa drei Millionen digitalisierte Fingerabdrücke gespeichert sind, vor allem von Asylsuchenden und Bürgerkriegsflüchtlingen.
Datenschützer warnen, dass die DNA-Analyse viele kritische Personenmerkmale liefern könne. Kritik gibt es auch an der Forderung, Gen-Tests ohne richterliche Überprüfung durchzuführen. Roland Lorenz, der saarländische Datenschutzbeauftragte, meint: "Aufgrund von DNA-Proben ist es letztendlich möglich, fast alles, was biologisch bedingt ist, über einen Menschen in Erfahrung zu bringen." Das habe eine gänzlich andere Qualität als der herkömmliche Fingerabdruck.
Die saarländischen Richter haben laut "Saarländischem Rundfunk" Bedenken bei der Frage der Ausweitung von Gen-Anlalysen und verweisen auf die aktuelle Gesetzeslage. Oberstaatsanwalt Raimund Weyand, Vorsitzender des Saarländischen Richterbundes, sagte: "Sie stellen einen nicht unerhebliche Belastung und einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar." Dieser Eingriff solle laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts für besonders schwerwiegende Straftaten vorbehalten bleiben.
Präsident des Bundeskriminalamtes ärgert sich über Wortwahl "staatliche Hacker"
"Einbrecher"
Der Streit zwischen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, um Online-Durchsuchungen privater Computer verschärft sich. Zypries wies am Freitag die Kritik Zierckes zurück, der sich über ihre Äußerung zu "staatlichen Hackern" verärgert gezeigt hatte. Die Ministerin habe diesen Ausdruck ganz bewusst in Anführungszeichen gesetzt, sagte ein Ministeriumssprecher. "Die Kritik von Herrn Ziercke an der Äußerung von Frau Zypries geht deshalb an der Sache vorbei." Ziercke hatte Zypries' Äußerungen zu "staatlichen Hackern" in scharfer Form kritisiert. "Dann müsste man auch Polizisten, die mit richterlichem Beschluss eine Wohnung durchsuchen, als Einbrecher bezeichnen", sagte Ziercke der Zeitung "Die Welt". Polizisten würden nicht zu kriminellen Hackern, wenn sie online durchsuchten.
Zypries hatte zur Eröffnung des 10. Polizeikongresses am Dienstag in Berlin mit Blick auf die umstrittenen Online-Durchsuchungen von einer "Form des 'staatlichen Hackings'" gesprochen, dessen Legalisierung sie ablehne.
Der Linksabgeordnete Jan Korte meint, dass Zypries mit ihrer Einschätzung richtig liege, "dass Online-Durchsuchungen nicht mehr und nicht weniger als staatliches Hacking sind". Und dass dieses Instrument mit geltendem Recht nicht zu vereinbaren sei, habe der Bundesgerichtshof in seinem Urteil eindeutig klar gestellt.
Man könne es sogar deutlicher formulieren, so Korte: "Innenminister Schäuble und das BKA nehmen mit ihrer fahrlässigen Hacker-Praxis Rechtsbrüche billigend in Kauf." Schließlich sei es nicht nur in diesem Bereich "Usus geworden, dass staatliche Sicherheitsorgane Verfassung und geltendes Recht dem so genannten Kampf gegen den Terror unterordnen." Die Gerichte müssten immer öfter einschreiten und "das Duo Ziercke/Schäuble in die Schranken weisen".
Der Präsident des BKA solle sich also in Zurückhaltung üben und sich vor Augen führen, welche Grenzen das Recht und die Bürgerrechte dem zügellosen Kampf gegen den Terror aus guten Gründen setzten.
Am 16-02-2007
Bundeskriminalamt hat angeblich bestechliche Mitarbeiter
Privat aktiver V-Mann des BKA?
