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Kunst als Laborversuch

Ausstellung macht Naturphänomene erfahrbar

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Formen, die man hören kann. Rhythmen, die man sehen kann. Felder, die man spüren kann - das ist das Muster, nach dem die Installationen des Berliner Künstlers Carsten Nicolai funktionieren. Die bisher umfassendste Schau seiner Werke zeigt von Donnerstag an die Frankfurter Schirn. Für die Ausstellung "Anti Reflex" hat sich die Kunsthalle in ein Labor für Naturphänomene verwandelt. Besucher können elektromagnetische Felder, Klang- und Lichtfrequenzen mit Augen, Ohren und über ihren Tastsinn erschließen.


In wiederholten Versuchsanordnungen werden beispielsweise Flüssigkeiten mit Tonsignalen verschiedener Frequenzen animiert, so dass Wellen entstehen, die sich in Form von konzentrischen Kreisen kräuseln, aufeinander stoßen, sich verbinden und dadurch Schwingungsknoten und Störungsmuster erzeugen.

Durch den visuellen Sinneseindruck von Nicolais teils großräumigen Installationen wird das Klangerlebnis in Porträts der Frequenzen umgewandelt. Beispielhaft ist die Fotoserie "milch", die aus der Abbildung unterschiedlicher Milchoberflächen besteht, die durch steigende Frequenzen in Schwingung gebracht wurden. Während die niedrigen Frequenzen eine chaotisch anmutende Fläche erzeugen, bilden hohe Frequenzen streng rhythmisch geordnete Muster.

Kurator der Ausstellung ist Schirn-Direktor Max Hollein. Er hält Nicolai für "einen der wichtigsten Vertreter einer Künstlergeneration, die gezielt die Schnittstellen zwischen Kunst, Natur und Wissenschaft untersucht". Nicolais Werk sei weder politisch noch stelle es einen selbstreflexiven Diskurs über Kunst dar, sagt Hollein. Es stehe somit "im Kontrast zu dem, was in letzter Zeit so umfassend gezeigt und propagiert wurde".

Für den 1965 in Chemnitz geborenen Nicolai ist die Ausstellung wohl der Höhepunkt seiner bisherigen Künstlerkarriere. Einzelne Arbeiten waren zwar bereits bei der documenta und der Biennale zu sehen. Eine solch breite Werkschau wurde bisher allerdings noch nirgendwo gezeigt.

Das große Thema in Nicolais Werk ist die Polarität, wie sie sich zwischen Helligkeit und Dunkelheit, Sichtbarem und Unsichtbarem sowie positiver und negativer elektrischer Spannung zeigt. Das Konzept der Polarität strukturiert auch die Ausstellung in der Schirn: Es gibt zwei getrennte Räume, der eine sehr hell, der andere beinahe dunkel - dazwischen eine Passage, in der Siebdruckmuster an den Wänden und auf dem Boden den Eindruck von visuellen Rhythmen, pulsierenden Feldern und sich verändernden Farben erzeugen.

Mittelpunkt des dunklen "Anti"- wie auch des hellen "Reflex"-Raums ist je ein großer geometrischer Körper, den Nicolai eigens für die Ausstellung geschaffen hat. Während die "Reflex"-Skulptur begehbar ist und der Besucher im Inneren eine akustische Illusion erlebt, bleibt der lichtverschluckende "Anti"-Körper verschlossen. Nur durch äußere Berührung kann der Besucher tiefe Frequenzen spüren, die ein Subwoofer im Inneren von sich gibt.

Parallel zum Beginn der Ausstellung, die in Frankfurt bis zum 28. März gezeigt wird, geht eine Webseite online (www.antireflex.de), die den Charakter von Nicolais Arbeiten erfahrbar macht.

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