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Kampf um Erdöl

Friedensvertrag im Sudan stärkt die Süd-Rebellen und die deutsche Wirtschaft

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Im Beisein von US-Außenminister Colin Powell, Italiens Außenministers Gianfranco Fini und der norwegischen Entwicklungshilfe-Ministerin Hilde Frafjord haben die sudanesische Zentralregierung und die Rebellen des "Sudan People's Liberation Movement" (SPLM) im Süden des Landes am Sonntag einen "Friedensvertrag" unterzeichnet. Der Vertrag überträgt der mit dem Westen koopierenden SPLM unter Rebellenchef John Garang offiziell die Macht im Süden des Staates. Garang wird zusätzlich Vizepräsident des Gesamtstaates. Und: Der Süden hat nun Anspruch auf die Hälfte der Einnahmen aus dem Erdölgeschäft, um die sich die Regierung in Khartum im Norden des Landes und die SPLM in der Vergangenheit heftige Kämpfe lieferten. Zudem: Nach einer Übergangszeit von sechs Jahren darf der Süden laut Vertrag über den Verbleib oder die Abspaltung von der Republik Sudan abstimmen.


Beoabachter rechnen mit einer Abspaltung des rohstoffreichen Südsudan und eine Annäherung an das westlich orientierte Kenia. Ein Konsortium um die deutsche Gleisbaufirma Thormählen Schweißtechnik AG hat mit den Rebellen bereits einen Vorvertrag für den Bau einer Eisenbahnlinie aus dem erdölreichen Südsudan bis zur Küste Kenias unterzeichnet, mit der eine vom Nordsudan unabhängige Erdölvermarktung ermöglicht werden soll. Die deutsche Bundesregierung begrüßte den Abschluss des Friedensvertrages.

Einem Bericht der "Neuen Züricher Zeitung" vom 27. November 2004 zufolge hat die Gleisbaufirma Thormählen mit den deutschen Unternehmen Siemens, Thyssen-Krupp, Strabag und Radio Hamburg eine Holding-Gesellschaft gegründet, welche beim Wiederaufbau des Südens mitwirken soll.

Errichten deutsche Firmen eine Hauptstadt für einen eigenständigen Staat Südsudan?

Wie aus einer Pressemitteilung der Firma Thormählen Schweißtechnik hervorgeht, zählen zum Wiederaufbau des Südsudan insbesondere "Planung, Bau und Betrieb einer Eisenbahnlinie von den Ölfeldern des Süd Sudan mit Abzweigungen nach Uganda bis nach Rongai/Nairobi", ein Aufbau von Energieerzeugung, Nilschifffahrt, Telekommunikation und einer Fluggesellschaft.

Darüber hinaus sei der "Aufbau einer neuen Hauptstadt für den Süd Sudan" vorgesehen. Als die entscheidende Lebensader für die wirtschaftliche Eigenständigkeit des Südsudan wird das geplante Eisenbahnnetz für die Region angesehen. "Der Bau der Eisenbahnlinie hat dabei höchste Priorität. Die Eisenbahn ist Voraussetzung für alle weiteren Projekte, da nur so wirtschaftlich Güter und Fachleute in die Region gebracht werden und der Wiederaufbau vorangetrieben werden kann."

Liefert die Eisenbahnlinie die Grundlage für eine Abspaltung des Südsudan?

Der erste Bauabschnitt der Eisenbahn soll an die in Kenia vorhandene Meterspurbahn anschließen und die Städte Rongai (nordwestlich von Nairobi) mit Juba im Süd Sudan verbinden. Bemerkenswert ist der von Thormählen genannte Zeithorizont für die Fertigstellung des ersten Streckenabschnittes: "Es ist geplant, dass zumindest diese Teilstrecke von ca. 1.000 km bis zum Referendum, das in 6 Jahren im Sudan stattfinden soll, in Betrieb gehen kann."

In Verbindung mit der bestehenden Eisenbahnstrecke stünde in sechs Jahren - passend zu dem im Friedensvertrag vorsgesehenen Referendum - eine Anbindung des Südsudan an die am Indischen Ozean gelegene kenianische Hafenstadt Mombasa zur Verfügung. Nach Angaben der Website "german-foreign-policy.com" will die südsudanesische Rebellenorganisation SPLM die riesigen Erdölvorkommen des Südsudan mit Hilfe der Eisenbahnlinie über Mombasa vermarkten.

Öl für die USA und Europa oder für China?

Der bislang notwendige Transport des Erdöls in die nordsudanesische Hafenstadt Port Sudan am Roten Meer könnte dann entfallen. Die sudanesische Hauptstadt Khartum "verlöre jeden Einfluss auf das Öl und seine Erlöse". Die sudanesische Zentralregierung kooperiert bei der Vermarktung des Erdöls bislang eng mit der Volksrepublik China.

Durch den Friedensvertrag hat die Zentralregierung "künftig keinerlei Einfluß auf die Verwaltung des Südens mehr, die autonom wird, während die SPLM mit dem Vizepräsidenten Garang das politische Leben in Khartum beeinflussen wird", schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeiung am 10. Januar.