Bestechliche Mitarbeiter des Bundeskriminalamts (BKA) sollen angeblich jahrelang Informationen zu terrorverdächtigen Aktivitäten in Deutschland an Journalisten verkauft haben. "Es sind einzelne korrupte Beamte", sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke am Donnerstag in Wiesbaden. Ziercke widersprach jedoch einem Bericht des ARD-Magazins "Panorama", wonach der deutsche V-Mann Werner Mauss vom BKA zu Ausforschungen von Journalisten beauftragt worden sei. Panorama berichtete am Donnerstagabend von einer "groß angelegten geheimen Aktion", bei der BKA und bayerische Ermittlungsbehörden Journalisten des Magazins "Focus" in den Jahren 2002 bis 2004 ausgeforscht hätten. Das BKA habe dabei auch den als ehemaligen "Undercover-Agenten" bekannt gewordenen Mauss eingesetzt.
Ziercke behauptete, der V-Mann sei ausschließlich aus eigener Motivation aktiv geworden. Vom BKA habe Mauss nie den Auftrag dazu erhalten. Über die Ergebnisse seiner privaten Detektivarbeit habe Mauss das BKA jedoch unterrichtet. Die Informationen abzuweisen, habe sich wegen deren Brisanz verboten. Dem BKA sei Ende 2002 von Mauss berichtet worden, er habe vom "Focus"-Redakteur Josef Hufelschulte vertrauliche Gesprächsprotokolle zum "Rückkauf" angeboten bekommen. Es habe sich um ursprünglich mündliche Mitteilungen gehandelt, die Mauss zuvor dem BKA gegenüber gemacht habe und für die er sich Vertraulichkeit erbeten hatte.
Gesprächsinhalt seien Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste in Deutschland gewesen, sagte Ziercke. Um seine Familie zu schützen, habe Mauss die Dokumente Hufelschulte für 4000 Euro abgekauft. Weil das Magazin "Focus" seinen Sitz in München hat, habe ab 2003 das bayerische Landeskriminalamt ermittelt und 3,5 Millionen telefonische Verbindungsdaten von BKA-Mitarbeitern erhoben.
Die undichten Stellen seien jedoch nicht zu identifizieren gewesen, die Ermittlungen 2004 dann eingestellt worden, sagte Ziercke weiter. Mauss habe gegenüber dem BKA zudem angegeben, zwei weitere "Focus"-Journalisten seien in den Datenhandel verwickelt und hätten insgesamt für mehr 20.000 Euro Material gekauft. Das Nachrichtenmagazin "Focus" nahm zu den Vorwürfen keine Stellung.
Nach Darstellung des BKA erhielten noch mehr Journalisten über Jahre hinweg brisante Informationen aus der Hand von korrupten Mitarbeitern. Vermutlich stehe auch der Freitod eines BKA-Direktors im Jahr 1993 mit den Vorgängen im Zusammenhang. Unter den weitergegebenen Informationen seien Daten über terroristische Netzwerke, geplante Sprengstoffanschläge im Ausland und Beurteilungen zur "Gesamtlage der ABC-Waffen" in Deutschland gewesen.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte von BKA und Staatsanwaltschaft München eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe. "Wenn die Informationen der ARD-Magazine stimmen, würde es sich um einen der intensivsten Eingriffe in den Informantenschutz handeln, die wir in Deutschland bisher hatten", sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken.
Am 10-04-2007
Schaar wirft Bundeskriminalamt und Bundespolizei Rechtsverstöße vor
"Erfassung der gesamten Bevölkerung"
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, hat dem Deutschen Bundestag am 24. April seinen Tätigkeitsbericht für den Zeitraum 2005/2006 vorgelegt. Schaar beklagt, dass von den vielen Problemstellungen "nur ein kleiner Teil von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird". Immer mehr personenbezogene Daten würden in immer mehr Lebensbereichen erfasst. "Ob wir mit Kunden- und Kreditkarten einkaufen, im Internet surfen, telefonieren oder uns einfach nur in videoüberwachten Bereichen bewegen, die Datenflut ist so groß wie noch nie", so Schaar. Das Datenschutzrecht habe jedoch nicht mit dieser Entwicklung Schritt gehalten. Dem Bundeskriminalamt und der Bundespolizei wirft Schaar Rechtsverstöße vor. Sie hätten eine große Zahl von Daten "unzulässig übermittelt". So habe er bei dem im Dezember 2004 in Berlin neu errichteten "Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) bei einer im Oktober 2005 durchgeführten Kontrolle "schwerwiegende datenschutzrechtliche Verstöße" festgestellt. Bundeskriminalamt und Bundespolizei hätten "eine Vielzahl personenbezogener Daten an das Bundesamt für Verfassungsschutz unzulässig übermittelt", so Schaar. "Ich habe diese Verstöße gemäß Paragraph 25 Bundesdatenschutzgesetz beanstandet."
