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Zu viel oder nicht genug getan

Antidiskriminierungsgesetz im Bundestag beraten

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Der Bundestag hat am Freitag in der ersten Lesung über das Antidiskriminierungsgesetz (ADG) beraten. Während die EU nur ein zivilrechtliches Diskriminierungsverbot aufgrund "der Rasse" und der ethnischen Herkunft verlangte, weitete die Bundesregierung in ihrem Entwurf die Verbote auf Diskriminierung wegen Religionszugehörigkeit, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Identität und Geschlecht aus. Während der Sozialverband Deutschland und Pro Asyl den Gesetzentwurf begrüßten, kritisierte der Präsident des Bundesverbandes des deutschen Groß- und Außenhandels (BGA) Anton Börner, die Bundesregierung schieße mit der Umsetzung der EU Richtlinie erheblich über das Ziel hinaus. Pro Asyl forderte die Bundesregierung allerdings auf, auch gegen diskriminierende Gesetzes vorzugehen. Zudem sei der Begriff der "Rasse" im Gesetz nicht akzeptabel.


"Kleinere Betriebe überfordert"

BGA-Präsident Anton Börner meinte, viele Betriebe, besonders die mittelständischen würden mit den umfangreichen Handlungs- und Beweislastpflichten des Gesetzes schlichtweg überfordert sein. Insgesamt würden "längst vorhandene Arbeitnehmerschutzrechte letztlich verdoppelt". Dies führe zu einer weiteren Zementierung des Arbeitsmarktes. Letzendlich bringe das Gesetz einen weiteren Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Standorten.

Die im Gesetz vorgesehenen Organisationspflichten um Benachteiligungen zu bekämpfen und zu vermeiden nannte er "ausufernd". "Der Arbeitgeber wird einer rechtlichen Grauzone ausgesetzt. An vielen Stellen ist das Ausmaß des Gesetzes überhaupt nicht erkennbar und damit zu unbestimmt."

"Offenkundig durch die Hintertür"

Der Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hermann Kues sieht das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gefährdet, das "sowohl in unserem Grundgesetz als auch im EU-Verfassungsvertrag festgeschrieben" sei.

Offenkundig werde durch die Hintertür versucht, das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen anzutasten, wenn Gerichte entscheiden dürften, was bei der Einstellungspraxis der Kirchen eine "wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung" darstelle. Mit der Ausweitung der geschützten Kriterien um die Religion werde über den europäisch gebotenen Rahmen hinausgegangen und die Vertragsfreiheit massiv angetastet.

"Im Gegenteil"

Die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Eichhorn, sowie die zuständigen Berichterstatter Markus Grübel und Hannelore Roedel äußerten, dass die Menschen, die man vor Diskriminierung schützen wolle, wie beispielsweise Behinderte oder ältere Menschen, nicht geschützt würden.

Im Gegenteil werde die Entstehung zusätzlicher Arbeitsplätze verhindert und weitere Bürokratie aufgebaut. Folgen werde eine ökonomische und gesellschaftliche Lähmung in Deutschland. Außerdem vermissten sie den Schutz der Familien.

So werde auch die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle mehr Kosten und zusätzliche Bürokratie bringen, wobei die Wirksamkeit der Stelle äußerst fraglich sei. Erfahrungen mit einer ähnlichen Einrichtung in Schweden zeigten, dass diese zwar vermittelte, aber faktisch nichts durchsetzen könne.

Ähnlich sah es der wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Johannes Singhammer. Er nannte den Entwurf ein "bürokratisches Monster" und verlangte, die Bundesregierung solle "endlich die Hebel auf Wachstum und Beschäftigungszuwachs stellen".

"Klares Signal an die Gesellschaft"

Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbandes Deutschland hielt den Entwurf dagegen für "ein klares Signal an die Gesellschaft, dass Diskriminierung nicht akzeptabel" sei. Er lobte, dass "der Schutz vor Diskriminierung im Arbeits- und Zivilrecht verankert" werde. Im Namen seines Verbandes begrüßte er ausdrücklich, dass der rot-grüne Gesetzentwurf über die in den EU-Richtlinien vorgeschriebenen Regelungen hinausgehe. Dadurch würden auch behinderte Menschen in das Antidiskriminierungsgesetz einbezogen, obwohl sie in der Antirassismus-Richtlinie der EU nicht berücksichtigt worden seien. Dies sei gerade vor dem Hintergrund zu sehen, dass besonders behinderte Menschen noch vielfach gesellschaftliche Diskriminierung erfahren würden.

Die Kritik der Arbeitgeberverbände am Antidiskriminierungsgesetz nannte er "völlig unbegründet und rein ideologisch motiviert".

"Diskriminierende Gesetze abschaffen"

Pro Asyl begrüßte, dass mit der Beratung des Antidiskriminierungsgesetzes Bewegung in ein Politikfeld komme, "bei dem Deutschlands Rückstand offensichtlich ist". Mit dem Abbau von Diskriminierungen könnten die Vorraussetzungen für die gesellschaftliche Teilhabe von Minderheiten verbessert werden. Das Gesetz könne einen wichtigen Baustein für eine umfassende Diskriminierungspolitik darstellen.

Für die in Deutschland lebenden Flüchtlinge sei der Gesetzentwurf ein partiell positives Signal. Auch sie seien besonders häufig von Diskriminierungen im Alltag betroffen - bei der Wohnungs- und Arbeitssuche oder in ihrer Freizeit. Doch wo der Gesetzgeber selbst die Ausgrenzung von Flüchtlingen und Migranten mit diskriminierenden Gesetzen geregelt habe, nutze kein Antidiskriminierungsgesetz, sondern bleibe bis auf weiteres alles beim Alten.

Gegen den Begriff "Rasse"

Kritik übte Pro Asyl allerdings an dem Begriff der "Rasse". Dieser müsse im Gesetz gestrichen und durch "ethnische Herkunft" ersetzt werden. Der Begriff selbst sei diskriminierend, vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte nicht akzeptabel und für die Umsetzung der EU-Richtlinie auch nicht notwendig.

Eine Antidiskriminierungsstelle auf Bundesebene, wie geplant, reicht nach Ansicht der Flüchlingshilfeorganisation nicht. Notwendig seien Anlaufstellen für Diskriminierungsopfer auf Länder- und Kommunalebene.

Ein zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz ist aus Sicht von Pro Asyl noch keine Antidiskriminierungspolitik. "Eine solche kann sich nicht auf den privaten Bereich beschränken, sondern muss auch diskriminierende Gesetze abschaffen", forderte die Organisation. Flüchtlinge und Migranten würden durch viele Gesetze und Behördenentscheidungen diskriminiert und ausgegrenzt: Lagerunterbringung und Residenzpflicht für Asylsuchende, sozialrechtliche Benachteilungen und Ausgrenzung durch das Asylbewerberleistungsgesetz, Arbeitsverbote für Geduldete.

Dass der diskriminierende Gesetzgeber künftig gleichzeitig vor der Diskriminierung Dritter schützen will, zeitige makabre Widersprüche, so Pro Asyl. Die Organisation nennt ein Beispiel: Ein Asylsuchender, dem aufgrund seiner ethnischen Herkunft der Zugang zur Disco verweigert wird, kann künftig möglicherweise Schadenersatz geltend machen. Gleichzeitig begeht der Betroffene eine Ordnungswidrigkeit oder im Wiederholungsfall eine Straftat, wenn die Disco außerhalb des Landkreises liegt, für den seine Aufenthaltsgestattung gilt.

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