Moshammer sei aber "ganz und gar nicht typisch" für die Schwulen in München gewesen, betonte Niederbühl. "Er war eine absolute Ausnahmefigur." Der ermordete Promischneider habe sich ja auch nie offen zu seiner sexuellen Ausrichtung bekannt und ein Doppelleben geführt. "Ich bedauere es sehr, dass er nicht den Mut gehabt hat, zu seinen Gefühlen zu stehen. Er hätte dann ein einfacheres Leben haben können", betonte der Schwulen-Lobbyist.
Doch niemand dürfe Moshammer das vorwerfen. "Es ist wirklich eine Generationenfrage. Moshammer hat es nicht geschafft, bei der Liberalisierung mitzuziehen", sagte Niederbühl. Schließlich sei bis 1969 das Praktizieren männlicher Homosexualität eine Straftat gewesen. Er hoffe, dass sich in Zukunft immer weniger Prominente verstecken müssen.
Gar nicht verstehen könne er aber, warum sich Moshammer seine Sexualpartner am Straßenstrich besorgte. "Stricher sind oft selbst gar nicht schwul, sondern nur hinter dem schnellem Geld her", kritisierte der Aidshilfe-Chef und fügte hinzu: "Wenn sich Moshammer einen professionellen Callboy gerufen hätte, wäre ihm wahrscheinlich nichts passiert." Und auch in der offenen Schwulen-Szene Münchens herrsche kein Mangel an kostenlosem Sex.
Niederbühl, der selbst in einer festen Partnerschaft lebt, ist seit 1996 Stadtrat in der Landeshauptstadt. Seine "Rosa Liste" befindet sich in einer Fraktionsgemeinschaft mit den Grünen. Nach Einschätzung Niederbühls leben in München mindestens 80.000 Homosexuelle. Die Stadt habe ihren früheren Ruf als "schlimmster Ort Deutschlands" für Schwule längst abgelegt. Das Klima habe sich in den vergangenen 25 Jahren stark verändert. "Heute zählt München bundesweit zu den attraktivsten Städten für Homosexuelle", betonte Niederbühl.