"Tiefe Einschnitte" durch Gesetze zur Terrorismusbekämpfung In dem Datenschutzbericht wird insbesondere "der umfassende Ausbau der Sicherheitsinfrastruktur von Bund und Ländern" kritisiert. Von zentraler Bedeutung sei das so genannte Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz sowie die Anti-Terror-Datei. "Bei der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Nachrichtendiensten ist das verfassungsrechtliche Trennungsgebot zu beachten", so Schaar. "Ich habe Zweifel, dass dieser Vorgabe bei der Errichtung der Anti-Terror-Datei hinreichend Rechnung getragen wurde. Die Datei beschränkt sich nicht auf eine reine Indexfunktion, sondern führt umfangreiche polizeiliche und nachrichtendienstliche Erkenntnisse zusammen."
Der Datenschutzbeauftragte beanstandete erneut, dass die Wirklichkeit anders aussehe als es in der politischen Diskussion zuvor benannt würde: "Bei der Aufnahme des Wirkbetriebs am 31. März 2007 wurden bereits Daten von mehr als 13.000 Betroffenen in der Anti-Terror-Datei erfasst, also nicht nur die in der Diskussion angeführten rund hundert Gefährder."
Mit dem Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz könnten die Nachrichtendienste des Bundes nunmehr unter wesentlich erleichterten Voraussetzungen umfängliche Auskünfte bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistern, Luftverkehrsgesellschaften sowie Post- und Telekommunikationsunternehmen einholen, bemängelt Schaar.
Online-Durchsuchung
Online-Durchsuchungen von Computern können nach Auffassung des Bundesdatenschützers "unverhältnismäßig tief" in das Grundrecht nach Unverletzlichkeit der Wohnung und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Computer-Nutzer eingreifen. "Durch die Maßnahme können auch höchst private Inhalte erfasst werden."
Von diesen Maßnahmen werde zudem der Betroffene in der Regel nicht unterrichtet, was seine Rechtsschutzmöglichkeiten stark einschränkt. "Angesichts der verfassungsrechtlichen Bedenken und aus meiner Sicht unlösbaren praktischen Fragen sollte das Projekt Online-Durchsuchungen aufgegeben werden", fordert Schaar.
Biometrische Daten in Reisepässen
Seit dem 1. November 2005 wird laut Schaar das digitalisierte Passfoto im Biometriechip des ePasses gespeichert. Inzwischen seien bereits knapp drei Millionen ePässe mit digitalisiertem Lichtbild im Chip ausgegeben worden. Zusätzlich sollten nun auch die digitalisierten Abdrücke der Zeigefinger gespeichert werden.
"Besonders besorgt sehe ich den vorgesehenen Online-Zugriff der Polizei auf die digitalisierten Passbilder", so Schaar. "Damit würden letztlich die über 5.000 kommunalen Register zusammengeschaltet, und es entstünde faktisch eine - virtuelle - Referenzdatei biometrischer Daten, die der Deutsche Bundestag ausdrücklich verhindern wollte. Für verfassungsrechtlich bedenklich hielte ich es auch, die Fingerabdrücke aller Pass- und Personalausweisinhaber in Dateien zu erfassen, denn dies käme der unterschiedslosen erkennungsdienstlichen Erfassung der gesamten Bevölkerung auf Vorrat gleich."