Einsatz der deutschen Bundesregierung

Die deutsche Bundesregierung ist einer der Akteure, die die Zukunft des Sudan mitbestimmen. Presseberichten zufolge hat der deutsche Wirtschaftsminister Wolfgang Clement Thormählen bereits Staatsgarantien für das Eisenbahnprojekt in Aussicht gestellt.

Soldaten der Bundeswehr haben Ende vergangenen Jahres tansanische Soldaten in die sudanesische Krisenregion Darfur geflogen. Nach Angaben der Bundesregierung ging es darum, eine humanitäre Katastrophe abzuwenden. Friedensforscher vermuten hingegen, dass es der Bundesregierung um eine Schwächung der sudanesischen Zentralregierung ging.

Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, bemühte sich nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr intensiv darum, den Druck auf die sudanesische Regierung zu erhöhen. In ihrem Redebeitrag am 26. Mai 2004 im Deutschen Bundestag hatte Müller erklärt, dass die deutsche Bundesregierung "auf allen politischen Ebenen versucht, Druck zu machen, die sudanesische Regierung zum Einlenken zu bewegen. Ich habe mich entschlossen unmittelbar nach meinem Besuch im Tschad am 7. Mai nach New York zu fahren und dem Sicherheitsrat von der Lage vor Ort zu berichten. Wir haben gedrängt, die Darfur-Krise sowohl auf dem G8-Außenministertreffen am 14. Mai, als auch auf dem EU-Rat der Aussenminister, die am 17. Mai einen deutlichen Beschluss gefasst haben, zum Thema zu machen."

Nach Angaben von Müller musste die deutsche Bundesregierung "bei vielen der übrigen Mitgliedsstaaten erhebliche Überzeugungsarbeit leisten, bis das Thema dann am 02.04. – übrigens der zweite Tag der deutschen Präsidentschaft im Sicherheitsrat – dann auf der Tagesordnung stand." Müller war im Frühsommer 2004 auch in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, kurz bevor die Firma Thormählen dort Verhandlungen über Planungsdetails für die Eisenbahnstrecke führte.

Parteinahe Stiftungen für Separatismus?

Die Berater der deutschen Bundesregierung haben nach Einschätzung von "german-foreign-policy.com" kein Interesse am Erhalt des Sudan. "Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), die der deutschen Regierungspartei SPD nahe steht, bezeichnet einen Fortbestand des Sudan als 'wenig wahrscheinlich', deutsche Politiker unterhalten seit Jahren Kontakte zu Separatisten im Südsudan und setzten sich schon im Sommer für die 'Förderung infrastruktureller (...) Maßnahmen' in dem Sezessionsgebiet ein."

Die Friedrich-Ebert-Stiftung rechne mit einer Sezession des Südsudan. "(D)ie zunehmenden ökonomischen und politischen Widersprüche zwischen Zentrum und Peripherien (...) bedrohen das ohnehin schwache Staatswesen", heiße es in einem von der Stiftung veröffentlichten Papier, der Fortbestand eines "einheitlichen, friedlichen Sudan" sei "wenig wahrscheinlich".

Auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), habe bereits 1999 ein "Programm zum Aufbau und zur Stärkung der Zivilgesellschaft im Südsudan" entwickelt. Die Stiftung habe Vertretern der Rebellen Kontakte zu Bundestagsabgeordneten, ins Auswärtige Amt und ins Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vermittelt.

Geeignet, "die politische und geographische Landschaft des Kontinents zu verändern"

Die kenianische Presse soll "german-foreign-policy.com" zufolge bereits im Juni geschrieben haben, das deutsche Eisenbahnprojekt sei geeignet, "die politische und geographische Landschaft des Kontinents zu verändern".

Der zukünftige Chef des südsudanesischen Autonomiegebiets John Garang, der den Südsudan an Kenia und Uganda annähert und von Khartum lösen will, habe jetzt angekündigt, sich auch in Verhandlungen über die an den Südsudan angrenzende Region Darfur einmischen zu wollen. Der am Sonntag unterzeichnete Friedensvertrag zwischen der sudanesischen Regierung und der SPLM, der dem Südsudan in wenigen Jahren die Sezession gestattet, sei ein geeignetes Modell für Darfur, erklärte Garang. Die Darfur-Rebellen sollen zudem damit gedroht haben, sie würden die Hauptstadt Khartum militärisch erobern.

Staatsministerin Müller erklärte am Sonntag, die Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen der sudanesischen Regierung und der Sudan People's Liberation Movement / Army sei zu begrüßen. Der Sicherheitsrat habe sich im November auf einer Sondersitzung in Kenia mit dem Sudan beschäftigt. "Es ist zu begrüßen, dass die Konfliktparteien mit der Unterzeichnung eine wichtige Forderung erfüllt haben, die der Sicherheitsrat anlässlich dieser Sitzung mit allem Nachdruck übermittelt hatte." Die internationale Gemeinschaft sei aufgerufen, die Umsetzung des Abkommens zu überwachen und zu unterstützen.

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