Mautdaten
Dem Konzept der Mauterhebung "mit seiner umfangreichen Datenerfassung" habe der Gesetzgeber "seinerzeit unter der Voraussetzung einer strikten Zweckbindung dieser Daten nur für Mautzwecke zugestimmt", so Schaar. Nach mehreren Kapitalverbrechen, in die Fahrer schwerer Lastwagen verwickelt gewesen seien, sei aber die gesetzliche Zweckbindung der Mautdaten in Frage gestellt worden. "Ich habe hier eine sorgfältige Verhältnismäßigkeitsprüfung angemahnt", so Schaar.
"Nur wenn der Nachweis geführt werden kann, dass die Mautdaten überhaupt für Strafverfolgungszwecke geeignet sind, hielte ich eine Verwendung für bestimmte sehr schwere Delikte für vertretbar."
Ein erster Entwurf der Bundesregierung sehe nun aber vor, die Verarbeitung und Nutzung der Mautdaten "auch zur Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung oder zur Gefahrenabwehr zuzulassen. Damit würde sich die Befürchtung bestätigen, dass die Lockerung der Zweckbindung letztlich zu einer unverhältnismäßigen Datennutzung führt."
Speicherung von EU-Bürgern im Ausländerzentralregister
Für problematisch hält Schaar auch "die generelle Speicherung personenbezogener Daten ausländischer Unionsbürger im Ausländerzentralregister (AZR)", die nach einem Gesetzentwurf zur Umsetzung von EU-Recht zukünftig auch Lichtbilder umfassen solle.
Bislang sei nicht hinreichend begründet worden, warum es einer solchen "unterschiedslosen Datenspeicherung" bedürfe. "Die von mir vorgeschlagene Begrenzung auf bestimmte Speicheranlässe - zum Beispiel Ausweisungen, Abschiebungen, Einreisebedenken - wurde vom Bundesinnenministerium nicht übernommen", so Schaar. "In der generellen Speicherung von Daten ausländischer Unionsbürger sehe ich zudem einen Verstoß gegen das Europarecht. Ich gehe davon aus, dass die Europäische Kommission Deutschland in dieser Sache vor dem EuGH verklagen wird."
SWIFT
Seit 2001 haben US-Behörden nach Angaben des Datenschutzbeauftragten Zugang zu den Zahlungsverkehrsdaten von SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication). Auch hierbei gehe es um eine Auswertung der Daten "im Rahmen der Bekämpfung des Terrorismus". Alle grenzüberschreitenden Überweisungen und nationalen Eilzahlungen würden über SWIFT abgewickelt, das die Überweisungsdaten in Rechenzentren in Europa und in den USA speichere. Hierzu gehören laut Schaar auch Überweisungsdaten innerhalb Europas.
"Die deutschen und europäischen Datenschutzgremien haben die Praxis von SWIFT für unzulässig erklärt und sowohl SWIFT als auch die Banken aufgefordert, die Datenschutzmängel abzustellen", so Schaar.
Schaar: Untätigkeit der Bundesregierung trotz Aufforderung durch Bundestag
Der Datenschützer wirft der Bundesregierung Untätigkeit vor: "Leider hat es die Bundesregierung in den letzten Jahren versäumt, hier initiativ zu werden. So stehen gesetzliche Regelungen zu Genomanalysen und zum Arbeitnehmerdatenschutz seit langem aus, obwohl der Deutsche Bundestag die Bundesregierung wiederholt und einstimmig aufgefordert hat, hierzu Entwürfe vorzulegen."
Eine der wichtigsten Aufgaben des demokratischen Rechtsstaates ist es nach Auffassung von Schaar, die Freiheitsrechte seiner Bürger zu schützen. "In der modernen Informationsgesellschaft ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein elementares Bürgerrecht, dessen Bedeutung vor allem angesichts des technologischen Fortschritts ständig zunimmt."
Am 24-04-2007